Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

er sich in dieser kurzen Zeit noch ansehnlich vergrössert hat. Die Verwachsung
erfolgt sehr rasch, aber doch nicht im ganzen Umfange zugleich. Ich bin so glück-Taf. V.
Fig. 3.

lich gewesen, die beginnende Verwachsung zu sehen, und zu bemerken, wie an
die Schicht von festem Eiweiss, welche an der innern Fläche der äussern Eihaut sich
gesammelt hat, die grössern Gefässstämme, welche auch von etwas Bildungsge-
gewebe oder Eiweiss umgeben waren, sich angeheftet hatten, während die zwi-
schenliegenden Regionen noch getrennt waren*). Das Eiweiss scheint eine beson-
dere Anziehung auf die Blutgefässe auszuüben, denn, kaum haben die Stämme
die Eiweissschicht erreicht, was im Durchschnitte auf den 23sten Tag fällt, so
liegt auch schon, ehe 24 Stunden vorüber sind, das ganze Gefässblatt des Harn-
sackes an der äussern Eihaut und seiner Eiweissschicht, welche auch die seröseTaf. V.
Fig. 4.

Hülle enthält. Die Gefässe wuchern nun in die äussere Haut hinein und bilden
sehr bald Netze in ihre Zotten, die zugleich rascher wachsen; denn die Zotten
sind, bevor sie von den Gefässen erreicht werden, äusserst niedrig**). Von nun
an bildet das Gefässblatt des Harnsackes mit der Eiweissschicht, der äussern Eihaut
und ihren Zotten ein untrennbares Ganze, das wir Chorion nennen, und welches
schon am Schlusse der vierten Woche als einfaches Blatt mit darunter liegender
Eiweissschicht erscheint, indem sowohl die seröse Hülle als das Gefässblatt des
Harnsackes, dessen Gefässe nach aussen drängen, ihre Selbstständigkeit verloren
haben.

Das Schleimhautblatt des Harnsackes sinkt nun nieder, nachdem das EiweissTaf. IV.
Fig. 22. 26.

und die äussere Eihaut das Gefässblatt gleichsam abgehoben haben, und wir sehen
eine eigentliche Allantois, die, wie unsere Fig. 26. Taf. IV. zeigt, in der Mitte nie-
driger, an den Seiten höher ist und nie wieder Blutgefässe erhält.

An den Enden des Eies geht es etwas anders her. Der Fruchthälter ist an
der Grenze des Eies verengt. Eine Folge davon ist, dass auch die äussere Haut
an den Enden eng wird. Der Harnsack kommt aber hier mit dickem, kolbigem
Ende an und drängt die äussere Eihaut immer weiter aus einander, bis diese nicht
mehr nachgeben kann. Der äusserste Zipfel von ihr bleibt als ein trichterförmiger
Anhang unausgefüllt, und da dieser Trichter auch seine Zottenfalten hat und ausTaf. V.
Fig. 4.

zwei Blättern besteht, so hat man noch jetzt in ihm den Beweis, dass die beiden
Blätter nicht nur, sondern die Entstehung der Zotten der äussern Eihaut eigen-
thümlich sind. Wir nennen diese Anhänge die Zipfel der äussern Eihaut. An
der Basis jedes trichterförmigen Anhanges, wo die abgerundete Spitze des Harn-

*) Taf. V. Fig. 3. Vergleiche die Erklärung.
**) Die angefüllten Netze in den Zottenreihen aus etwas späterer Zeit siehe Taf. V. Fig. 7.
I i 2

er sich in dieser kurzen Zeit noch ansehnlich vergröſsert hat. Die Verwachsung
erfolgt sehr rasch, aber doch nicht im ganzen Umfange zugleich. Ich bin so glück-Taf. V.
Fig. 3.

