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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Diese Beobachtungen lehren theils die Abgeschlossenheit des Vogeleies von
der äussern Atmosphäre, vielleicht nur mit Ausnahme des Endes der Bebrütung;

denn
ist. Sie enthält nicht nur die genaue Angabe der eingeschlagenen Methode der Untersuchung
und die speciellen Beweise für die in der Isis mitgetheilten Resultate, die hier als indirecte
Beweise für den Abschluss des Eies gegen die Atmosphäre aufgeführt sind, sondern auch eine
Reihe directer Beobachtungen, vom Ausbilden der Küchlein in Eiern, die in abgeschlossener,
nicht erneuerter atmosphärischer Luft und in irrespirabeln Gasarten der Brütwärme ausge-
setzt waren. Die Resultate lassen sich kurz so zusammenfassen.
1) In abgeschlossener, nicht erneuerter atmosphärischer Luft gelang es sehr oft, die Küch-
lein bis zum 18ten oder 19ten Tage zu entwickeln.
2) In reinem Wasserstoffgas wurden 2 Kibitzeier und 3 Hühnereier bebrütet. Bei der Er-
öffnung fanden sich ein Hühnchen und ein Kibitz so weit entwickelt, dass der Dottersack
schon zum Theil in der Leibeshöhle aufgenommen war. Beide Vögelchen lebten und schie-
nen gesund. Die drei andern Eier waren nicht befruchtet und zeigten ausser der Verdünstung
gar keine Veränderung. Ein zweiter Versuch wurde mit 4 Hühnereiern gemacht. Am 22sten
Tage geöffnet, enthielten alle völlig ausgebildete Küchlein, deren Dottersack vollständig in den
Leib getreten war. Aber die Küchlein waren sämmtlich todt. Ein dritter Versuch mit 5 Hüh-
nereiern zeigte am 22sten Tage zwei Embryonen, die am 6ten, einen der am 8ten, und einen
vierten der am 11ten Tage abgestorben war; das 5te Ei hatte ein völlig reifes aber todtes
Hühnchen.
3) In kohlensaurem Gas wurden zuvörderst 10 Finkeneier bebrütet und nach 14 Tagen geöff-
net. Fünf Embryonen waren früher abgestorben, ein 6ter sehr weit entwickelt und vier fast
ganz reif, da der Dottersack zum Theil in den Leib aufgenommen war. Uebergehen wir
einen zweiten Versuch, der wegen des gewählten hygrometrischen Mittels nicht gelungen war,
so finden wir in einem dritten von mehreren Hühnereiern einige früher abgestorben, eins aber
so weit entwickelt, dass schon die Schaale angepickt zu seyn schien.
4) In möglichst reinem Stickgas wurden 3 Eier bebrütet. In zweien hatten die Embryonen
sich bis zum 19ten oder 20sten Tage entwickelt, im dritten Ei war der Embryo früher abge-
storhen. Selbst in Stickgas, das von nitrösem Gase nicht ganz rein schien, hatten Hühner-
eier bis zum 14ten Tage sich entwickelt.
Nur Physiker vom Fach werden die Vorsichtsmassregeln vollständig zu würdigen wissen,
welche Hr. Prof. Ermann angewendet hat, um jede Täuschung zu vermeiden, theils um die
Gasarten möglichst rein zu erhalten und mit ihnen ohne Vermischung mit atmosphärischer
Luft die Glocken zu füllen, in welchen die Eier bebrütet werden sollten, theils um ein luft-
dichtes, den Eiern durch die Ausdünstung nicht schadendes Mittel zum Verkitten zu erhal-
ten, vorzüglich aber um die Feuchtigkeit, die während der Bebrütung sich aus den Eiern
entwickelt, durch ein hygroscopisches Mittel zu entfernen, ohne die Glocke zu öffnen. Ich
konnte nur die Ausdauer, mit der alle diese Schwierigkeiten überwunden wurden, und die
Erfindungsgabe des Physikers bewundern, mit der die früheren Erfahrungen benntzt wur-
den, um die Versuche umzuändern. Wenige Gegenstände haben meine Aufmerksamkeit
so sehr gefesselt, als diese Untersuchungen. Von der einen Seite schien es mir unmöglich,
einen Einwand gegen sie zu finden, und wenn Ermann selbst in jenem Briefe an Oken
noch die Absicht erneuerter Bestätigung zu erkennen giebt, so lag diese wohl nur in dem
Wunsche, die Hühnchen auch wirklich auskriechen zu sehen. Von der andern Seite schie-
nen die Resultate mit allen bisherigen Erfahrungen in schreiendem Widerspruche zu stehen.
