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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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obgleich eine Menge Säue dem Wunsche, diesen Zustand nochmals zu finden,
geopfert wurden, nicht zum Ziele gelangt bin, sondern sie entweder unter 5 Li-
nien Länge noch sackförmig, oder von der Länge von 10, 16, ja von 24 Zoll,
aber in ganz dünne, stark hin und her gekrümmte Fäden verwandelt gefunden
habe. Die Verläugerung geht so rasch, dass man in einer 12 Tage alten Frucht
das Ei eben so wohl als länglichen Sack von 4 bis 5 Linien, wie als Faden von
mehr als 20 Zollen finden kann.

Allerdings liegt der Grund hiervon zum Theil in der Ungleichheit der Zeit,
welche erfordert wird, um die Frucht auf einen bestimmten Grad der Entwicke-
lung zu führen, allein diese Ungleichheit ist im Schweine lange nicht so gross
als im Hunde, und meine vielen Versuche lassen mich glauben, dass 24 oder we-
nig mehr Stunden hinreichen, um ein Ei von 1/2 Zoll Länge in einen Faden von
mehr als 20 Zoll zu verwandeln.

Fig. 27.

Diese Verlängerung wird begreitlich, wenn man sie nicht für ein Wachsen,
sondern für ein Ausziehen ansieht. In der That habe ich die feste Ueberzeugung,
dass die Eier mechanisch ausgezogen werden, und dass die Selbstbildung (das
Wachsthum) nur in so fern beiträgt, als die Eier dadurch vor Zerreissung be-
wahrt werden und die Keimhaut nicht ganz in dem Maasse dünner wird, als sie
sich verlängert. Dennoch wird der Faden sehr dünn und die Haut, die ihn im-
mer noch zu einem Cylinder formt, sehr zart und so nachgiebig, dass beim Her-
ausnehmen desselben, wenn ein Theil zurückgehalten wird und man an einem
vorragenden Theile zieht, dieser leicht das Dreifache seiner Länge gewinnt. Das
oben gegebene Maass ist daher auch ein sehr unbestimmtes, indem es durchaus
unmöglich ist, so sehr ich auch für das Gegentheil bemüht war, alle Zerrung
zu vermeiden. Dass die Verlängerung auf einem mechanichen Auszerren beruht,
wird auch dadurch wahrscheinlich, dass die äussersten Enden fast ihre ursprüng-
liche Weite behalten, und daher beutelförmig aussehen. Auch die Mitte wird
nie so dünn als der übrige Faden. Diese Mitte beweist uns aber auch, wie
schnell die Verlängerung erfolgt, denn unterdessen vergrössert sich das Schild
nur sehr wenig.

Wodurch wird aber das Auszerren bedingt? Ohne Zweifel durch die
zahllosen und tief eingreifenden Falten im Fruchthälter der Sau. Diese Falten
greifen so tief ein, dass sehr häufig die Falten der einen Seite bis an die Wurzeln
der Falten der andern reichen. Es ist also natürlich, dass, wenn die Falten be-
wegt werden, wobei sie sich bald an den vordern, bald an den hintern Nachbar
mehr anlegen, die zwischen ihnen liegenden Enden des verlängerten sehr zarten
Eies, wenn sie Nachgiebigkeit genug haben (und daran fehlt es diesen durchaus

obgleich eine Menge Säue dem Wunsche, diesen Zustand nochmals zu finden,
geopfert wurden, nicht zum Ziele gelangt bin, sondern sie entweder unter 5 Li-
nien Länge noch sackförmig, oder von der Länge von 10, 16, ja von 24 Zoll,
aber in ganz dünne, stark hin und her gekrümmte Fäden verwandelt gefunden
habe. Die Verläugerung geht so rasch, daſs man in einer 12 Tage alten Frucht
das Ei eben so wohl als länglichen Sack von 4 bis 5 Linien, wie als Faden von
mehr als 20 Zollen finden kann.

Allerdings liegt der Grund hiervon zum Theil in der Ungleichheit der Zeit,
welche erfordert wird, um die Frucht auf einen bestimmten Grad der Entwicke-
lung zu führen, allein diese Ungleichheit ist im Schweine lange nicht so groſs
als im Hunde, und meine vielen Versuche lassen mich glauben, daſs 24 oder we-
nig mehr Stunden hinreichen, um ein Ei von ½ Zoll Länge in einen Faden von
mehr als 20 Zoll zu verwandeln.

Fig. 27.