lich gewesen, die beginnende Verwachsung zu sehen, und zu bemerken, wie an
die Schicht von festem Eiweiſs, welche an der innern Fläche der äuſsern Eihaut sich
gesammelt hat, die gröſsern Gefäſsstämme, welche auch von etwas Bildungsge-
gewebe oder Eiweiſs umgeben waren, sich angeheftet hatten, während die zwi-
schenliegenden Regionen noch getrennt waren*). Das Eiweiſs scheint eine beson-
dere Anziehung auf die Blutgefäſse auszuüben, denn, kaum haben die Stämme
die Eiweiſsschicht erreicht, was im Durchschnitte auf den 23sten Tag fällt, so
liegt auch schon, ehe 24 Stunden vorüber sind, das ganze Gefäſsblatt des Harn-
sackes an der äuſsern Eihaut und seiner Eiweiſsschicht, welche auch die seröseTaf. V.
Fig. 4.

Hülle enthält. Die Gefäſse wuchern nun in die äuſsere Haut hinein und bilden
sehr bald Netze in ihre Zotten, die zugleich rascher wachsen; denn die Zotten
sind, bevor sie von den Gefäſsen erreicht werden, äuſserst niedrig**). Von nun
an bildet das Gefäſsblatt des Harnsackes mit der Eiweiſsschicht, der äuſsern Eihaut
und ihren Zotten ein untrennbares Ganze, das wir Chorion nennen, und welches
schon am Schlusse der vierten Woche als einfaches Blatt mit darunter liegender
Eiweiſsschicht erscheint, indem sowohl die seröse Hülle als das Gefäſsblatt des
Harnsackes, dessen Gefäſse nach auſsen drängen, ihre Selbstständigkeit verloren
haben.

Das Schleimhautblatt des Harnsackes sinkt nun nieder, nachdem das EiweiſsTaf. IV.
Fig. 22. 26.

und die äuſsere Eihaut das Gefäſsblatt gleichsam abgehoben haben, und wir sehen
eine eigentliche Allantois, die, wie unsere Fig. 26. Taf. IV. zeigt, in der Mitte nie-
driger, an den Seiten höher ist und nie wieder Blutgefäſse erhält.

An den Enden des Eies geht es etwas anders her. Der Fruchthälter ist an
der Grenze des Eies verengt. Eine Folge davon ist, daſs auch die äuſsere Haut
an den Enden eng wird. Der Harnsack kommt aber hier mit dickem, kolbigem
Ende an und drängt die äuſsere Eihaut immer weiter aus einander, bis diese nicht
mehr nachgeben kann. Der äuſserste Zipfel von ihr bleibt als ein trichterförmiger
Anhang unausgefüllt, und da dieser Trichter auch seine Zottenfalten hat und ausTaf. V.
Fig. 4.

zwei Blättern besteht, so hat man noch jetzt in ihm den Beweis, daſs die beiden
Blätter nicht nur, sondern die Entstehung der Zotten der äuſsern Eihaut eigen-
thümlich sind. Wir nennen diese Anhänge die Zipfel der äuſsern Eihaut. An
der Basis jedes trichterförmigen Anhanges, wo die abgerundete Spitze des Harn-