Ein thierisches Leben ohne Wechselwirkung mit der Luft! Ja eine sehr deutlich verschie-
dene Färbung in den Schlagadern und Blutadern vom Chorion des Vogels und doch keine
Athmung! Besonders musste dieser scheinbare Mangel an Athmung mir auffallend und an-
stössig seyn, da das bisherige Resultat meiner Untersuchungen über Entwickelungsgeschichte
mich

Diese Beobachtungen lehren theils die Abgeschlossenheit des Vogeleies von
der äuſsern Atmosphäre, vielleicht nur mit Ausnahme des Endes der Bebrütung;

denn
ist. Sie enthält nicht nur die genaue Angabe der eingeschlagenen Methode der Untersuchung
und die speciellen Beweise für die in der Isis mitgetheilten Resultate, die hier als indirecte
Beweise für den Abschluſs des Eies gegen die Atmosphäre aufgeführt sind, sondern auch eine
Reihe directer Beobachtungen, vom Ausbilden der Küchlein in Eiern, die in abgeschlossener,
nicht erneuerter atmosphärischer Luft und in irrespirabeln Gasarten der Brütwärme ausge-
setzt waren. Die Resultate lassen sich kurz so zusammenfassen.
1) In abgeschlossener, nicht erneuerter atmosphärischer Luft gelang es sehr oft, die Küch-
lein bis zum 18ten oder 19ten Tage zu entwickeln.
2) In reinem Wasserstoffgas wurden 2 Kibitzeier und 3 Hühnereier bebrütet. Bei der Er-
öffnung fanden sich ein Hühnchen und ein Kibitz so weit entwickelt, daſs der Dottersack
schon zum Theil in der Leibeshöhle aufgenommen war. Beide Vögelchen lebten und schie-
nen gesund. Die drei andern Eier waren nicht befruchtet und zeigten auſser der Verdünstung
gar keine Veränderung. Ein zweiter Versuch wurde mit 4 Hühnereiern gemacht. Am 22sten
Tage geöffnet, enthielten alle völlig ausgebildete Küchlein, deren Dottersack vollständig in den
Leib getreten war. Aber die Küchlein waren sämmtlich todt. Ein dritter Versuch mit 5 Hüh-
nereiern zeigte am 22sten Tage zwei Embryonen, die am 6ten, einen der am 8ten, und einen
vierten der am 11ten Tage abgestorben war; das 5te Ei hatte ein völlig reifes aber todtes
Hühnchen.
3) In kohlensaurem Gas wurden zuvörderst 10 Finkeneier bebrütet und nach 14 Tagen geöff-
net. Fünf Embryonen waren früher abgestorben, ein 6ter sehr weit entwickelt und vier fast
ganz reif, da der Dottersack zum Theil in den Leib aufgenommen war. Uebergehen wir
einen zweiten Versuch, der wegen des gewählten hygrometrischen Mittels nicht gelungen war,
so finden wir in einem dritten von mehreren Hühnereiern einige früher abgestorben, eins aber
so weit entwickelt, daſs schon die Schaale angepickt zu seyn schien.
4) In möglichst reinem Stickgas wurden 3 Eier bebrütet. In zweien hatten die Embryonen
sich bis zum 19ten oder 20sten Tage entwickelt, im dritten Ei war der Embryo früher abge-
storhen. Selbst in Stickgas, das von nitrösem Gase nicht ganz rein schien, hatten Hühner-
eier bis zum 14ten Tage sich entwickelt.
Nur Physiker vom Fach werden die Vorsichtsmaſsregeln vollständig zu würdigen wissen,
welche Hr. Prof. Ermann angewendet hat, um jede Täuschung zu vermeiden, theils um die
Gasarten möglichst rein zu erhalten und mit ihnen ohne Vermischung mit atmosphärischer
Luft die Glocken zu füllen, in welchen die Eier bebrütet werden sollten, theils um ein luft-
dichtes, den Eiern durch die Ausdünstung nicht schadendes Mittel zum Verkitten zu erhal-
ten, vorzüglich aber um die Feuchtigkeit, die während der Bebrütung sich aus den Eiern
entwickelt, durch ein hygroscopisches Mittel zu entfernen, ohne die Glocke zu öffnen. Ich
konnte nur die Ausdauer, mit der alle diese Schwierigkeiten überwunden wurden, und die
Erfindungsgabe des Physikers bewundern, mit der die früheren Erfahrungen benntzt wur-
den, um die Versuche umzuändern. Wenige Gegenstände haben meine Aufmerksamkeit
so sehr gefesselt, als diese Untersuchungen. Von der einen Seite schien es mir unmöglich,
einen Einwand gegen sie zu finden, und wenn Ermann selbst in jenem Briefe an Oken
noch die Absicht erneuerter Bestätigung zu erkennen giebt, so lag diese wohl nur in dem
Wunsche, die Hühnchen auch wirklich auskriechen zu sehen. Von der andern Seite schie-
nen die Resultate mit allen bisherigen Erfahrungen in schreiendem Widerspruche zu stehen.
