Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
war ein halbes Kind, als wir heirateten. Immer gut be- wacht. Haben Sie sich meine Schwiegermutter nicht an- gesehen? Wir lebten die drei Jahre ganz für uns. Sie sind der erste Mann, der mit ihr nicht bloß übers Wetter und über Zeppelin gesprochen hat. Tragisch wurde das nun noch dadurch, daß Sie ja -- Sie sind doch, was man einen ernsten Menschen zu nennen pflegt. Das war ihr nun ganz neu. Damit kann ich ja nicht aufwarten. Auch wissen Sie alles ganz genau, über Gott und die Welt und wie das alles mit uns eigentlich ist, ich aber weiß darüber leider gar nichts. (Ganz ernst, ohne Spott.) Ich kann mir's schon denken, daß das ein starker Eindruck für Luz war, ein Erlebnis. (Wieder ärgerlich schimpfend.) Und nun, nach unserer hundsdummen Erziehung: wenn eine Frau was erlebt, was kann das sein, was darf und kann innerlich denn in einer Frau vorgehen als die berühmte Liebe?! Kuno (zögernd, nicht sehr überzeugt, aber froh, einen Aus- weg für Fidelis zu sehen). Gott gebe, daß es so ist! Fidelis (mit Humor; trocken). Sie müßten sich bemühen, mich noch mehr zu überzeugen. Kuno (leicht verlegen). Ich wünsche wahrhaftig nichts sehnlicher für uns alle, denn dann wäre ja nun alles in Ordnung! Fidelis (rasch aufstehend, die Stirne runzelnd, plötzlich sehr ernst; mit harter Stimme, langsam). Nein. In Ordnung --? (Kopfschüttelnd.) Sie irren. In Ordnung ist damit noch gar nichts. Kuno (aufstehend; verwundert). Da Sie doch annehmen, daß --?
war ein halbes Kind, als wir heirateten. Immer gut be- wacht. Haben Sie ſich meine Schwiegermutter nicht an- geſehen? Wir lebten die drei Jahre ganz für uns. Sie ſind der erſte Mann, der mit ihr nicht bloß übers Wetter und über Zeppelin geſprochen hat. Tragiſch wurde das nun noch dadurch, daß Sie ja — Sie ſind doch, was man einen ernſten Menſchen zu nennen pflegt. Das war ihr nun ganz neu. Damit kann ich ja nicht aufwarten. Auch wiſſen Sie alles ganz genau, über Gott und die Welt und wie das alles mit uns eigentlich iſt, ich aber weiß darüber leider gar nichts. (Ganz ernſt, ohne Spott.) Ich kann mir's ſchon denken, daß das ein ſtarker Eindruck für Luz war, ein Erlebnis. (Wieder aͤrgerlich ſchimpfend.) Und nun, nach unſerer hundsdummen Erziehung: wenn eine Frau was erlebt, was kann das ſein, was darf und kann innerlich denn in einer Frau vorgehen als die berühmte Liebe?! Kuno (zoͤgernd, nicht ſehr uͤberzeugt, aber froh, einen Aus- weg fuͤr Fidelis zu ſehen). Gott gebe, daß es ſo iſt! Fidelis (mit Humor; trocken). Sie müßten ſich bemühen, mich noch mehr zu überzeugen. Kuno (leicht verlegen). Ich wünſche wahrhaftig nichts ſehnlicher für uns alle, denn dann wäre ja nun alles in Ordnung! Fidelis (raſch aufſtehend, die Stirne runzelnd, ploͤtzlich ſehr ernſt; mit harter Stimme, langſam). Nein. In Ordnung —? (Kopfſchuͤttelnd.) Sie irren. In Ordnung iſt damit noch gar nichts. Kuno (aufſtehend; verwundert). Da Sie doch annehmen, daß —? <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#FID"> <p><pb facs="#f0104" n="98"/> war ein halbes Kind, als wir heirateten. Immer gut be-<lb/> wacht. Haben Sie ſich meine Schwiegermutter nicht an-<lb/> geſehen? Wir lebten die drei Jahre ganz für uns. Sie<lb/> ſind der erſte Mann, der mit ihr nicht bloß übers Wetter<lb/> und über Zeppelin geſprochen hat. Tragiſch wurde das<lb/> nun noch dadurch, daß Sie ja — Sie ſind doch, was<lb/> man einen ernſten Menſchen zu nennen pflegt. Das war<lb/> ihr nun ganz neu. Damit kann ich ja nicht aufwarten.