Heerde, wo auch der Mensch selbst ohne Nachkommen bleiben würde, und alles Leben auf der Erde aufhörte, weil das im ersten Schöpfungsacte Entstandene nun ausgebildet wäre. Der Schöpfer müsste sein Werk, das, trotz der vielen Wun- der, doch so unvollkommen war, dass es ein Ende fand, nachdem alles Anfangs Gebildete ausgewachsen war, wieder von neuem beginnen. -- Vergeblich wandte man ein, dass nach dieser Hypothese eine Eiche zu den in ihr enthalte- nen Eichbäumen der sechsten Generation sich verhalten müsste wie die Masse des Erdballs zu der Muttereiche. Wie also gar zur 600ten oder 6000ten? "Warum nicht"? sagten die Vertheidiger dieser sogenannten Einschachtelungstheorie. "Wir erkennen daraus nur, wie sehr wir uns über die Kleinheit, in welcher die Natur wirken kann, verwundern müssen." Allein die Natur giebt dem Beobach- ter derselben nur Stoff zur Bewunderung der Einfachheit, mit der sie wirkt, und zur Verwunderung über die Geneigtheit, mit der der menschliche Witz ein ihm wunderbar scheinendes Phänomen durch unendlich grössere und unbegreiflichere Wunder erklärt.
Ich habe Ihnen die entgegengesetzten Beantwortungen über die Haupt-f. Wie wir zur Beant- wortung dieser Fra- gen Materia- lien sammeln wollen. frage in Bezug auf Zeugung und Entwickelung der organischen Körper angedeutet, um dadurch Gesichtspunkte für den fernern Vortrag hinzustellen. Zugleich habe ich aber ein Paar von den zur Einsicht in die Zeugung erfundenen Hypothesen mit wenigen Worten näher bezeichnet, um Sie darauf aufmerksam zu machen, dass solche dem langsamen Gange der Beobachtungen vorgreifenden Versuche zur Einsicht es sind, welche die Zeugungsgeschichte so märchenhaft und wunderbar erscheinen lassen; denn wenn auch ähnliche Hypothesen von den meisten Phy- siologen längst als vorübergegangen betrachtet werden, so geht doch eine dunkle Sage von ihnen im Munde Aller umher, welche nicht durch ihren Beruf selbst auf die nähere Beobachtung dieses Verhältnisses hingewiesen sind, und diese dunkle Sage hindert in der Auffassung einer einfachern und richtigern Ansicht und in der Unterscheidung des wirklich Beobachteten von der Ergänzung derselben.
Sie werden sich leicht denken, dass die vereinten Bemühungen vieler Beobachter Stoff zu einem sicherern Urtheil geliefert haben muss. An Bestrebun- gen hat es wenigstens nicht gefehlt, und wenn auch die Beobachtung in diesem Felde mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und viele Lücken noch auszu- füllen sind, so ist wenigstens unläugbar so viel gewonnen, dass man aus der Beobachtung die Irrigkeit jener Extreme in den Vorstellungen über die Zeugung und Entwickelung nachweisen kann. Denn es ist hier, wie bei der Untersuchung aller übrigen thierischen Verrichtungen, vor allen Dingen leichter nachzuweisen welche Vorstellungen, die man, dem langsamen Gange der Beobachtung vorgrei-
Heerde, wo auch der Mensch selbst ohne Nachkommen bleiben würde, und alles Leben auf der Erde aufhörte, weil das im ersten Schöpfungsacte Entstandene nun ausgebildet wäre. Der Schöpfer müſste sein Werk, das, trotz der vielen Wun- der, doch so unvollkommen war, daſs es ein Ende fand, nachdem alles Anfangs Gebildete ausgewachsen war, wieder von neuem beginnen. — Vergeblich wandte man ein, daſs nach dieser Hypothese eine Eiche zu den in ihr enthalte- nen Eichbäumen der sechsten Generation sich verhalten müſste wie die Masse des Erdballs zu der Muttereiche. Wie also gar zur 600ten oder 6000ten? „Warum nicht”? sagten die Vertheidiger dieser sogenannten Einschachtelungstheorie. „Wir erkennen daraus nur, wie sehr wir uns über die Kleinheit, in welcher die Natur wirken kann, verwundern müssen.” Allein die Natur giebt dem Beobach- ter derselben nur Stoff zur Bewunderung der Einfachheit, mit der sie wirkt, und zur Verwunderung über die Geneigtheit, mit der der menschliche Witz ein ihm wunderbar scheinendes Phänomen durch unendlich gröſsere und unbegreiflichere Wunder erklärt.
