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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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72) "Marx und Bakunin", S. 8.
73) Es ist evident, dass dieser Paragraph selbst für Marx
und Engels anfänglich etwas ganz anderes bedeutete, als sie später
hineininterpretierten. 1864 kam es ihnen darauf an, die politische
Intervention in den Angelegenheiten der nationalen Politik der
ökonomischen Emanzipation unterzuordnen, das heisst, die Bis-
marckische Politik möglichst gewähren zu lassen. 1871 aber, auf
der Londoner Konferenz, nach den glänzenden Bismarcksiegen,
fürchteten sie, den Anschluss zu versäumen. Also schoben sie
jetzt das Mittel der politischen Aktion in den Vordergrund und
legten es im Sinne einer parlamentarischen Reformpartei aus.
74) Es bedarf keiner Erwähnung, dass Alexander Herzen
dergleichen nie gefordert oder prophezeit hat. Herzen glaubte
an die verjüngende Kraft der russischen Dorfgemeinde, des Mir,
an die regenerative Bauernkraft Russlands, dem westlichen "Ver-
fall" gegenüber. Er glaubte an den ungebrochenen naiven Idea-
lismus des russischen Volkstums. Keineswegs aber verlangte er
eine "obligate Infusion mit Kalmückenblut und eine Verjüngung
durch die Knute". Das war nur der gewissenlose Superlativismus
Marxens und eine seiner böswilligen Entstellungen in der Hetze
gegen die "Panslavisten".
75) Michael Bakunin, "Aux compagnons de la Federation
jurassienne", Manuskript 1873 (mitgeteilt von Nettlau). Bakunin
bemerkt dazu: "Wenn Herr von Bismarck auf den Genfer Kon-
gress einen Agenten hätte schicken wollen, -- hätte er eine
andere Sprache führen können? Im Augenblick, da er mit furcht-
baren Mitteln den Sturz der französischen Hegemonie und die
Begründung der deutschen Herrschaft auf deren Trümmern vor-
bereitete, -- wäre es nicht von seinem Standpunkte aus hervor-
ragende Politik gewesen, die öffentliche Aufmerksamkeit von
seinen Rüstungen und dem deutschen Ehrgeiz auf die viel fernere
Gefahr einer Drohung Russlands abzulenken? War das nicht
Pangermanismus, der sich Europa unter dem frommen Vorwand
berechtigten und gemeinsamen Hasses gegen den Panslavismus
anempfahl? Hiess das nicht Deutschland von allem politischen
und sozialen Unheil, das es angerichtet hat und das es heute
(1873) in monströsem Masse verbreitert, reinwaschen, dafür aber
die Schuld auf seinen leider nur allzu gefügigen und getreuen
Schüler Russland schieben?" -- Die Friedens- und Freiheits-
kongresse von Genf und Bern (1867/68) waren in der Haupt-
sache von Westschweizern und Franzosen einberufen und
beschickt. In Mittelpunkt ihrer Aktion stand der Russe Bakunin.
72) „Marx und Bakunin“, S. 8.
73) Es ist evident, dass dieser Paragraph selbst für Marx
und Engels anfänglich etwas ganz anderes bedeutete, als sie später
hineininterpretierten. 1864 kam es ihnen darauf an, die politische
Intervention in den Angelegenheiten der nationalen Politik der
ökonomischen Emanzipation unterzuordnen, das heisst, die Bis-
marckische Politik möglichst gewähren zu lassen. 1871 aber, auf
der Londoner Konferenz, nach den glänzenden Bismarcksiegen,
fürchteten sie, den Anschluss zu versäumen. Also schoben sie
jetzt das Mittel der politischen Aktion in den Vordergrund und
legten es im Sinne einer parlamentarischen Reformpartei aus.
74) Es bedarf keiner Erwähnung, dass Alexander Herzen
dergleichen nie gefordert oder prophezeit hat. Herzen glaubte
an die verjüngende Kraft der russischen Dorfgemeinde, des Mir,
an die regenerative Bauernkraft Russlands, dem westlichen „Ver-
fall“ gegenüber. Er glaubte an den ungebrochenen naiven Idea-
lismus des russischen Volkstums. Keineswegs aber verlangte er
eine „obligate Infusion mit Kalmückenblut und eine Verjüngung
durch die Knute“. Das war nur der gewissenlose Superlativismus
Marxens und eine seiner böswilligen Entstellungen in der Hetze
gegen die „Panslavisten“.
