Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

und seine Längenaxe macht einen rechten Winkel mit der Längenaxe des Eies.
In diesem werdenden Embryo zeigt sich bald die Längendimension noch mehr
vorherrschend, und das Erste was in ihm erkennbar wird, ist ein in der Axe
des Schildes sich erhebender Wulst, der Primitivstreifen (Nota primitiva) *).

m. Durch
einen Schluss
über und ei-
nen andern
unter der
Axe verwan-
deln sich die
Schichten in
Röhren.

Von diesem aus erheben sich zu beiden Seiten zwei andere Wülste, wobei
der Primitivstreifen selbst unkenntlich wird und in seiner Mitte eine sehr dünne
aus dunkeln Kügelchen bestehende Linie erscheint. Diese Linie, die Wirbel-
saite
(Chorda spinalis), ist die Mitte des Stammes und wird von einer heller
werdenden Peripherie umgeben. Die beiden seitlichen Wülste, die mehr nach
oben vorragen als die Mitte, sind die beiden Rückenhälften oder Rückenplatten
a. im Rük-
kentheile als
die Rücken-
platten,
(Laminae dorsales) **) im weitern Sinne. Sie enthalten nur die Hautschicht
und die Fleischschicht. Ihre oberen Kämme erheben sich, neigen sich von bei-
den Seiten gegen einander und verwachsen, den Rücken bildend. Nachdem der
Rücken sich geschlossen hat, oder frühestens während des Schlusses, löst sich der
eingeschlossene Theil der Hautschicht von der Fleischschicht ab, nimmt rasch an
Dicke zu und bildet so den Centraltheil des Nervensystems in Form einer etwas
zusammengedrückten Nervenröhre. Später sondert sich diese Nervenröhre wieder
in die scheidenförmig umgebenden Häute und zwei unten zusammenhängende
und Mark-
platten;
Markplatten. Der übrige Theil der Hautschicht wird die Haut des Rückentheils,
so wie aus der Fleischschicht die Rückenröhre der Fleischschicht sich bildet.

b. im Bauch-
theile als
Bauchplat-
ten,

Etwas später, als die Rückenhälften sich nach oben erheben, neigen sich
die breiteren Bauchhälften oder Bauchplatten (Laminae ventrales ***) im
weitern Sinne nach unten. Sie nehmen den ganzen Umfang des Embryo ein. Ihre
Senkung geht aber viel langsamer vor sich, und während derselben erfolgt die
schon früher (§. 5. l.) erwähnte Spaltung des gesammten Keimes in ein anima-
lisches und ein vegetatives Blatt. Die Spaltung geht vom Embryo aus und setzt
sich von ihm erst in die Keimhaut fort. Nur in der Gegend des Stammes trennen
sich beide Blätter nicht von einander, im übrigen Umfange des Embryo sind sie
aber sehr bald getrennt. Die Lücke zwischen beiden Blättern ist die Bauchhöhle
im weitesten Sinne, nämlich eine Höhle zwischen den animalischen und vegeta-
tiven Theilen -- eine Lücke, die ursprünglich fast so lang ist als das ganze

*) Ausführlicher im ersten Bande §. 1. f--i.
**) Primitivfalten, Plicae primariae nach Pander, Spiegelplatten bei Burdach. Malpighi
nennt sie mit dem Wirbelstamme zusammen Carina.
***) Fasciae abdominales bei Wolff, welcher glaubte, dass sie nicht über den Hinterleib
hinaus gingen. Auch benennt Wolff nur die Bauchplatten im engern Sinne, oder den ani-
malischen Theil so. Visceralplatten bei Burdach.

und seine Längenaxe macht einen rechten Winkel mit der Längenaxe des Eies.
In diesem werdenden Embryo zeigt sich bald die Längendimension noch mehr
vorherrschend, und das Erste was in ihm erkennbar wird, ist ein in der Axe
des Schildes sich erhebender Wulst, der Primitivstreifen (Nota primitiva) *).

m. Durch
einen Schluſs
über und ei-
nen andern
unter der
Axe verwan-
deln sich die
Schichten in
Röhren.