<lb/> Auch wiſſen Sie alles ganz genau, über Gott und die Welt<lb/> und wie das alles mit uns eigentlich iſt, ich aber weiß<lb/> darüber leider gar nichts. <stage>(Ganz ernſt, ohne Spott.)</stage> Ich<lb/> kann mir's ſchon denken, daß das ein ſtarker Eindruck für<lb/> Luz war, ein Erlebnis. <stage>(Wieder aͤrgerlich ſchimpfend.)</stage> Und<lb/> nun, nach unſerer hundsdummen Erziehung: wenn eine<lb/> Frau was erlebt, was kann das ſein, was darf und kann<lb/> innerlich denn in einer Frau vorgehen als die berühmte<lb/> Liebe?!</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno</hi> </hi> </speaker> <stage>(zoͤgernd, nicht ſehr uͤberzeugt, aber froh, einen Aus-<lb/> weg fuͤr Fidelis zu ſehen).</stage> <p>Gott gebe, daß es ſo iſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(mit Humor; trocken).</stage> <p>Sie müßten ſich bemühen,<lb/> mich noch mehr zu überzeugen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno</hi> </hi> </speaker> <stage>(leicht verlegen).</stage> <p>Ich wünſche wahrhaftig nichts<lb/> ſehnlicher für uns alle, denn dann wäre ja nun alles in<lb/> Ordnung!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(raſch aufſtehend, die Stirne runzelnd, ploͤtzlich ſehr<lb/> ernſt; mit harter Stimme, langſam).</stage> <p>Nein. In Ordnung —?<lb/><stage>(Kopfſchuͤttelnd.)</stage> Sie irren. In Ordnung iſt damit noch<lb/> gar nichts.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno</hi> </hi> </speaker> <stage>(aufſtehend; verwundert).</stage> <p>Da Sie doch annehmen,<lb/> daß —?</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [98/0104]
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wacht. Haben Sie ſich meine Schwiegermutter nicht an-
geſehen? Wir lebten die drei Jahre ganz für uns. Sie
ſind der erſte Mann, der mit ihr nicht bloß übers Wetter
und über Zeppelin geſprochen hat. Tragiſch wurde das
nun noch dadurch, daß Sie ja — Sie ſind doch, was
man einen ernſten Menſchen zu nennen pflegt. Das war
ihr nun ganz neu. Damit kann ich ja nicht aufwarten.
Auch wiſſen Sie alles ganz genau, über Gott und die Welt
und wie das alles mit uns eigentlich iſt, ich aber weiß
darüber leider gar nichts. (Ganz ernſt, ohne Spott.) Ich
kann mir's ſchon denken, daß das ein ſtarker Eindruck für
Luz war, ein Erlebnis. (Wieder aͤrgerlich ſchimpfend.) Und
nun, nach unſerer hundsdummen Erziehung: wenn eine
Frau was erlebt, was kann das ſein, was darf und kann
innerlich denn in einer Frau vorgehen als die berühmte
Liebe?!
Kuno (zoͤgernd, nicht ſehr uͤberzeugt, aber froh, einen Aus-
weg fuͤr Fidelis zu ſehen). Gott gebe, daß es ſo iſt!
Fidelis (mit Humor; trocken). Sie müßten ſich bemühen,
mich noch mehr zu überzeugen.
Kuno (leicht verlegen). Ich wünſche wahrhaftig nichts
ſehnlicher für uns alle, denn dann wäre ja nun alles in
Ordnung!
Fidelis (raſch aufſtehend, die Stirne runzelnd, ploͤtzlich ſehr
ernſt; mit harter Stimme, langſam). Nein. In Ordnung —?
(Kopfſchuͤttelnd.) Sie irren. In Ordnung iſt damit noch
gar nichts.
Kuno (aufſtehend; verwundert). Da Sie doch annehmen,
daß —?
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