Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.Erinnerst dich, wie wir einmal -- hier in diesem Zim- mer, und (mit einem leisen Lächeln) es war ganz feier- lich -- wie wir einander versprachen, uns immer alles zu sagen, was es auch sein würde? Luz (ohne ihn anzusehen; leise, fast feindselig). Wünsch dir's nicht, du wirst es bereuen! -- (Sehr heftig.) Du kennst mich ja noch gar nicht! Ich habe mich auch nicht gekannt. -- (Plötzlich aufschreiend, indem sie rasch aufspringt und rasch nach rechts geht, wie vor ihm fliehend.) Quäl mich doch nicht! Ich kann nicht, ich kann nicht! (Sinkt erschöpft in den ersten Lehnstuhl rechts, den rechten Arm aufstützend, ihr Gesicht mit der Hand bedeckend; nach einer langen Pause; leise, weich.) Ich hab mich ja so nach dir gesehnt! Nur erst wieder bei dir sein und es dir sagen können, dann wär sicher alles wieder gut! -- Deshalb fuhr ich dir auch entgegen. Ich wollte zu dir in den Zug, um's dir auf der Fahrt zu sagen. Da wäre das alles dann dort draußen in der fremden Ge- gend, weit hinter uns, liegen geblieben, wir aber wären heimgefahren und hier in unserem lieben Haus -- Fidelis (ihren Satz vollendend, mit einem leisen Lächeln). Da wär dann gar nichts mehr davon übrig gewesen. Das war sehr lieb gedacht von dir. (Setzt sich auf die Sitzbank links.) Luz (weiter erzählend). Ich trieb den Chauffeur nur immer noch schneller und noch schneller, ich sah nichts, ich wußte nichts, ich spürte nichts mehr als nur meinen Schleier im Wind, das war so gut! Aber dann die Stunde in der kleinen Station -- ich kam zu früh, diese gräßliche Stunde, auf dem Perron hin und her, Erinnerſt dich, wie wir einmal — hier in dieſem Zim- mer, und (mit einem leiſen Laͤcheln) es war ganz feier- lich — wie wir einander verſprachen, uns immer alles zu ſagen, was es auch ſein würde? Luz (ohne ihn anzuſehen; leiſe, faſt feindſelig). Wünſch dir's nicht, du wirſt es bereuen! — (Sehr heftig.) Du kennſt mich ja noch gar nicht! Ich habe mich auch nicht gekannt. — (Ploͤtzlich aufſchreiend, indem ſie raſch aufſpringt und raſch nach rechts geht, wie vor ihm fliehend.) Quäl mich doch nicht! Ich kann nicht, ich kann nicht! (Sinkt erſchoͤpft in den erſten Lehnſtuhl rechts, den rechten Arm aufſtuͤtzend, ihr Geſicht mit der Hand bedeckend; nach einer langen Pauſe; leiſe, weich.) Ich hab mich ja ſo nach dir geſehnt! Nur erſt wieder bei dir ſein und es dir ſagen können, dann wär ſicher alles wieder gut! — Deshalb fuhr ich dir auch entgegen. Ich wollte zu dir in den Zug, um's dir auf der Fahrt zu ſagen. Da wäre das alles dann dort draußen in der fremden Ge- gend, weit hinter uns, liegen geblieben, wir aber wären heimgefahren und hier in unſerem lieben Haus — Fidelis (ihren Satz vollendend, mit einem leiſen Laͤcheln). Da wär dann gar nichts mehr davon übrig geweſen. Das war ſehr lieb gedacht von dir. (Setzt ſich auf die Sitzbank links.) Luz (weiter erzaͤhlend). Ich trieb den Chauffeur nur immer noch ſchneller und noch ſchneller, ich ſah nichts, ich wußte nichts, ich ſpürte nichts mehr als nur meinen Schleier im Wind, das war ſo gut! Aber dann die Stunde in der kleinen Station — ich kam zu früh, dieſe gräßliche Stunde, auf dem Perron hin und her, <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#FID"> <pb facs="#f0047" n="44"/> <p>Erinnerſt dich, wie wir einmal — hier in dieſem Zim-<lb/> mer, und <stage>(mit einem leiſen Laͤcheln)</stage> es war ganz feier-<lb/> lich — wie wir einander verſprachen, uns immer alles<lb/> zu ſagen, was es auch ſein würde?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUZ"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Luz</hi> </hi> </speaker> <stage>(ohne ihn anzuſehen; leiſe, faſt feindſelig).</stage> <p>Wünſch<lb/> dir's nicht, du wirſt es bereuen! — <stage>(Sehr heftig.)</stage> Du<lb/> kennſt mich ja noch gar nicht! 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zu ſagen, was es auch ſein würde?
Luz (ohne ihn anzuſehen; leiſe, faſt feindſelig). Wünſch
dir's nicht, du wirſt es bereuen! — (Sehr heftig.) Du
kennſt mich ja noch gar nicht! Ich habe mich auch nicht
gekannt. — (Ploͤtzlich aufſchreiend, indem ſie raſch aufſpringt
und raſch nach rechts geht, wie vor ihm fliehend.) Quäl
mich doch nicht! Ich kann nicht, ich kann nicht! (Sinkt
erſchoͤpft in den erſten Lehnſtuhl rechts, den rechten Arm
aufſtuͤtzend, ihr Geſicht mit der Hand bedeckend; nach einer
langen Pauſe; leiſe, weich.) Ich hab mich ja ſo nach
dir geſehnt! Nur erſt wieder bei dir ſein und es dir
ſagen können, dann wär ſicher alles wieder gut! —
Deshalb fuhr ich dir auch entgegen. Ich wollte zu dir
in den Zug, um's dir auf der Fahrt zu ſagen. Da
wäre das alles dann dort draußen in der fremden Ge-
gend, weit hinter uns, liegen geblieben, wir aber wären
heimgefahren und hier in unſerem lieben Haus —
Fidelis (ihren Satz vollendend, mit einem leiſen Laͤcheln).
Da wär dann gar nichts mehr davon übrig geweſen.
Das war ſehr lieb gedacht von dir. (Setzt ſich auf die
Sitzbank links.)
Luz (weiter erzaͤhlend). Ich trieb den Chauffeur nur
immer noch ſchneller und noch ſchneller, ich ſah nichts,
ich wußte nichts, ich ſpürte nichts mehr als nur meinen
Schleier im Wind, das war ſo gut! Aber dann die
Stunde in der kleinen Station — ich kam zu früh,
dieſe gräßliche Stunde, auf dem Perron hin und her,
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