Von diesem aus erheben sich zu beiden Seiten zwei andere Wülste, wobei
der Primitivstreifen selbst unkenntlich wird und in seiner Mitte eine sehr dünne
aus dunkeln Kügelchen bestehende Linie erscheint. Diese Linie, die Wirbel-
saite
(Chorda spinalis), ist die Mitte des Stammes und wird von einer heller
werdenden Peripherie umgeben. Die beiden seitlichen Wülste, die mehr nach
oben vorragen als die Mitte, sind die beiden Rückenhälften oder Rückenplatten
α. im Rük-
kentheile als
die Rücken-
platten,
(Laminae dorsales) **) im weitern Sinne. Sie enthalten nur die Hautschicht
und die Fleischschicht. Ihre oberen Kämme erheben sich, neigen sich von bei-
den Seiten gegen einander und verwachsen, den Rücken bildend. Nachdem der
Rücken sich geschlossen hat, oder frühestens während des Schlusses, löst sich der
eingeschlossene Theil der Hautschicht von der Fleischschicht ab, nimmt rasch an
Dicke zu und bildet so den Centraltheil des Nervensystems in Form einer etwas
zusammengedrückten Nervenröhre. Später sondert sich diese Nervenröhre wieder
in die scheidenförmig umgebenden Häute und zwei unten zusammenhängende
und Mark-
platten;
Markplatten. Der übrige Theil der Hautschicht wird die Haut des Rückentheils,
so wie aus der Fleischschicht die Rückenröhre der Fleischschicht sich bildet.

β. im Bauch-
theile als
Bauchplat-
ten,

Etwas später, als die Rückenhälften sich nach oben erheben, neigen sich
die breiteren Bauchhälften oder Bauchplatten (Laminae ventrales ***) im
weitern Sinne nach unten. Sie nehmen den ganzen Umfang des Embryo ein. Ihre
Senkung geht aber viel langsamer vor sich, und während derselben erfolgt die
schon früher (§. 5. l.) erwähnte Spaltung des gesammten Keimes in ein anima-
lisches und ein vegetatives Blatt. Die Spaltung geht vom Embryo aus und setzt
sich von ihm erst in die Keimhaut fort. Nur in der Gegend des Stammes trennen
sich beide Blätter nicht von einander, im übrigen Umfange des Embryo sind sie
aber sehr bald getrennt. Die Lücke zwischen beiden Blättern ist die Bauchhöhle
im weitesten Sinne, nämlich eine Höhle zwischen den animalischen und vegeta-
tiven Theilen — eine Lücke, die ursprünglich fast so lang ist als das ganze

