Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

Bild:
<< vorherige Seite
Güte und himmlische Wollust füllt ihn, alles nach denselben ewigen
physikalischen Gesetzen! Ein wahrer Influxus, den unser Selbst-
gefühl beweist. Einzig wahre Philosophie und Physik allen Gebetes."
151) G. A. Borgese, "L'Italie contre l'Allemagne", p. 145.
152) "Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch-
land", S. 36.
153) Ebendort, S. 118: "Es ist keine Frage, dass er Kant
und Fichte weit überragt. Es ist scharf wie jener und kräftig wie
dieser, und hat dabei noch einen konstituierenden Seelenfrieden (!),
eine Gedankenharmonie (!), die wir bei Kant und Fichte nicht
finden, da in diesen mehr der revolutionäre Geist (!) waltet. Hegel
war ein Mann von Charakter."
154) In der Vorrede zur 2. Auflage, "Paris, im Wonnemond
1852" schreibt er: "Ich bekenne unumwunden, dass alles, was
in diesem Buche namentlich auf die grosse Gottesfrage Bezug
hat, ebenso falsch wie unbesonnen ist. Ebenso unbesonnen wie
falsch ist die Behauptung, die ich der Schule nachsprach, dass
der Deismus in der Theorie zugrunde gerichtet sei und sich
nur noch in der Erscheinungswelt kümmerlich hinfriste. Nein,
es ist nicht wahr, dass die Vernunftkritik, welche die Beweis-
tümer für das Dasein Gottes, wie wir dieselben seit Anselm von
Canterbury kennen, zernichtet hat, auch dem Dasein Gottes selbst
ein Ende gemacht habe. Der Deismus lebt, lebt sein lebendigstes
Leben, er ist nicht tot, und am allerwenigsten hat ihn die neueste
deutsche Philosophie getötet. Diese spinnwebige Berliner Dialektik
kann keinen Hund aus dem Ofenloch locken, sie kann keine Katze
töten, wie viel weniger einen Gott".
155) "Freilich die geistigen Interessen", betont er ("Geschichte
der Religion und Philosophie", S. 34), "müssen immer mit den
materiellen Interessen eine Allianz schliessen, um zu siegen". Das sind
allerdings keine Romantiker, das sind Positivisten aller Wege.
Das sind die Herren Heine, Marx, Lassalle, Rathenau: Adoptiv-
protestanten aus materialistischer Wahlverwandtschaft.
156) Siehe Wladimir Solovjew, "Ausgewählte Werke", Bd. III,
"Vorlesungen über das Gottmenschentum", Eugen Diederichs, Jena.
Vergl. auch Th. G. Masaryk, "Russland und Europa", Bd. I,
S. 250, wo der Nachweis geführt wird, dass nicht nur die grossen
russischen Orthodoxen (Samarin, Chomjakow und Kirejevskij)
von Baader beeinflusst waren, sondern auch der Begründer der
Heiligen Allianz, Alexander I. Da der erste Entwurf der Heiligen
Allianz von Baader herrührt, kann man wohl sagen, dass er es
war, der den atheistischen Positivisten Napoleon stürzte.
Güte und himmlische Wollust füllt ihn, alles nach denselben ewigen
physikalischen Gesetzen! Ein wahrer Influxus, den unser Selbst-
gefühl beweist. Einzig wahre Philosophie und Physik allen Gebetes.“
151) G. A. Borgese, „L'Italie contre l'Allemagne“, p. 145.
152) „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch-
land“, S. 36.
153) Ebendort, S. 118: „Es ist keine Frage, dass er Kant
und Fichte weit überragt. Es ist scharf wie jener und kräftig wie
dieser, und hat dabei noch einen konstituierenden Seelenfrieden (!),
eine Gedankenharmonie (!), die wir bei Kant und Fichte nicht
finden, da in diesen mehr der revolutionäre Geist (!) waltet. Hegel
war ein Mann von Charakter.“
154) In der Vorrede zur 2. Auflage, „Paris, im Wonnemond
1852“ schreibt er: „Ich bekenne unumwunden, dass alles, was
in diesem Buche namentlich auf die grosse Gottesfrage Bezug
hat, ebenso falsch wie unbesonnen ist. Ebenso unbesonnen wie
falsch ist die Behauptung, die ich der Schule nachsprach, dass
der Deismus in der Theorie zugrunde gerichtet sei und sich
nur noch in der Erscheinungswelt kümmerlich hinfriste. Nein,
es ist nicht wahr, dass die Vernunftkritik, welche die Beweis-
tümer für das Dasein Gottes, wie wir dieselben seit Anselm von
Canterbury kennen, zernichtet hat, auch dem Dasein Gottes selbst
ein Ende gemacht habe. Der Deismus lebt, lebt sein lebendigstes
Leben, er ist nicht tot, und am allerwenigsten hat ihn die neueste
deutsche Philosophie getötet. Diese spinnwebige Berliner Dialektik
kann keinen Hund aus dem Ofenloch locken, sie kann keine Katze
töten, wie viel weniger einen Gott“.
