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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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165) Moeller van den Bruck, "Wilhelm von Humboldt und
die preussische Freiheit".
166) Karl Rosenkranz, "Georg Friedrich Wilhelm Hegels
Leben", Duncker & Humblot, Berlin, 1844, S. 48.
167) Brief Hufnagels an Hegel, 4. Mai 1803 (Rosenkranz, S. 224)
168) Hier der Brief Hegels, der auch sonst interessant ist:
"Jena, Montag, den 13. Oktober 1806, am Tage, da Jena
von den Franzosen besetzt wurde und der Kaiser Napoleon in
seinen Mauern eintraf: Den Kaiser, diese Weltseele, sah ich
durch die Stadt zum Recognoszieren hinausreiten. Es ist in der
Tat eine wunderbare Empfindung, ein solches Individuum zu
sehen, das hier auf einen Punkt concentriert, auf einem Pferde
sitzend, über die Welt übergreift und sie beherrscht. Wie
ich schon früher tat, wünschen nun Alle der Franzosen Armee
Glück,
was ihr bei dem ganz ungeheuren Unterschied ihrer An-
führer und des gemeinen Soldaten von ihren Feinden (den
Preussen!) auch gar nicht fehlen kann. So wird unsere Gegend
von dem Schwall bald befreiet werden". -- Ein seltsamer Patriot,
wird man sagen! Und doch behauptet sein Herausgeber, dass
er "das Höchste" gab, was "deutscher Idealismus überhaupt
geschaffen hat". (Siehe Liz. Dr. K. P. Hasse, Vorwort zu "Hegels
Philosophie", Deutsche Bibliothek, Berlin 1917.)
169) Rosenkranz, S. 159. Die beiden ersten Sätze seiner
Habilitationsschrift lauteten: I. "Contradictio est regula veri, non
contradictio falsi", II. "Syllogismus est principium Idealismi".
170) Ebendort, S. 236.
171) S. 239.
172) S. 411. Die Einheit des Göttlichen und Menschlichen --
da hat man die ganze Blasphemie des Protestantismus. Die Ein-
heit des Göttlichen und Menschlichen, repräsentiert vom preus-
sischen Soldatenkönig, da hat man den doktrinären Satanismus,
dessen die lutheranische Theologie sich schuldig machte.
173) Von der privaten Moralität ist nirgends bei Hegel die
Rede. Ueberall nur von den Tugenden der Stände, des Staates,
der Gesamtheit. Sein Aberglaube ist der Begriff, das Kollektivum.
Ein Reich von Begriffen soll die persönliche Immoral vergessen
machen und den moralischen Quietismus entschuldigen. Seine
Philosophie ist eine Flucht ins Abstraktum. Der Widerspruch,
den er an den Anfang seiner Philosophie setzt, hebt die Moral
auf, indem Gott und der Teufel gleiche Rechte geniessen. Der
Widerspruch, Hegels persönlichstes Problem, (ausgedrückt durch
These und Antithese) soll in der Synthese, im höheren Begriff
165) Moeller van den Bruck, „Wilhelm von Humboldt und
die preussische Freiheit“.
166) Karl Rosenkranz, „Georg Friedrich Wilhelm Hegels
Leben“, Duncker & Humblot, Berlin, 1844, S. 48.
167) Brief Hufnagels an Hegel, 4. Mai 1803 (Rosenkranz, S. 224)
168) Hier der Brief Hegels, der auch sonst interessant ist:
„Jena, Montag, den 13. Oktober 1806, am Tage, da Jena
von den Franzosen besetzt wurde und der Kaiser Napoleon in
seinen Mauern eintraf: Den Kaiser, diese Weltseele, sah ich
durch die Stadt zum Recognoszieren hinausreiten. Es ist in der
Tat eine wunderbare Empfindung, ein solches Individuum zu
sehen, das hier auf einen Punkt concentriert, auf einem Pferde
sitzend, über die Welt übergreift und sie beherrscht. Wie
ich schon früher tat, wünschen nun Alle der Franzosen Armee
Glück,
was ihr bei dem ganz ungeheuren Unterschied ihrer An-
führer und des gemeinen Soldaten von ihren Feinden (den
Preussen!) auch gar nicht fehlen kann. So wird unsere Gegend
von dem Schwall bald befreiet werden“. — Ein seltsamer Patriot,
wird man sagen! Und doch behauptet sein Herausgeber, dass
er „das Höchste“ gab, was „deutscher Idealismus überhaupt
geschaffen hat“. (Siehe Liz. Dr. K. P. Hasse, Vorwort zu „Hegels
Philosophie“, Deutsche Bibliothek, Berlin 1917.)
