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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Nach dem, was ich so eben vom Magen gesagt habe, können Sie leicht er-
rathen, welchen Ursprung das kleine Netz haben müsse. Wir werden ihn so-
gleich erkennen, wenn wir den Magen und die Leber in ihre ursprüngliche Stel-
lung bringen. Der Magen liegt mit der kleinen Curvatur nach der Mittellinie des
Bauches, und die Leber treibt hinter dem Magen aus dem Darme hervor. Indem
in der Ausstülpung, die zur Leber wird, die Gefässschicht zur Bildung des drüsi-
gen Gewebes ausserordentlich wuchert, hebt sie auch von der äussern Beklei-
dung des Magens Substanz ab, die bei immer fortgehender Erhebung der Leber
die Form einer Falte annimmt. Wenn nun die Leber nach rechts, der Magen
nach links wandert, so muss nothwendig diese Falte in die Verhältnisse kommen,
die wir am kleinen Netze finden.

Nachdem wir vom Baue des Eies und der Entwickelung des Embryo dermm. Bil-
dung des Na-
bels und des
Nabelstran-
ges.

Säugethiere gesprochen haben, wird es nicht überflüssig seyn, noch einen Blick
auf die Verbindung zwischen beiden zu werfen. Wir wissen, dass der Nabel-
strang der Frucht der Säugethiere eigenthümlich ist. Diese Eigenthümlichkeit
besteht aber nicht bloss in der Länge, sondern auch darin, dass die Nabelscheide
wie sie schon in den Vögeln vorkommt, sich mit Substanz anfüllt und dadurch
solide wird. Zuvörderst nämlich ist die Nabelbildung wie im Vogel, nur schien
es mir, dass der Fleischnabel mehr gegen den Hautnabel zurückbleibt. Das ist
wenigstens entschieden der Fall bei Thieren mit sehr grossen Primordial-Nieren,
die den Bauch gewaltig auftreiben. Eine Folge davon ist, dass statt der sehnigen
Mittellinie des Bauches (Linea alba) eine lange Spalte in den Bauchmuskeln
ist (vergl. Taf. IV. Fig. 26.), selbst zu einer Zeit wo schon eine ganz ansehnliche
Nabelscheide sich gebildet hat. In diesem Zustande ist die Nabelscheide eine
wahre Verlängerung des Bauches, und es liegt, wie im Vogel, ein Theil der wu-
chernden Därme in der Scheide, doch ragen die Darmwindungen niemals, wie
im Vogel einige Tage vor der Geburt, aus der Nabelscheide hervor, denn die
Scheide wird in den Säugethieren länger. Indem sich aber der Darm zurück-
zieht, füllt sich die Scheide mit Substanz aus und wird zum wahren Nabel-
strange.

Hiermit stimmt es überein, dass in keinem Säugethiere der Dottersack oder
das Nabelbläschen zuletzt in den Leib schlüpft, vielmehr entweder früh oder we-
nigstens bei der Geburt abstirbt. Es stirbt aber überhaupt bei der Geburt, und
wie es scheint, veranlasst durch den neuen Kreislauf durch die Lunge, der gesammte
Nabelstrang mit allen Eihäuten ab. Die Nabelscheide enthält durchaus dieselben
Theile wie der Vogel, die Nabelschnur weicht nur in so fern ab, als bei sehr

Nach dem, was ich so eben vom Magen gesagt habe, können Sie leicht er-
rathen, welchen Ursprung das kleine Netz haben müsse. Wir werden ihn so-
gleich erkennen, wenn wir den Magen und die Leber in ihre ursprüngliche Stel-
lung bringen. Der Magen liegt mit der kleinen Curvatur nach der Mittellinie des
Bauches, und die Leber treibt hinter dem Magen aus dem Darme hervor. Indem
in der Ausstülpung, die zur Leber wird, die Gefäſsschicht zur Bildung des drüsi-
gen Gewebes auſserordentlich wuchert, hebt sie auch von der äuſsern Beklei-
dung des Magens Substanz ab, die bei immer fortgehender Erhebung der Leber
die Form einer Falte annimmt. Wenn nun die Leber nach rechts, der Magen
nach links wandert, so muſs nothwendig diese Falte in die Verhältnisse kommen,
die wir am kleinen Netze finden.

Nachdem wir vom Baue des Eies und der Entwickelung des Embryo dermm. Bil-
dung des Na-
bels und des
Nabelstran-
ges.