*) Ausführlicher im ersten Bande §. 1. f—i.
**) Primitivfalten, Plicae primariae nach Pander, Spiegelplatten bei Burdach. Malpighi
nennt sie mit dem Wirbelstamme zusammen Carina.
***) Fasciae abdominales bei Wolff, welcher glaubte, daſs sie nicht über den Hinterleib
hinaus gingen. Auch benennt Wolff nur die Bauchplatten im engern Sinne, oder den ani-
malischen Theil so. Visceralplatten bei Burdach.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="70"/>
und seine Längenaxe macht einen rechten Winkel mit der Längenaxe des Eies.<lb/>
In diesem werdenden Embryo zeigt sich bald die Längendimension noch mehr<lb/>
vorherrschend, und das Erste was in ihm erkennbar wird, ist ein in der Axe<lb/>
des Schildes sich erhebender Wulst, der <hi rendition="#i">Primitivstreifen</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Nota primitiva</hi></hi>) <note place="foot" n="*)">Ausführlicher im ersten Bande §. 1. <hi rendition="#i">f&#x2014;i.</hi></note>.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#i">m.</hi> Durch<lb/>
einen Schlu&#x017F;s<lb/>
über und ei-<lb/>
nen andern<lb/>
unter der<lb/>
Axe verwan-<lb/>
deln sich die<lb/>
Schichten in<lb/>
Röhren.</note>
          <p>Von diesem aus erheben sich zu beiden Seiten zwei andere Wülste, wobei<lb/>
der Primitivstreifen selbst unkenntlich wird und in seiner Mitte eine sehr dünne<lb/>
aus dunkeln Kügelchen bestehende Linie erscheint. Diese Linie, die <hi rendition="#i">Wirbel-<lb/>
saite</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Chorda spinalis</hi></hi>), ist die Mitte des Stammes und wird von einer heller<lb/>
werdenden Peripherie umgeben. Die beiden seitlichen Wülste, die mehr nach<lb/>
oben vorragen als die Mitte, sind die beiden Rückenhälften oder <hi rendition="#i">Rückenplatten</hi><lb/><note place="left">&#x03B1;. im Rük-<lb/>
kentheile als<lb/>
die Rücken-<lb/>
platten,</note>(<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Laminae dorsales</hi></hi>) <note place="foot" n="**)">Primitivfalten, <hi rendition="#i">Plicae primariae</hi> nach <hi rendition="#g">Pander,</hi> Spiegelplatten bei <hi rendition="#g">Burdach. Malpighi</hi><lb/>
nennt sie mit dem Wirbelstamme zusammen <hi rendition="#i">Carina.</hi></note> im weitern Sinne. Sie enthalten nur die Hautschicht<lb/>
und die Fleischschicht. Ihre oberen Kämme erheben sich, neigen sich von bei-<lb/>
den Seiten gegen einander und verwachsen, den Rücken bildend. Nachdem der<lb/>
Rücken sich geschlossen hat, oder frühestens während des Schlusses, löst sich der<lb/>
eingeschlossene Theil der Hautschicht von der Fleischschicht ab, nimmt rasch an<lb/>
Dicke zu und bildet so den Centraltheil des Nervensystems in Form einer etwas<lb/>
zusammengedrückten Nervenröhre. Später sondert sich diese Nervenröhre wieder<lb/>
in die scheidenförmig umgebenden Häute und zwei unten zusammenhängende<lb/><note place="left">und Mark-<lb/>
platten;</note><hi rendition="#i">Markplatten.</hi> Der übrige Theil der Hautschicht wird die Haut des Rückentheils,<lb/>
so wie aus der Fleischschicht die Rückenröhre der Fleischschicht sich bildet.</p><lb/>
          <note place="left">&#x03B2;. im Bauch-<lb/>
theile als<lb/>
Bauchplat-<lb/>
ten,</note>
          <p>Etwas später, als die Rückenhälften sich nach oben erheben, neigen sich<lb/>
die breiteren Bauchhälften oder <hi rendition="#i">Bauchplatten</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Laminae ventrales</hi></hi> <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#i">Fasciae abdominales</hi> bei <hi rendition="#g">Wolff,</hi> welcher glaubte, da&#x017F;s sie nicht über den Hinterleib<lb/>
hinaus gingen. Auch benennt <hi rendition="#g">Wolff</hi> nur die Bauchplatten im engern Sinne, oder den ani-<lb/>
malischen Theil so. Visceralplatten bei <hi rendition="#g">Burdach</hi>.</note> im<lb/>
