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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Wer weiss, was für Perspektiven sich seinem gewaltigen Geist
noch vorspiegelten! Wer weiss, ob er nicht in die Regierung
selbst einzutreten sich Aussicht machte". So Rosenkranz, S. 318/319.
186) Brief Goethes an Hegel vom 27. Juni 1806: "Sehen
Sie Beikommendes, mein lieber Herr Doctor, wenigstens als einen
Beweis an, dass ich nicht aufgehört habe, im Stillen für Sie zu
wirken. Zwar wünschte ich mehr anzukündigen, allein in solchen
Fällen ist manches für die Zukunft gewonnen, wenn nur einmal
ein Anfang gemacht ist. Der ich recht wohl zu leben und Sie
gesund und froh wieder zu sehen wünsche" etc. (Rosenkranz, S. 223)
187) Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, dass Goethe der
Hegel'schen "Philosophie" zustimmte. Er hatte eine gewisse
Bonhommie für den trockenen Schwaben, der so wacker die
preussische Konjunktur für seine Karriere zu nutzen verstand.
Er ahnte wohl nicht die Folgen. 1821 schickte er Hegel einen
Weinbecher mit dem ironischen Begleitwort:
"Dem absoluten
empfiehlt sich
Schönstens
zu freundlicher Aufnahme
das Urphänomen".

Im "Faust" aber stehen die Worte, die wie ein Motto noch
heute die Hegel'sche Philosophie begleiten:
"Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der nach unendlichen Rezepten
Das Widrige zusammenschmolz".
188) Heine, "Zur Geschichte der Religion und Philosophie
in Deutschland", S. 121-124.
189) "En Allemagne une Revolution est-elle possible?"
Introduction et Notes de Marius-Ary Leblond (unter Mitarbeit
von Barres, Huret, Lichtenberger, Rolland, Schure, Seignobos,
Sembat, Wetterle u. a.), Paris, Albin Michel, 1917.
190) An vielen Stellen seiner Schriften (siehe Werke, Bd. I,
"Gesammelte Schriften zur philosophischen Erkenntniswissen-
schaft als spekulative Logik", herausg. von Dr. Franz Hoffmann,
Leipzig 1851.)
191) Rosenkranz, S. 408.
192) Schon Constantin Frantz schlug die Gründung einer
Internationalen Akademie für das Studium speziell der histo-
rischen und politischen Wissenschaften vor, als der wichtigsten
für die Begründung und Ausbildung eines Internationalen
Wer weiss, was für Perspektiven sich seinem gewaltigen Geist
noch vorspiegelten! Wer weiss, ob er nicht in die Regierung
selbst einzutreten sich Aussicht machte“. So Rosenkranz, S. 318/319.
186) Brief Goethes an Hegel vom 27. Juni 1806: „Sehen
Sie Beikommendes, mein lieber Herr Doctor, wenigstens als einen
Beweis an, dass ich nicht aufgehört habe, im Stillen für Sie zu
wirken. Zwar wünschte ich mehr anzukündigen, allein in solchen
Fällen ist manches für die Zukunft gewonnen, wenn nur einmal
ein Anfang gemacht ist. Der ich recht wohl zu leben und Sie
gesund und froh wieder zu sehen wünsche“ etc. (Rosenkranz, S. 223)
187) Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, dass Goethe der
Hegel'schen „Philosophie“ zustimmte. Er hatte eine gewisse
Bonhommie für den trockenen Schwaben, der so wacker die
preussische Konjunktur für seine Karriere zu nutzen verstand.
Er ahnte wohl nicht die Folgen. 1821 schickte er Hegel einen
Weinbecher mit dem ironischen Begleitwort:
„Dem absoluten
empfiehlt sich
Schönstens
zu freundlicher Aufnahme
das Urphänomen“.

Im „Faust“ aber stehen die Worte, die wie ein Motto noch
heute die Hegel'sche Philosophie begleiten:
„Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der nach unendlichen Rezepten
Das Widrige zusammenschmolz“.
188) Heine, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie
in Deutschland“, S. 121-124.
189) „En Allemagne une Révolution est-elle possible?“
Introduction et Notes de Marius-Ary Leblond (unter Mitarbeit
von Barrès, Huret, Lichtenberger, Rolland, Schuré, Seignobos,
Sembat, Wetterlé u. a.), Paris, Albin Michel, 1917.
190) An vielen Stellen seiner Schriften (siehe Werke, Bd. I,
„Gesammelte Schriften zur philosophischen Erkenntniswissen-
schaft als spekulative Logik“, herausg. von Dr. Franz Hoffmann,
Leipzig 1851.)
191) Rosenkranz, S. 408.
192) Schon Constantin Frantz schlug die Gründung einer
Internationalen Akademie für das Studium speziell der histo-
rischen und politischen Wissenschaften vor, als der wichtigsten
für die Begründung und Ausbildung eines Internationalen
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[270/0278] ¹⁸⁵⁾ Wer weiss, was für Perspektiven sich seinem gewaltigen Geist noch vorspiegelten! Wer weiss, ob er nicht in die Regierung selbst einzutreten sich Aussicht machte“. So Rosenkranz, S. 318/319. ¹⁸⁶⁾ Brief Goethes an Hegel vom 27. Juni 1806: „Sehen Sie Beikommendes, mein lieber Herr Doctor, wenigstens als einen Beweis an, dass ich nicht aufgehört habe, im Stillen für Sie zu wirken. Zwar wünschte ich mehr anzukündigen, allein in solchen Fällen ist manches für die Zukunft gewonnen, wenn nur einmal ein Anfang gemacht ist. Der ich recht wohl zu leben und Sie gesund und froh wieder zu sehen wünsche“ etc. (Rosenkranz, S. 223) ¹⁸⁷⁾ Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, dass Goethe der Hegel'schen „Philosophie“ zustimmte. Er hatte eine gewisse Bonhommie für den trockenen Schwaben, der so wacker die preussische Konjunktur für seine Karriere zu nutzen verstand. Er ahnte wohl nicht die Folgen. 1821 schickte er Hegel einen Weinbecher mit dem ironischen Begleitwort: „Dem absoluten empfiehlt sich Schönstens zu freundlicher Aufnahme das Urphänomen“. Im „Faust“ aber stehen die Worte, die wie ein Motto noch heute die Hegel'sche Philosophie begleiten: „Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der nach unendlichen Rezepten Das Widrige zusammenschmolz“. ¹⁸⁸⁾ Heine, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“, S. 121-124. ¹⁸⁹⁾ „En Allemagne une Révolution est-elle possible?“ Introduction et Notes de Marius-Ary Leblond (unter Mitarbeit von Barrès, Huret, Lichtenberger, Rolland, Schuré, Seignobos, Sembat, Wetterlé u. a.), Paris, Albin Michel, 1917. ¹⁹⁰⁾ An vielen Stellen seiner Schriften (siehe Werke, Bd. I, „Gesammelte Schriften zur philosophischen Erkenntniswissen- schaft als spekulative Logik“, herausg. von Dr. Franz Hoffmann, Leipzig 1851.) ¹⁹¹⁾ Rosenkranz, S. 408. ¹⁹²⁾ Schon Constantin Frantz schlug die Gründung einer Internationalen Akademie für das Studium speziell der histo- rischen und politischen Wissenschaften vor, als der wichtigsten für die Begründung und Ausbildung eines Internationalen

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/278>, abgerufen am 22.05.2024.