169) Rosenkranz, S. 159. Die beiden ersten Sätze seiner
Habilitationsschrift lauteten: I. „Contradictio est regula veri, non
contradictio falsi“, II. „Syllogismus est principium Idealismi“.
170) Ebendort, S. 236.
171) S. 239.
172) S. 411. Die Einheit des Göttlichen und Menschlichen —
da hat man die ganze Blasphemie des Protestantismus. Die Ein-
heit des Göttlichen und Menschlichen, repräsentiert vom preus-
sischen Soldatenkönig, da hat man den doktrinären Satanismus,
dessen die lutheranische Theologie sich schuldig machte.
173) Von der privaten Moralität ist nirgends bei Hegel die
Rede. Ueberall nur von den Tugenden der Stände, des Staates,
der Gesamtheit. Sein Aberglaube ist der Begriff, das Kollektivum.
Ein Reich von Begriffen soll die persönliche Immoral vergessen
machen und den moralischen Quietismus entschuldigen. Seine
Philosophie ist eine Flucht ins Abstraktum. Der Widerspruch,
den er an den Anfang seiner Philosophie setzt, hebt die Moral
auf, indem Gott und der Teufel gleiche Rechte geniessen. Der
Widerspruch, Hegels persönlichstes Problem, (ausgedrückt durch
These und Antithese) soll in der Synthese, im höheren Begriff
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[267/0275] ¹⁶⁵⁾ Moeller van den Bruck, „Wilhelm von Humboldt und die preussische Freiheit“. ¹⁶⁶⁾ Karl Rosenkranz, „Georg Friedrich Wilhelm Hegels Leben“, Duncker & Humblot, Berlin, 1844, S. 48. ¹⁶⁷⁾ Brief Hufnagels an Hegel, 4. Mai 1803 (Rosenkranz, S. 224) ¹⁶⁸⁾ Hier der Brief Hegels, der auch sonst interessant ist: „Jena, Montag, den 13. Oktober 1806, am Tage, da Jena von den Franzosen besetzt wurde und der Kaiser Napoleon in seinen Mauern eintraf: Den Kaiser, diese Weltseele, sah ich durch die Stadt zum Recognoszieren hinausreiten. Es ist in der Tat eine wunderbare Empfindung, ein solches Individuum zu sehen, das hier auf einen Punkt concentriert, auf einem Pferde sitzend, über die Welt übergreift und sie beherrscht. Wie ich schon früher tat, wünschen nun Alle der Franzosen Armee Glück, was ihr bei dem ganz ungeheuren Unterschied ihrer An- führer und des gemeinen Soldaten von ihren Feinden (den Preussen!) auch gar nicht fehlen kann. So wird unsere Gegend von dem Schwall bald befreiet werden“. — Ein seltsamer Patriot, wird man sagen! Und doch behauptet sein Herausgeber, dass er „das Höchste“ gab, was „deutscher Idealismus überhaupt geschaffen hat“. (Siehe Liz. Dr. K. P. Hasse, Vorwort zu „Hegels Philosophie“, Deutsche Bibliothek, Berlin 1917.) ¹⁶⁹⁾ Rosenkranz, S. 159. Die beiden ersten Sätze seiner Habilitationsschrift lauteten: I. „Contradictio est regula veri, non contradictio falsi“, II. „Syllogismus est principium Idealismi“. ¹⁷⁰⁾ Ebendort, S. 236. ¹⁷¹⁾ S. 239. ¹⁷²⁾ S. 411. Die Einheit des Göttlichen und Menschlichen — da hat man die ganze Blasphemie des Protestantismus. Die Ein- heit des Göttlichen und Menschlichen, repräsentiert vom preus- sischen Soldatenkönig, da hat man den doktrinären Satanismus, dessen die lutheranische Theologie sich schuldig machte. ¹⁷³⁾ Von der privaten Moralität ist nirgends bei Hegel die Rede. Ueberall nur von den Tugenden der Stände, des Staates, der Gesamtheit. Sein Aberglaube ist der Begriff, das Kollektivum. Ein Reich von Begriffen soll die persönliche Immoral vergessen machen und den moralischen Quietismus entschuldigen. Seine Philosophie ist eine Flucht ins Abstraktum. Der Widerspruch, den er an den Anfang seiner Philosophie setzt, hebt die Moral auf, indem Gott und der Teufel gleiche Rechte geniessen. Der Widerspruch, Hegels persönlichstes Problem, (ausgedrückt durch These und Antithese) soll in der Synthese, im höheren Begriff

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/275>, abgerufen am 23.07.2024.