weitern Sinne nach unten. Sie nehmen den ganzen Umfang des Embryo ein. Ihre<lb/>
Senkung geht aber viel langsamer vor sich, und während derselben erfolgt die<lb/>
schon früher (§. 5. <hi rendition="#i">l.</hi>) erwähnte Spaltung des gesammten Keimes in ein anima-<lb/>
lisches und ein vegetatives Blatt. Die Spaltung geht vom Embryo aus und setzt<lb/>
sich von ihm erst in die Keimhaut fort. Nur in der Gegend des Stammes trennen<lb/>
sich beide Blätter nicht von einander, im übrigen Umfange des Embryo sind sie<lb/>
aber sehr bald getrennt. Die Lücke zwischen beiden Blättern ist die Bauchhöhle<lb/>
im weitesten Sinne, nämlich eine Höhle zwischen den animalischen und vegeta-<lb/>
tiven Theilen &#x2014; eine Lücke, die ursprünglich fast so lang ist als das ganze<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0080] und seine Längenaxe macht einen rechten Winkel mit der Längenaxe des Eies. In diesem werdenden Embryo zeigt sich bald die Längendimension noch mehr vorherrschend, und das Erste was in ihm erkennbar wird, ist ein in der Axe des Schildes sich erhebender Wulst, der Primitivstreifen (Nota primitiva) *). Von diesem aus erheben sich zu beiden Seiten zwei andere Wülste, wobei der Primitivstreifen selbst unkenntlich wird und in seiner Mitte eine sehr dünne aus dunkeln Kügelchen bestehende Linie erscheint. Diese Linie, die Wirbel- saite (Chorda spinalis), ist die Mitte des Stammes und wird von einer heller werdenden Peripherie umgeben. Die beiden seitlichen Wülste, die mehr nach oben vorragen als die Mitte, sind die beiden Rückenhälften oder Rückenplatten (Laminae dorsales) **) im weitern Sinne. Sie enthalten nur die Hautschicht und die Fleischschicht. Ihre oberen Kämme erheben sich, neigen sich von bei- den Seiten gegen einander und verwachsen, den Rücken bildend. Nachdem der Rücken sich geschlossen hat, oder frühestens während des Schlusses, löst sich der eingeschlossene Theil der Hautschicht von der Fleischschicht ab, nimmt rasch an Dicke zu und bildet so den Centraltheil des Nervensystems in Form einer etwas zusammengedrückten Nervenröhre. Später sondert sich diese Nervenröhre wieder in die scheidenförmig umgebenden Häute und zwei unten zusammenhängende Markplatten. Der übrige Theil der Hautschicht wird die Haut des Rückentheils, so wie aus der Fleischschicht die Rückenröhre der Fleischschicht sich bildet. α. im Rük- kentheile als die Rücken- platten, und Mark- platten; Etwas später, als die Rückenhälften sich nach oben erheben, neigen sich die breiteren Bauchhälften oder Bauchplatten (Laminae ventrales ***) im weitern Sinne nach unten. Sie nehmen den ganzen Umfang des Embryo ein. Ihre Senkung geht aber viel langsamer vor sich, und während derselben erfolgt die schon früher (§. 5. l.) erwähnte Spaltung des gesammten Keimes in ein anima- lisches und ein vegetatives Blatt. Die Spaltung geht vom Embryo aus und setzt sich von ihm erst in die Keimhaut fort. Nur in der Gegend des Stammes trennen sich beide Blätter nicht von einander, im übrigen Umfange des Embryo sind sie aber sehr bald getrennt. Die Lücke zwischen beiden Blättern ist die Bauchhöhle im weitesten Sinne, nämlich eine Höhle zwischen den animalischen und vegeta- tiven Theilen — eine Lücke, die ursprünglich fast so lang ist als das ganze *) Ausführlicher im ersten Bande §. 1. f—i. **) Primitivfalten, Plicae primariae nach Pander, Spiegelplatten bei Burdach. Malpighi nennt sie mit dem Wirbelstamme zusammen Carina. ***) Fasciae abdominales bei Wolff, welcher glaubte, daſs sie nicht über den Hinterleib hinaus gingen. Auch benennt Wolff nur die Bauchplatten im engern Sinne, oder den ani- malischen Theil so. Visceralplatten bei Burdach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/80
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/80>, abgerufen am 22.11.2024.