155) „Freilich die geistigen Interessen“, betont er („Geschichte
der Religion und Philosophie“, S. 34), „müssen immer mit den
materiellen Interessen eine Allianz schliessen, um zu siegen“. Das sind
allerdings keine Romantiker, das sind Positivisten aller Wege.
Das sind die Herren Heine, Marx, Lassalle, Rathenau: Adoptiv-
protestanten aus materialistischer Wahlverwandtschaft.
156) Siehe Wladimir Solovjew, „Ausgewählte Werke“, Bd. III,
„Vorlesungen über das Gottmenschentum“, Eugen Diederichs, Jena.
Vergl. auch Th. G. Masaryk, „Russland und Europa“, Bd. I,
S. 250, wo der Nachweis geführt wird, dass nicht nur die grossen
russischen Orthodoxen (Samarin, Chomjakow und Kirejevskij)
von Baader beeinflusst waren, sondern auch der Begründer der
Heiligen Allianz, Alexander I. Da der erste Entwurf der Heiligen
Allianz von Baader herrührt, kann man wohl sagen, dass er es
war, der den atheistischen Positivisten Napoleon stürzte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note xml:id="id150b150b" prev="id150b" place="end" n="150)"><pb facs="#f0272" n="264"/>
Güte und himmlische Wollust füllt ihn, alles nach denselben ewigen<lb/>
physikalischen Gesetzen! Ein wahrer Influxus, den unser Selbst-<lb/>
gefühl beweist. Einzig wahre Philosophie und Physik allen Gebetes.&#x201C;</note><lb/>
            <note xml:id="id151b151b" prev="id151b" place="end" n="151)"> G. A. Borgese, &#x201E;L'Italie contre l'Allemagne&#x201C;, p. 145.</note><lb/>
            <note xml:id="id152b152b" prev="id152b" place="end" n="152)"> &#x201E;Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch-<lb/>
land&#x201C;, S. 36.</note><lb/>
            <note xml:id="id153b153b" prev="id153b" place="end" n="153)"> Ebendort, S. 118: &#x201E;Es ist keine Frage, dass er Kant<lb/>
und Fichte weit überragt. Es ist scharf wie jener und kräftig wie<lb/>
dieser, und hat dabei noch einen konstituierenden Seelenfrieden (!),<lb/>
eine Gedankenharmonie (!), die wir bei Kant und Fichte nicht<lb/>
finden, da in diesen mehr der revolutionäre Geist (!) waltet. Hegel<lb/>
war ein Mann von Charakter.&#x201C;</note><lb/>
            <note xml:id="id154b154b" prev="id154b" place="end" n="154)"> In der Vorrede zur 2. Auflage, &#x201E;Paris, im Wonnemond<lb/>
1852&#x201C; schreibt er: &#x201E;Ich bekenne unumwunden, dass alles, was<lb/>
in diesem Buche namentlich auf die grosse Gottesfrage Bezug<lb/>
hat, ebenso falsch wie unbesonnen ist. Ebenso unbesonnen wie<lb/>
falsch ist die Behauptung, die ich der Schule nachsprach, dass<lb/>
der Deismus in der Theorie zugrunde gerichtet sei und sich<lb/>
nur noch in der Erscheinungswelt kümmerlich hinfriste. Nein,<lb/>
es ist nicht wahr, dass die Vernunftkritik, welche die Beweis-<lb/>
tümer für das Dasein Gottes, wie wir dieselben seit Anselm von<lb/>
Canterbury kennen, zernichtet hat, auch dem Dasein Gottes selbst<lb/>
ein Ende gemacht habe. Der Deismus lebt, lebt sein lebendigstes<lb/>
Leben, er ist nicht tot, und am allerwenigsten hat ihn die neueste<lb/>
deutsche Philosophie getötet. Diese spinnwebige Berliner Dialektik<lb/>
kann keinen Hund aus dem Ofenloch locken, sie kann keine Katze<lb/>
töten, wie viel weniger einen Gott&#x201C;.</note><lb/>
            <note xml:id="id155b155b" prev="id155b" place="end" n="155)"> &#x201E;Freilich die geistigen Interessen&#x201C;, betont er (&#x201E;Geschichte<lb/>
der Religion und Philosophie&#x201C;, S. 34), &#x201E;müssen immer mit den<lb/>
materiellen Interessen eine Allianz schliessen, um zu siegen&#x201C;. Das sind<lb/>
allerdings keine Romantiker, das sind Positivisten aller Wege.<lb/>
Das sind die Herren Heine, Marx, Lassalle, Rathenau: Adoptiv-<lb/>
protestanten aus materialistischer Wahlverwandtschaft.</note><lb/>