75) Michael Bakunin, „Aux compagnons de la Fédération
jurassienne“, Manuskript 1873 (mitgeteilt von Nettlau). Bakunin
bemerkt dazu: „Wenn Herr von Bismarck auf den Genfer Kon-
gress einen Agenten hätte schicken wollen, — hätte er eine
andere Sprache führen können? Im Augenblick, da er mit furcht-
baren Mitteln den Sturz der französischen Hegemonie und die
Begründung der deutschen Herrschaft auf deren Trümmern vor-
bereitete, — wäre es nicht von seinem Standpunkte aus hervor-
ragende Politik gewesen, die öffentliche Aufmerksamkeit von
seinen Rüstungen und dem deutschen Ehrgeiz auf die viel fernere
Gefahr einer Drohung Russlands abzulenken? War das nicht
Pangermanismus, der sich Europa unter dem frommen Vorwand
berechtigten und gemeinsamen Hasses gegen den Panslavismus
anempfahl? Hiess das nicht Deutschland von allem politischen
und sozialen Unheil, das es angerichtet hat und das es heute
(1873) in monströsem Masse verbreitert, reinwaschen, dafür aber
die Schuld auf seinen leider nur allzu gefügigen und getreuen
Schüler Russland schieben?“ — Die Friedens- und Freiheits-
kongresse von Genf und Bern (1867/68) waren in der Haupt-
sache von Westschweizern und Franzosen einberufen und
beschickt. In Mittelpunkt ihrer Aktion stand der Russe Bakunin.
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[310/0318] ⁷²⁾ „Marx und Bakunin“, S. 8. ⁷³⁾ Es ist evident, dass dieser Paragraph selbst für Marx und Engels anfänglich etwas ganz anderes bedeutete, als sie später hineininterpretierten. 1864 kam es ihnen darauf an, die politische Intervention in den Angelegenheiten der nationalen Politik der ökonomischen Emanzipation unterzuordnen, das heisst, die Bis- marckische Politik möglichst gewähren zu lassen. 1871 aber, auf der Londoner Konferenz, nach den glänzenden Bismarcksiegen, fürchteten sie, den Anschluss zu versäumen. Also schoben sie jetzt das Mittel der politischen Aktion in den Vordergrund und legten es im Sinne einer parlamentarischen Reformpartei aus. ⁷⁴⁾ Es bedarf keiner Erwähnung, dass Alexander Herzen dergleichen nie gefordert oder prophezeit hat. Herzen glaubte an die verjüngende Kraft der russischen Dorfgemeinde, des Mir, an die regenerative Bauernkraft Russlands, dem westlichen „Ver- fall“ gegenüber. Er glaubte an den ungebrochenen naiven Idea- lismus des russischen Volkstums. Keineswegs aber verlangte er eine „obligate Infusion mit Kalmückenblut und eine Verjüngung durch die Knute“. Das war nur der gewissenlose Superlativismus Marxens und eine seiner böswilligen Entstellungen in der Hetze gegen die „Panslavisten“. ⁷⁵⁾ Michael Bakunin, „Aux compagnons de la Fédération jurassienne“, Manuskript 1873 (mitgeteilt von Nettlau). Bakunin bemerkt dazu: „Wenn Herr von Bismarck auf den Genfer Kon- gress einen Agenten hätte schicken wollen, — hätte er eine andere Sprache führen können? Im Augenblick, da er mit furcht- baren Mitteln den Sturz der französischen Hegemonie und die Begründung der deutschen Herrschaft auf deren Trümmern vor- bereitete, — wäre es nicht von seinem Standpunkte aus hervor- ragende Politik gewesen, die öffentliche Aufmerksamkeit von seinen Rüstungen und dem deutschen Ehrgeiz auf die viel fernere Gefahr einer Drohung Russlands abzulenken? War das nicht Pangermanismus, der sich Europa unter dem frommen Vorwand berechtigten und gemeinsamen Hasses gegen den Panslavismus anempfahl? Hiess das nicht Deutschland von allem politischen und sozialen Unheil, das es angerichtet hat und das es heute (1873) in monströsem Masse verbreitert, reinwaschen, dafür aber die Schuld auf seinen leider nur allzu gefügigen und getreuen Schüler Russland schieben?“ — Die Friedens- und Freiheits- kongresse von Genf und Bern (1867/68) waren in der Haupt- sache von Westschweizern und Franzosen einberufen und beschickt. In Mittelpunkt ihrer Aktion stand der Russe Bakunin.

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/318>, abgerufen am 22.11.2024.