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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Höhe des übrigen Europa sah und bei einer General-
gleichmacherei alles zu gewinnen, nichts aber zu verlieren
hatte 57). Das Desinteressement aber am nationalen moralischen
Wettstreit, der Anationalismus des Juden, ist doppelt schlimm
für uns Deutsche, die wir der nationalen und menschlichen
Emanzipation nie allzuviel Kräfte gewidmet haben 58).

Die grosse christliche Bewegung, die auf das Auftreten
Napoleons folgte, verkannte Marx völlig. Er zerlegte haar-
scharf die materielle Situation des Fabrikarbeiters, aber er
verweigerte ihm ein seelisches Residuum und die Kraft,
sich gegen die Entwertung seiner Persönlichkeit im autori-
tären Staat zu behaupten. Zum Vorteil des Staates und
Unternehmertums zerstörte er mit vollem Bewusstsein den
Freiheitsgedanken. Indem er nur Quantum und Masse be-
dachte, führte er denselben nihilistischen, auflösenden Geist
in das Proletariat ein, der die Finanz beherrschte, revoltierte
er zwar die Wissenschaften, nicht aber die Personen. Seine
unduldsame Haltung gegen allen Individualismus, der in
der Arbeiterbewegung sich geltend machte, musste not-
wendig den Enthusiasmus verwirren und furchtbar werden,
wenn der Einzelne erst begann, seine menschliche Mission
über der Interessenpolitik zu vergessen.

Es hat an Warnungen vor dieser "Philosophie" diktatur-
lüsterner Notdurft nicht gefehlt. Um so mehr, da sie nicht
nur auf den moralischen, sondern auch auf den politischen
Idealismus verzichtete. Im Frühjahr 1868, zur selben Zeit,
da Marxens "Kapital" erschien und die "Internationale" ihre
ersten Kongresse abhielt, schrieb Michael Bakunin in einem
Briefe an Chassins "Democratie europeenne" in Paris:
"Ich bedaure gleich Ihnen die Verblendung jener hoffen
wir an Zahl nicht allzu beträchtlichen Arbeiterpartei in
Europa, die sich einbildet, dass sie ihren materiellen Inter-
essen desto besser dient, je mehr sie sich in den politischen
Fragen ihres Landes jeder Intervention enthält, und die
glaubt, sie werde ökonomische Gleichheit und Gerechtig-

Höhe des übrigen Europa sah und bei einer General-
gleichmacherei alles zu gewinnen, nichts aber zu verlieren
hatte 57). Das Desinteressement aber am nationalen moralischen
Wettstreit, der Anationalismus des Juden, ist doppelt schlimm
für uns Deutsche, die wir der nationalen und menschlichen
Emanzipation nie allzuviel Kräfte gewidmet haben 58).

Die grosse christliche Bewegung, die auf das Auftreten
Napoleons folgte, verkannte Marx völlig. Er zerlegte haar-
scharf die materielle Situation des Fabrikarbeiters, aber er
verweigerte ihm ein seelisches Residuum und die Kraft,
sich gegen die Entwertung seiner Persönlichkeit im autori-
tären Staat zu behaupten. Zum Vorteil des Staates und
Unternehmertums zerstörte er mit vollem Bewusstsein den
Freiheitsgedanken. Indem er nur Quantum und Masse be-
dachte, führte er denselben nihilistischen, auflösenden Geist
in das Proletariat ein, der die Finanz beherrschte, revoltierte
er zwar die Wissenschaften, nicht aber die Personen. Seine
unduldsame Haltung gegen allen Individualismus, der in
der Arbeiterbewegung sich geltend machte, musste not-
wendig den Enthusiasmus verwirren und furchtbar werden,
wenn der Einzelne erst begann, seine menschliche Mission
über der Interessenpolitik zu vergessen.

Es hat an Warnungen vor dieser „Philosophie“ diktatur-
lüsterner Notdurft nicht gefehlt. Um so mehr, da sie nicht
nur auf den moralischen, sondern auch auf den politischen
Idealismus verzichtete. Im Frühjahr 1868, zur selben Zeit,
da Marxens „Kapital“ erschien und die „Internationale“ ihre
ersten Kongresse abhielt, schrieb Michael Bakunin in einem
Briefe an Chassins „Démocratie européenne“ in Paris:
„Ich bedaure gleich Ihnen die Verblendung jener hoffen
wir an Zahl nicht allzu beträchtlichen Arbeiterpartei in
Europa, die sich einbildet, dass sie ihren materiellen Inter-
essen desto besser dient, je mehr sie sich in den politischen
Fragen ihres Landes jeder Intervention enthält, und die
glaubt, sie werde ökonomische Gleichheit und Gerechtig-

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[192/0200] Höhe des übrigen Europa sah und bei einer General- gleichmacherei alles zu gewinnen, nichts aber zu verlieren hatte ⁵⁷⁾ . Das Desinteressement aber am nationalen moralischen Wettstreit, der Anationalismus des Juden, ist doppelt schlimm für uns Deutsche, die wir der nationalen und menschlichen Emanzipation nie allzuviel Kräfte gewidmet haben ⁵⁸⁾ . Die grosse christliche Bewegung, die auf das Auftreten Napoleons folgte, verkannte Marx völlig. Er zerlegte haar- scharf die materielle Situation des Fabrikarbeiters, aber er verweigerte ihm ein seelisches Residuum und die Kraft, sich gegen die Entwertung seiner Persönlichkeit im autori- tären Staat zu behaupten. Zum Vorteil des Staates und Unternehmertums zerstörte er mit vollem Bewusstsein den Freiheitsgedanken. Indem er nur Quantum und Masse be- dachte, führte er denselben nihilistischen, auflösenden Geist in das Proletariat ein, der die Finanz beherrschte, revoltierte er zwar die Wissenschaften, nicht aber die Personen. Seine unduldsame Haltung gegen allen Individualismus, der in der Arbeiterbewegung sich geltend machte, musste not- wendig den Enthusiasmus verwirren und furchtbar werden, wenn der Einzelne erst begann, seine menschliche Mission über der Interessenpolitik zu vergessen. Es hat an Warnungen vor dieser „Philosophie“ diktatur- lüsterner Notdurft nicht gefehlt. Um so mehr, da sie nicht nur auf den moralischen, sondern auch auf den politischen Idealismus verzichtete. Im Frühjahr 1868, zur selben Zeit, da Marxens „Kapital“ erschien und die „Internationale“ ihre ersten Kongresse abhielt, schrieb Michael Bakunin in einem Briefe an Chassins „Démocratie européenne“ in Paris: „Ich bedaure gleich Ihnen die Verblendung jener hoffen wir an Zahl nicht allzu beträchtlichen Arbeiterpartei in Europa, die sich einbildet, dass sie ihren materiellen Inter- essen desto besser dient, je mehr sie sich in den politischen Fragen ihres Landes jeder Intervention enthält, und die glaubt, sie werde ökonomische Gleichheit und Gerechtig-

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/200>, abgerufen am 21.11.2024.