Ein thierisches Leben ohne Wechselwirkung mit der Luft! Ja eine sehr deutlich verschie-
dene Färbung in den Schlagadern und Blutadern vom Chorion des Vogels und doch keine
Athmung! Besonders muſste dieser scheinbare Mangel an Athmung mir auffallend und an-
stöſsig seyn, da das bisherige Resultat meiner Untersuchungen über Entwickelungsgeschichte
mich
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[40/0050] Diese Beobachtungen lehren theils die Abgeschlossenheit des Vogeleies von der äuſsern Atmosphäre, vielleicht nur mit Ausnahme des Endes der Bebrütung; denn *) *) ist. Sie enthält nicht nur die genaue Angabe der eingeschlagenen Methode der Untersuchung und die speciellen Beweise für die in der Isis mitgetheilten Resultate, die hier als indirecte Beweise für den Abschluſs des Eies gegen die Atmosphäre aufgeführt sind, sondern auch eine Reihe directer Beobachtungen, vom Ausbilden der Küchlein in Eiern, die in abgeschlossener, nicht erneuerter atmosphärischer Luft und in irrespirabeln Gasarten der Brütwärme ausge- setzt waren. Die Resultate lassen sich kurz so zusammenfassen. 1) In abgeschlossener, nicht erneuerter atmosphärischer Luft gelang es sehr oft, die Küch- lein bis zum 18ten oder 19ten Tage zu entwickeln. 2) In reinem Wasserstoffgas wurden 2 Kibitzeier und 3 Hühnereier bebrütet. Bei der Er- öffnung fanden sich ein Hühnchen und ein Kibitz so weit entwickelt, daſs der Dottersack schon zum Theil in der Leibeshöhle aufgenommen war. Beide Vögelchen lebten und schie- nen gesund. Die drei andern Eier waren nicht befruchtet und zeigten auſser der Verdünstung gar keine Veränderung. Ein zweiter Versuch wurde mit 4 Hühnereiern gemacht. Am 22sten Tage geöffnet, enthielten alle völlig ausgebildete Küchlein, deren Dottersack vollständig in den Leib getreten war. Aber die Küchlein waren sämmtlich todt. Ein dritter Versuch mit 5 Hüh- nereiern zeigte am 22sten Tage zwei Embryonen, die am 6ten, einen der am 8ten, und einen vierten der am 11ten Tage abgestorben war; das 5te Ei hatte ein völlig reifes aber todtes Hühnchen. 3) In kohlensaurem Gas wurden zuvörderst 10 Finkeneier bebrütet und nach 14 Tagen geöff- net. Fünf Embryonen waren früher abgestorben, ein 6ter sehr weit entwickelt und vier fast ganz reif, da der Dottersack zum Theil in den Leib aufgenommen war. Uebergehen wir einen zweiten Versuch, der wegen des gewählten hygrometrischen Mittels nicht gelungen war, so finden wir in einem dritten von mehreren Hühnereiern einige früher abgestorben, eins aber so weit entwickelt, daſs schon die Schaale angepickt zu seyn schien. 4) In möglichst reinem Stickgas wurden 3 Eier bebrütet. In zweien hatten die Embryonen sich bis zum 19ten oder 20sten Tage entwickelt, im dritten Ei war der Embryo früher abge- storhen. Selbst in Stickgas, das von nitrösem Gase nicht ganz rein schien, hatten Hühner- eier bis zum 14ten Tage sich entwickelt. Nur Physiker vom Fach werden die Vorsichtsmaſsregeln vollständig zu würdigen wissen, welche Hr. Prof. Ermann angewendet hat, um jede Täuschung zu vermeiden, theils um die Gasarten möglichst rein zu erhalten und mit ihnen ohne Vermischung mit atmosphärischer Luft die Glocken zu füllen, in welchen die Eier bebrütet werden sollten, theils um ein luft- dichtes, den Eiern durch die Ausdünstung nicht schadendes Mittel zum Verkitten zu erhal- ten, vorzüglich aber um die Feuchtigkeit, die während der Bebrütung sich aus den Eiern entwickelt, durch ein hygroscopisches Mittel zu entfernen, ohne die Glocke zu öffnen. Ich konnte nur die Ausdauer, mit der alle diese Schwierigkeiten überwunden wurden, und die Erfindungsgabe des Physikers bewundern, mit der die früheren Erfahrungen benntzt wur- den, um die Versuche umzuändern. Wenige Gegenstände haben meine Aufmerksamkeit so sehr gefesselt, als diese Untersuchungen. Von der einen Seite schien es mir unmöglich, einen Einwand gegen sie zu finden, und wenn Ermann selbst in jenem Briefe an Oken noch die Absicht erneuerter Bestätigung zu erkennen giebt, so lag diese wohl nur in dem Wunsche, die Hühnchen auch wirklich auskriechen zu sehen. Von der andern Seite schie- nen die Resultate mit allen bisherigen Erfahrungen in schreiendem Widerspruche zu stehen. Ein thierisches Leben ohne Wechselwirkung mit der Luft! Ja eine sehr deutlich verschie- dene Färbung in den Schlagadern und Blutadern vom Chorion des Vogels und doch keine Athmung! Besonders muſste dieser scheinbare Mangel an Athmung mir auffallend und an- stöſsig seyn, da das bisherige Resultat meiner Untersuchungen über Entwickelungsgeschichte mich

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/50>, abgerufen am 22.11.2024.