muss also noch nicht genug aufgeschwollen gewesen seyn, um sich bemerklich zu machen. Dagegen glaubten Home und Bauer im Fruchthälter eines Mäd- chens*) 7 Tage nach der Empfängniss ein Ei gefunden zu haben, das zu vielen Streitfragen Veranlassung gegeben hat. Zuerst hat man und besonders in Deutsch- land zu viel Gewicht darauf gelegt und jetzt vielleicht zu wenig. So verwirft Vel- peau diese Erfahrung als eine ohne allen Werth. Es ist auch nicht zu leugnen, dass die gesammte Beobachtung mit grosser Oberflächlichkeit gemacht ist. Aber grade die auffallende Form, die nach Home dieses Ei gehabt haben soll, und die besonders Zweifel erregt hat, scheint mir für die Richtigkeit derselben ein ge- wisses Gewicht zu geben. Das Ei fanden nämlich die genannten Herren länglich, über eine Linie messend, der Länge nach aufgeschlitzt, nämlich so, dass man zwei gegen einander gerollte Lappen auseinander legen konnte und innerhalb dieser Lappen einen zweiten geschlossenen dünnwandigen Sack. Vorausgesetzt nun, dass dieses Körperchen ein Ei war, so muss man doch zugeben, dass es bei der Manipulation verletzt worden war; denn ein offenes Ei möchte wohl in keiner Thierform vorkommen, und eine solche Verletzung konnte durch das Instrument, mit dem das Ei aus seiner Lagerstätte gehoben wurde, nur zu leicht bewirkt wer- den. Dass nun Eier, bei denen animalisches und vegetatives Blatt eben in der Trennung begriffen sind, im Primitivstreifen aber an einander haften, wenn sie verletzt werden, leicht eine solche Form annehmen, wie Home sie abbildet, habe ich besonders an Eiern von Hunden gesehen. Dazu kommt noch, dass Bauer den Inhalt der innern Blase gelb und von der Consistenz des Honigs fand -- was auf Dottermasse deutet **), aber schwer zu erklären ist, wenn man an eine zufäl- lige Concretion von Eiweiss oder Gallert denkt. Bemerkenswerth ist noch, dass Home und Bauer von Dottermasse keine Ahnung hatten, sondern zwei Organe in dem innern Sacke erkannt zu haben glaubten, also durch vorgefasste Meinungen sich wohl nicht bei Beschreibung des Inhaltes leiten liessen. Doch bin ich auch weit davon entfernt, die Richtigkeit der Beobachtung verfechten zu wollen. Zu- vörderst wurde dieses sogenannte Ei nicht zwischen dem Fruchthälter und seinem Ueberzuge, sondern innerhalb der Höhle des letztern in der Nähe des Muttermun- des gefunden, eine Stelle, welche ein frühzeitiges Ei wenigstens nur als seltene Ausnahme annehmen wird, dann ist allerdings bei der Verletzung des äussern oder animalischen Blattes, wenn sie an der dem Embryo entgegengesetzten Stelle vor- kommt, auch eine Verletzung des innern oder vegetativen Blattes kaum zu vermei-
*) Lectures on comparative anatomy Vol. IV. Tab. 104.
**) Freilich hat der Dotter diese Consistenz gewöhnlich erst später.
muſs also noch nicht genug aufgeschwollen gewesen seyn, um sich bemerklich zu machen. Dagegen glaubten Home und Bauer im Fruchthälter eines Mäd- chens*) 7 Tage nach der Empfängniſs ein Ei gefunden zu haben, das zu vielen Streitfragen Veranlassung gegeben hat. Zuerst hat man und besonders in Deutsch- land zu viel Gewicht darauf gelegt und jetzt vielleicht zu wenig. So verwirft Vel- peau diese Erfahrung als eine ohne allen Werth. Es ist auch nicht zu leugnen, daſs die gesammte Beobachtung mit groſser Oberflächlichkeit gemacht ist. Aber grade die auffallende Form, die nach Home dieses Ei gehabt haben soll, und die besonders Zweifel erregt hat, scheint mir für die Richtigkeit derselben ein ge- wisses Gewicht zu geben. Das Ei fanden nämlich die genannten Herren länglich, über eine Linie messend, der Länge nach aufgeschlitzt, nämlich so, daſs man zwei gegen einander gerollte Lappen auseinander legen konnte und innerhalb dieser Lappen einen zweiten geschlossenen dünnwandigen Sack. Vorausgesetzt nun, daſs dieses Körperchen ein Ei war, so muſs man doch zugeben, daſs es bei der Manipulation verletzt worden war; denn ein offenes Ei möchte wohl in keiner Thierform vorkommen, und eine solche Verletzung konnte durch das Instrument, mit dem das Ei aus seiner Lagerstätte gehoben wurde, nur zu leicht bewirkt wer- den. Daſs nun Eier, bei denen animalisches und vegetatives Blatt eben in der Trennung begriffen sind, im Primitivstreifen aber an einander haften, wenn sie