Diese Verlängerung wird begreitlich, wenn man sie nicht für ein Wachsen,
sondern für ein Ausziehen ansieht. In der That habe ich die feste Ueberzeugung,
daſs die Eier mechanisch ausgezogen werden, und daſs die Selbstbildung (das
Wachsthum) nur in so fern beiträgt, als die Eier dadurch vor Zerreiſsung be-
wahrt werden und die Keimhaut nicht ganz in dem Maaſse dünner wird, als sie
sich verlängert. Dennoch wird der Faden sehr dünn und die Haut, die ihn im-
mer noch zu einem Cylinder formt, sehr zart und so nachgiebig, daſs beim Her-
ausnehmen desselben, wenn ein Theil zurückgehalten wird und man an einem
vorragenden Theile zieht, dieser leicht das Dreifache seiner Länge gewinnt. Das
oben gegebene Maaſs ist daher auch ein sehr unbestimmtes, indem es durchaus
unmöglich ist, so sehr ich auch für das Gegentheil bemüht war, alle Zerrung
zu vermeiden. Daſs die Verlängerung auf einem mechanichen Auszerren beruht,
wird auch dadurch wahrscheinlich, daſs die äuſsersten Enden fast ihre ursprüng-
liche Weite behalten, und daher beutelförmig aussehen. Auch die Mitte wird
nie so dünn als der übrige Faden. Diese Mitte beweist uns aber auch, wie
schnell die Verlängerung erfolgt, denn unterdessen vergröſsert sich das Schild
nur sehr wenig.

Wodurch wird aber das Auszerren bedingt? Ohne Zweifel durch die
zahllosen und tief eingreifenden Falten im Fruchthälter der Sau. Diese Falten
greifen so tief ein, daſs sehr häufig die Falten der einen Seite bis an die Wurzeln
der Falten der andern reichen. Es ist also natürlich, daſs, wenn die Falten be-
wegt werden, wobei sie sich bald an den vordern, bald an den hintern Nachbar
mehr anlegen, die zwischen ihnen liegenden Enden des verlängerten sehr zarten
Eies, wenn sie Nachgiebigkeit genug haben (und daran fehlt es diesen durchaus

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[244/0254] obgleich eine Menge Säue dem Wunsche, diesen Zustand nochmals zu finden, geopfert wurden, nicht zum Ziele gelangt bin, sondern sie entweder unter 5 Li- nien Länge noch sackförmig, oder von der Länge von 10, 16, ja von 24 Zoll, aber in ganz dünne, stark hin und her gekrümmte Fäden verwandelt gefunden habe. Die Verläugerung geht so rasch, daſs man in einer 12 Tage alten Frucht das Ei eben so wohl als länglichen Sack von 4 bis 5 Linien, wie als Faden von mehr als 20 Zollen finden kann. Allerdings liegt der Grund hiervon zum Theil in der Ungleichheit der Zeit, welche erfordert wird, um die Frucht auf einen bestimmten Grad der Entwicke- lung zu führen, allein diese Ungleichheit ist im Schweine lange nicht so groſs als im Hunde, und meine vielen Versuche lassen mich glauben, daſs 24 oder we- nig mehr Stunden hinreichen, um ein Ei von ½ Zoll Länge in einen Faden von mehr als 20 Zoll zu verwandeln. Diese Verlängerung wird begreitlich, wenn man sie nicht für ein Wachsen, sondern für ein Ausziehen ansieht. In der That habe ich die feste Ueberzeugung, daſs die Eier mechanisch ausgezogen werden, und daſs die Selbstbildung (das Wachsthum) nur in so fern beiträgt, als die Eier dadurch vor Zerreiſsung be- wahrt werden und die Keimhaut nicht ganz in dem Maaſse dünner wird, als sie sich verlängert. Dennoch wird der Faden sehr dünn und die Haut, die ihn im- mer noch zu einem Cylinder formt, sehr zart und so nachgiebig, daſs beim Her- ausnehmen desselben, wenn ein Theil zurückgehalten wird und man an einem vorragenden Theile zieht, dieser leicht das Dreifache seiner Länge gewinnt. Das oben gegebene Maaſs ist daher auch ein sehr unbestimmtes, indem es durchaus unmöglich ist, so sehr ich auch für das Gegentheil bemüht war, alle Zerrung zu vermeiden. Daſs die Verlängerung auf einem mechanichen Auszerren beruht, wird auch dadurch wahrscheinlich, daſs die äuſsersten Enden fast ihre ursprüng- liche Weite behalten, und daher beutelförmig aussehen. Auch die Mitte wird nie so dünn als der übrige Faden. Diese Mitte beweist uns aber auch, wie schnell die Verlängerung erfolgt, denn unterdessen vergröſsert sich das Schild nur sehr wenig. Wodurch wird aber das Auszerren bedingt? Ohne Zweifel durch die zahllosen und tief eingreifenden Falten im Fruchthälter der Sau. Diese Falten greifen so tief ein, daſs sehr häufig die Falten der einen Seite bis an die Wurzeln der Falten der andern reichen. Es ist also natürlich, daſs, wenn die Falten be- wegt werden, wobei sie sich bald an den vordern, bald an den hintern Nachbar mehr anlegen, die zwischen ihnen liegenden Enden des verlängerten sehr zarten Eies, wenn sie Nachgiebigkeit genug haben (und daran fehlt es diesen durchaus

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/254>, abgerufen am 22.11.2024.