*) Taf. V. Fig. 3. Vergleiche die Erklärung.
**) Die angefüllten Netze in den Zottenreihen aus etwas späterer Zeit siehe Taf. V. Fig. 7.
I i 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0261" n="251"/>
er sich in dieser kurzen Zeit noch ansehnlich vergrö&#x017F;sert hat. Die Verwachsung<lb/>
erfolgt sehr rasch, aber doch nicht im ganzen Umfange zugleich. Ich bin so glück-<note place="right">Taf. V.<lb/>
Fig. 3.</note><lb/>
lich gewesen, die beginnende Verwachsung zu sehen, und zu bemerken, wie an<lb/>
die Schicht von festem Eiwei&#x017F;s, welche an der innern Fläche der äu&#x017F;sern Eihaut sich<lb/>
gesammelt hat, die grö&#x017F;sern Gefä&#x017F;sstämme, welche auch von etwas Bildungsge-<lb/>
gewebe oder Eiwei&#x017F;s umgeben waren, sich angeheftet hatten, während die zwi-<lb/>
schenliegenden Regionen noch getrennt waren<note place="foot" n="*)">Taf. V. Fig. 3. Vergleiche die Erklärung.</note>. Das Eiwei&#x017F;s scheint eine beson-<lb/>
dere Anziehung auf die Blutgefä&#x017F;se auszuüben, denn, kaum haben die Stämme<lb/>
die Eiwei&#x017F;sschicht erreicht, was im Durchschnitte auf den 23sten Tag fällt, so<lb/>
liegt auch schon, ehe 24 Stunden vorüber sind, das ganze Gefä&#x017F;sblatt des Harn-<lb/>
sackes an der äu&#x017F;sern Eihaut und seiner Eiwei&#x017F;sschicht, welche auch die seröse<note place="right">Taf. V.<lb/>
Fig. 4.</note><lb/>
Hülle enthält. Die Gefä&#x017F;se wuchern nun in die äu&#x017F;sere Haut hinein und bilden<lb/>
sehr bald Netze in ihre Zotten, die zugleich rascher wachsen; denn die Zotten<lb/>
sind, bevor sie von den Gefä&#x017F;sen erreicht werden, äu&#x017F;serst niedrig<note place="foot" n="**)">Die angefüllten Netze in den Zottenreihen aus etwas späterer Zeit siehe Taf. V. Fig. 7.</note>. Von nun<lb/>
an bildet das Gefä&#x017F;sblatt des Harnsackes mit der Eiwei&#x017F;sschicht, der äu&#x017F;sern Eihaut<lb/>
und ihren Zotten ein untrennbares Ganze, das wir <hi rendition="#i">Chorion</hi> nennen, und welches<lb/>
schon am Schlusse der vierten Woche als einfaches Blatt mit darunter liegender<lb/>
Eiwei&#x017F;sschicht erscheint, indem sowohl die seröse Hülle als das Gefä&#x017F;sblatt des<lb/>
Harnsackes, dessen Gefä&#x017F;se nach au&#x017F;sen drängen, ihre Selbstständigkeit verloren<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p>Das Schleimhautblatt des Harnsackes sinkt nun nieder, nachdem das Eiwei&#x017F;s<note place="right">Taf. IV.<lb/>
Fig. 22. 26.</note><lb/>
und die äu&#x017F;sere Eihaut das Gefä&#x017F;sblatt gleichsam abgehoben haben, und wir sehen<lb/>
eine eigentliche Allantois, die, wie unsere Fig. 26. Taf. IV. zeigt, in der Mitte nie-<lb/>
driger, an den Seiten höher ist und nie wieder Blutgefä&#x017F;se erhält.</p><lb/>
          <p>An den Enden des Eies geht es etwas anders her. Der Fruchthälter ist an<lb/>
der Grenze des Eies verengt. Eine Folge davon ist, da&#x017F;s auch die äu&#x017F;sere Haut<lb/>
an den Enden eng wird. Der Harnsack kommt aber hier mit dickem, kolbigem<lb/>
Ende an und drängt die äu&#x017F;sere Eihaut immer weiter aus einander, bis diese nicht<lb/>
mehr nachgeben kann. Der äu&#x017F;serste Zipfel von ihr bleibt als ein trichterförmiger<lb/>
Anhang unausgefüllt, und da dieser Trichter auch seine Zottenfalten hat und aus<note place="right">Taf. V.<lb/>
Fig. 4.</note><lb/>
zwei Blättern besteht, so hat man noch jetzt in ihm den Beweis, da&#x017F;s die beiden<lb/>