verletzt werden, leicht eine solche Form annehmen, wie Home sie abbildet, habe ich besonders an Eiern von Hunden gesehen. Dazu kommt noch, daſs Bauer den Inhalt der innern Blase gelb und von der Consistenz des Honigs fand — was auf Dottermasse deutet **), aber schwer zu erklären ist, wenn man an eine zufäl- lige Concretion von Eiweiſs oder Gallert denkt. Bemerkenswerth ist noch, daſs Home und Bauer von Dottermasse keine Ahnung hatten, sondern zwei Organe in dem innern Sacke erkannt zu haben glaubten, also durch vorgefaſste Meinungen sich wohl nicht bei Beschreibung des Inhaltes leiten lieſsen. Doch bin ich auch weit davon entfernt, die Richtigkeit der Beobachtung verfechten zu wollen. Zu- vörderst wurde dieses sogenannte Ei nicht zwischen dem Fruchthälter und seinem Ueberzuge, sondern innerhalb der Höhle des letztern in der Nähe des Muttermun- des gefunden, eine Stelle, welche ein frühzeitiges Ei wenigstens nur als seltene Ausnahme annehmen wird, dann ist allerdings bei der Verletzung des äuſsern oder animalischen Blattes, wenn sie an der dem Embryo entgegengesetzten Stelle vor- kommt, auch eine Verletzung des innern oder vegetativen Blattes kaum zu vermei-
*) Lectures on comparative anatomy Vol. IV. Tab. 104.
**) Freilich hat der Dotter diese Consistenz gewöhnlich erst später.
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muſs also noch nicht genug aufgeschwollen gewesen seyn, um sich bemerklich zu
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chens *) 7 Tage nach der Empfängniſs ein Ei gefunden zu haben, das zu vielen
Streitfragen Veranlassung gegeben hat. Zuerst hat man und besonders in Deutsch-
land zu viel Gewicht darauf gelegt und jetzt vielleicht zu wenig. So verwirft Vel-
peau diese Erfahrung als eine ohne allen Werth. Es ist auch nicht zu leugnen,
daſs die gesammte Beobachtung mit groſser Oberflächlichkeit gemacht ist. Aber
grade die auffallende Form, die nach Home dieses Ei gehabt haben soll, und
die besonders Zweifel erregt hat, scheint mir für die Richtigkeit derselben ein ge-
wisses Gewicht zu geben. Das Ei fanden nämlich die genannten Herren länglich,
über eine Linie messend, der Länge nach aufgeschlitzt, nämlich so, daſs man zwei
gegen einander gerollte Lappen auseinander legen konnte und innerhalb dieser
Lappen einen zweiten geschlossenen dünnwandigen Sack. Vorausgesetzt nun,
daſs dieses Körperchen ein Ei war, so muſs man doch zugeben, daſs es bei der
Manipulation verletzt worden war; denn ein offenes Ei möchte wohl in keiner
Thierform vorkommen, und eine solche Verletzung konnte durch das Instrument,
mit dem das Ei aus seiner Lagerstätte gehoben wurde, nur zu leicht bewirkt wer-
den. Daſs nun Eier, bei denen animalisches und vegetatives Blatt eben in der
Trennung begriffen sind, im Primitivstreifen aber an einander haften, wenn sie
verletzt werden, leicht eine solche Form annehmen, wie Home sie abbildet, habe
ich besonders an Eiern von Hunden gesehen. Dazu kommt noch, daſs Bauer
den Inhalt der innern Blase gelb und von der Consistenz des Honigs fand — was
auf Dottermasse deutet **), aber schwer zu erklären ist, wenn man an eine zufäl-
lige Concretion von Eiweiſs oder Gallert denkt. Bemerkenswerth ist noch, daſs
Home und Bauer von Dottermasse keine Ahnung hatten, sondern zwei Organe
in dem innern Sacke erkannt zu haben glaubten, also durch vorgefaſste Meinungen
sich wohl nicht bei Beschreibung des Inhaltes leiten lieſsen. Doch bin ich auch
weit davon entfernt, die Richtigkeit der Beobachtung verfechten zu wollen. Zu-
vörderst wurde dieses sogenannte Ei nicht zwischen dem Fruchthälter und seinem
Ueberzuge, sondern innerhalb der Höhle des letztern in der Nähe des Muttermun-
des gefunden, eine Stelle, welche ein frühzeitiges Ei wenigstens nur als seltene
Ausnahme annehmen wird, dann ist allerdings bei der Verletzung des äuſsern oder
animalischen Blattes, wenn sie an der dem Embryo entgegengesetzten Stelle vor-
kommt, auch eine Verletzung des innern oder vegetativen Blattes kaum zu vermei-
*) Lectures on comparative anatomy Vol. IV. Tab. 104.
**) Freilich hat der Dotter diese Consistenz gewöhnlich erst später.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/279>, abgerufen am 22.07.2024.
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