            <note xml:id="id156b156b" prev="id156b" place="end" n="156)"> Siehe Wladimir Solovjew, &#x201E;Ausgewählte Werke&#x201C;, Bd. III,<lb/>
&#x201E;Vorlesungen über das Gottmenschentum&#x201C;, Eugen Diederichs, Jena.<lb/>
Vergl. auch Th. G. Masaryk, &#x201E;Russland und Europa&#x201C;, Bd. I,<lb/>
S. 250, wo der Nachweis geführt wird, dass nicht nur die grossen<lb/>
russischen Orthodoxen (Samarin, Chomjakow und Kirejevskij)<lb/>
von Baader beeinflusst waren, sondern auch der Begründer der<lb/>
Heiligen Allianz, Alexander I. Da der erste Entwurf der Heiligen<lb/>
Allianz von Baader herrührt, kann man wohl sagen, dass er es<lb/>
war, der den atheistischen Positivisten Napoleon stürzte.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0272] ¹⁵⁰⁾ Güte und himmlische Wollust füllt ihn, alles nach denselben ewigen physikalischen Gesetzen! Ein wahrer Influxus, den unser Selbst- gefühl beweist. Einzig wahre Philosophie und Physik allen Gebetes.“ ¹⁵¹⁾ G. A. Borgese, „L'Italie contre l'Allemagne“, p. 145. ¹⁵²⁾ „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch- land“, S. 36. ¹⁵³⁾ Ebendort, S. 118: „Es ist keine Frage, dass er Kant und Fichte weit überragt. Es ist scharf wie jener und kräftig wie dieser, und hat dabei noch einen konstituierenden Seelenfrieden (!), eine Gedankenharmonie (!), die wir bei Kant und Fichte nicht finden, da in diesen mehr der revolutionäre Geist (!) waltet. Hegel war ein Mann von Charakter.“ ¹⁵⁴⁾ In der Vorrede zur 2. Auflage, „Paris, im Wonnemond 1852“ schreibt er: „Ich bekenne unumwunden, dass alles, was in diesem Buche namentlich auf die grosse Gottesfrage Bezug hat, ebenso falsch wie unbesonnen ist. Ebenso unbesonnen wie falsch ist die Behauptung, die ich der Schule nachsprach, dass der Deismus in der Theorie zugrunde gerichtet sei und sich nur noch in der Erscheinungswelt kümmerlich hinfriste. Nein, es ist nicht wahr, dass die Vernunftkritik, welche die Beweis- tümer für das Dasein Gottes, wie wir dieselben seit Anselm von Canterbury kennen, zernichtet hat, auch dem Dasein Gottes selbst ein Ende gemacht habe. Der Deismus lebt, lebt sein lebendigstes Leben, er ist nicht tot, und am allerwenigsten hat ihn die neueste deutsche Philosophie getötet. Diese spinnwebige Berliner Dialektik kann keinen Hund aus dem Ofenloch locken, sie kann keine Katze töten, wie viel weniger einen Gott“. ¹⁵⁵⁾ „Freilich die geistigen Interessen“, betont er („Geschichte der Religion und Philosophie“, S. 34), „müssen immer mit den materiellen Interessen eine Allianz schliessen, um zu siegen“. Das sind allerdings keine Romantiker, das sind Positivisten aller Wege. Das sind die Herren Heine, Marx, Lassalle, Rathenau: Adoptiv- protestanten aus materialistischer Wahlverwandtschaft. ¹⁵⁶⁾ Siehe Wladimir Solovjew, „Ausgewählte Werke“, Bd. III, „Vorlesungen über das Gottmenschentum“, Eugen Diederichs, Jena. Vergl. auch Th. G. Masaryk, „Russland und Europa“, Bd. I, S. 250, wo der Nachweis geführt wird, dass nicht nur die grossen russischen Orthodoxen (Samarin, Chomjakow und Kirejevskij) von Baader beeinflusst waren, sondern auch der Begründer der Heiligen Allianz, Alexander I. Da der erste Entwurf der Heiligen Allianz von Baader herrührt, kann man wohl sagen, dass er es war, der den atheistischen Positivisten Napoleon stürzte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-02-17T09:20:45Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-02-17T09:20:45Z)

Weitere Informationen:

  • Nach den Richtlinien des Deutschen Textarchivs (DTA) transkribiert und ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/272
Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/272>, abgerufen am 21.11.2024.