Blätter nicht nur, sondern die Entstehung der Zotten der äu&#x017F;sern Eihaut eigen-<lb/>
thümlich sind. Wir nennen diese Anhänge die <hi rendition="#i">Zipfel der äu&#x017F;sern Eihaut.</hi> An<lb/>
der Basis jedes trichterförmigen Anhanges, wo die abgerundete Spitze des Harn-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I i 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0261] er sich in dieser kurzen Zeit noch ansehnlich vergröſsert hat. Die Verwachsung erfolgt sehr rasch, aber doch nicht im ganzen Umfange zugleich. Ich bin so glück- lich gewesen, die beginnende Verwachsung zu sehen, und zu bemerken, wie an die Schicht von festem Eiweiſs, welche an der innern Fläche der äuſsern Eihaut sich gesammelt hat, die gröſsern Gefäſsstämme, welche auch von etwas Bildungsge- gewebe oder Eiweiſs umgeben waren, sich angeheftet hatten, während die zwi- schenliegenden Regionen noch getrennt waren *). Das Eiweiſs scheint eine beson- dere Anziehung auf die Blutgefäſse auszuüben, denn, kaum haben die Stämme die Eiweiſsschicht erreicht, was im Durchschnitte auf den 23sten Tag fällt, so liegt auch schon, ehe 24 Stunden vorüber sind, das ganze Gefäſsblatt des Harn- sackes an der äuſsern Eihaut und seiner Eiweiſsschicht, welche auch die seröse Hülle enthält. Die Gefäſse wuchern nun in die äuſsere Haut hinein und bilden sehr bald Netze in ihre Zotten, die zugleich rascher wachsen; denn die Zotten sind, bevor sie von den Gefäſsen erreicht werden, äuſserst niedrig **). Von nun an bildet das Gefäſsblatt des Harnsackes mit der Eiweiſsschicht, der äuſsern Eihaut und ihren Zotten ein untrennbares Ganze, das wir Chorion nennen, und welches schon am Schlusse der vierten Woche als einfaches Blatt mit darunter liegender Eiweiſsschicht erscheint, indem sowohl die seröse Hülle als das Gefäſsblatt des Harnsackes, dessen Gefäſse nach auſsen drängen, ihre Selbstständigkeit verloren haben. Taf. V. Fig. 3. Taf. V. Fig. 4. Das Schleimhautblatt des Harnsackes sinkt nun nieder, nachdem das Eiweiſs und die äuſsere Eihaut das Gefäſsblatt gleichsam abgehoben haben, und wir sehen eine eigentliche Allantois, die, wie unsere Fig. 26. Taf. IV. zeigt, in der Mitte nie- driger, an den Seiten höher ist und nie wieder Blutgefäſse erhält. Taf. IV. Fig. 22. 26. An den Enden des Eies geht es etwas anders her. Der Fruchthälter ist an der Grenze des Eies verengt. Eine Folge davon ist, daſs auch die äuſsere Haut an den Enden eng wird. Der Harnsack kommt aber hier mit dickem, kolbigem Ende an und drängt die äuſsere Eihaut immer weiter aus einander, bis diese nicht mehr nachgeben kann. Der äuſserste Zipfel von ihr bleibt als ein trichterförmiger Anhang unausgefüllt, und da dieser Trichter auch seine Zottenfalten hat und aus zwei Blättern besteht, so hat man noch jetzt in ihm den Beweis, daſs die beiden Blätter nicht nur, sondern die Entstehung der Zotten der äuſsern Eihaut eigen- thümlich sind. Wir nennen diese Anhänge die Zipfel der äuſsern Eihaut. An der Basis jedes trichterförmigen Anhanges, wo die abgerundete Spitze des Harn- Taf. V. Fig. 4. *) Taf. V. Fig. 3. Vergleiche die Erklärung. **) Die angefüllten Netze in den Zottenreihen aus etwas späterer Zeit siehe Taf. V. Fig. 7. I i 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/261
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/261>, abgerufen am 22.11.2024.