Säugethiere gesprochen haben, wird es nicht überflüssig seyn, noch einen Blick
auf die Verbindung zwischen beiden zu werfen. Wir wissen, daſs der Nabel-
strang der Frucht der Säugethiere eigenthümlich ist. Diese Eigenthümlichkeit
besteht aber nicht bloſs in der Länge, sondern auch darin, daſs die Nabelscheide
wie sie schon in den Vögeln vorkommt, sich mit Substanz anfüllt und dadurch
solide wird. Zuvörderst nämlich ist die Nabelbildung wie im Vogel, nur schien
es mir, daſs der Fleischnabel mehr gegen den Hautnabel zurückbleibt. Das ist
wenigstens entschieden der Fall bei Thieren mit sehr groſsen Primordial-Nieren,
die den Bauch gewaltig auftreiben. Eine Folge davon ist, daſs statt der sehnigen
Mittellinie des Bauches (Linea alba) eine lange Spalte in den Bauchmuskeln
ist (vergl. Taf. IV. Fig. 26.), selbst zu einer Zeit wo schon eine ganz ansehnliche
Nabelscheide sich gebildet hat. In diesem Zustande ist die Nabelscheide eine
wahre Verlängerung des Bauches, und es liegt, wie im Vogel, ein Theil der wu-
chernden Därme in der Scheide, doch ragen die Darmwindungen niemals, wie
im Vogel einige Tage vor der Geburt, aus der Nabelscheide hervor, denn die
Scheide wird in den Säugethieren länger. Indem sich aber der Darm zurück-
zieht, füllt sich die Scheide mit Substanz aus und wird zum wahren Nabel-
strange.

Hiermit stimmt es überein, daſs in keinem Säugethiere der Dottersack oder
das Nabelbläschen zuletzt in den Leib schlüpft, vielmehr entweder früh oder we-
nigstens bei der Geburt abstirbt. Es stirbt aber überhaupt bei der Geburt, und
wie es scheint, veranlaſst durch den neuen Kreislauf durch die Lunge, der gesammte
Nabelstrang mit allen Eihäuten ab. Die Nabelscheide enthält durchaus dieselben
Theile wie der Vogel, die Nabelschnur weicht nur in so fern ab, als bei sehr

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[231/0241] Nach dem, was ich so eben vom Magen gesagt habe, können Sie leicht er- rathen, welchen Ursprung das kleine Netz haben müsse. Wir werden ihn so- gleich erkennen, wenn wir den Magen und die Leber in ihre ursprüngliche Stel- lung bringen. Der Magen liegt mit der kleinen Curvatur nach der Mittellinie des Bauches, und die Leber treibt hinter dem Magen aus dem Darme hervor. Indem in der Ausstülpung, die zur Leber wird, die Gefäſsschicht zur Bildung des drüsi- gen Gewebes auſserordentlich wuchert, hebt sie auch von der äuſsern Beklei- dung des Magens Substanz ab, die bei immer fortgehender Erhebung der Leber die Form einer Falte annimmt. Wenn nun die Leber nach rechts, der Magen nach links wandert, so muſs nothwendig diese Falte in die Verhältnisse kommen, die wir am kleinen Netze finden. Nachdem wir vom Baue des Eies und der Entwickelung des Embryo der Säugethiere gesprochen haben, wird es nicht überflüssig seyn, noch einen Blick auf die Verbindung zwischen beiden zu werfen. Wir wissen, daſs der Nabel- strang der Frucht der Säugethiere eigenthümlich ist. Diese Eigenthümlichkeit besteht aber nicht bloſs in der Länge, sondern auch darin, daſs die Nabelscheide wie sie schon in den Vögeln vorkommt, sich mit Substanz anfüllt und dadurch solide wird. Zuvörderst nämlich ist die Nabelbildung wie im Vogel, nur schien es mir, daſs der Fleischnabel mehr gegen den Hautnabel zurückbleibt. Das ist wenigstens entschieden der Fall bei Thieren mit sehr groſsen Primordial-Nieren, die den Bauch gewaltig auftreiben. Eine Folge davon ist, daſs statt der sehnigen Mittellinie des Bauches (Linea alba) eine lange Spalte in den Bauchmuskeln ist (vergl. Taf. IV. Fig. 26.), selbst zu einer Zeit wo schon eine ganz ansehnliche Nabelscheide sich gebildet hat. In diesem Zustande ist die Nabelscheide eine wahre Verlängerung des Bauches, und es liegt, wie im Vogel, ein Theil der wu- chernden Därme in der Scheide, doch ragen die Darmwindungen niemals, wie im Vogel einige Tage vor der Geburt, aus der Nabelscheide hervor, denn die Scheide wird in den Säugethieren länger. Indem sich aber der Darm zurück- zieht, füllt sich die Scheide mit Substanz aus und wird zum wahren Nabel- strange. mm. Bil- dung des Na- bels und des Nabelstran- ges. Hiermit stimmt es überein, daſs in keinem Säugethiere der Dottersack oder das Nabelbläschen zuletzt in den Leib schlüpft, vielmehr entweder früh oder we- nigstens bei der Geburt abstirbt. Es stirbt aber überhaupt bei der Geburt, und wie es scheint, veranlaſst durch den neuen Kreislauf durch die Lunge, der gesammte Nabelstrang mit allen Eihäuten ab. Die Nabelscheide enthält durchaus dieselben Theile wie der Vogel, die Nabelschnur weicht nur in so fern ab, als bei sehr

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/241>, abgerufen am 24.11.2024.