Ich habe Ihnen die entgegengesetzten Beantwortungen über die Haupt-f. Wie wir zur Beant- wortung dieser Fra- gen Materia- lien sammeln wollen. frage in Bezug auf Zeugung und Entwickelung der organischen Körper angedeutet, um dadurch Gesichtspunkte für den fernern Vortrag hinzustellen. Zugleich habe ich aber ein Paar von den zur Einsicht in die Zeugung erfundenen Hypothesen mit wenigen Worten näher bezeichnet, um Sie darauf aufmerksam zu machen, daſs solche dem langsamen Gange der Beobachtungen vorgreifenden Versuche zur Einsicht es sind, welche die Zeugungsgeschichte so märchenhaft und wunderbar erscheinen lassen; denn wenn auch ähnliche Hypothesen von den meisten Phy- siologen längst als vorübergegangen betrachtet werden, so geht doch eine dunkle Sage von ihnen im Munde Aller umher, welche nicht durch ihren Beruf selbst auf die nähere Beobachtung dieses Verhältnisses hingewiesen sind, und diese dunkle Sage hindert in der Auffassung einer einfachern und richtigern Ansicht und in der Unterscheidung des wirklich Beobachteten von der Ergänzung derselben.
Sie werden sich leicht denken, daſs die vereinten Bemühungen vieler Beobachter Stoff zu einem sicherern Urtheil geliefert haben muſs. An Bestrebun- gen hat es wenigstens nicht gefehlt, und wenn auch die Beobachtung in diesem Felde mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und viele Lücken noch auszu- füllen sind, so ist wenigstens unläugbar so viel gewonnen, daſs man aus der Beobachtung die Irrigkeit jener Extreme in den Vorstellungen über die Zeugung und Entwickelung nachweisen kann. Denn es ist hier, wie bei der Untersuchung aller übrigen thierischen Verrichtungen, vor allen Dingen leichter nachzuweisen welche Vorstellungen, die man, dem langsamen Gange der Beobachtung vorgrei-
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[7/0017]
Heerde, wo auch der Mensch selbst ohne Nachkommen bleiben würde, und alles
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der, doch so unvollkommen war, daſs es ein Ende fand, nachdem alles Anfangs
Gebildete ausgewachsen war, wieder von neuem beginnen. — Vergeblich
wandte man ein, daſs nach dieser Hypothese eine Eiche zu den in ihr enthalte-
nen Eichbäumen der sechsten Generation sich verhalten müſste wie die Masse des
Erdballs zu der Muttereiche. Wie also gar zur 600ten oder 6000ten? „Warum
nicht”? sagten die Vertheidiger dieser sogenannten Einschachtelungstheorie.
„Wir erkennen daraus nur, wie sehr wir uns über die Kleinheit, in welcher die
Natur wirken kann, verwundern müssen.” Allein die Natur giebt dem Beobach-
ter derselben nur Stoff zur Bewunderung der Einfachheit, mit der sie wirkt, und
zur Verwunderung über die Geneigtheit, mit der der menschliche Witz ein ihm
wunderbar scheinendes Phänomen durch unendlich gröſsere und unbegreiflichere
Wunder erklärt.
Ich habe Ihnen die entgegengesetzten Beantwortungen über die Haupt-
frage in Bezug auf Zeugung und Entwickelung der organischen Körper angedeutet,
um dadurch Gesichtspunkte für den fernern Vortrag hinzustellen. Zugleich habe
ich aber ein Paar von den zur Einsicht in die Zeugung erfundenen Hypothesen
mit wenigen Worten näher bezeichnet, um Sie darauf aufmerksam zu machen,
daſs solche dem langsamen Gange der Beobachtungen vorgreifenden Versuche zur
Einsicht es sind, welche die Zeugungsgeschichte so märchenhaft und wunderbar
erscheinen lassen; denn wenn auch ähnliche Hypothesen von den meisten Phy-
siologen längst als vorübergegangen betrachtet werden, so geht doch eine dunkle
Sage von ihnen im Munde Aller umher, welche nicht durch ihren Beruf selbst auf
die nähere Beobachtung dieses Verhältnisses hingewiesen sind, und diese dunkle
Sage hindert in der Auffassung einer einfachern und richtigern Ansicht und in der
Unterscheidung des wirklich Beobachteten von der Ergänzung derselben.
f. Wie wir
zur Beant-
wortung
dieser Fra-
gen Materia-
lien sammeln
wollen.
Sie werden sich leicht denken, daſs die vereinten Bemühungen vieler
Beobachter Stoff zu einem sicherern Urtheil geliefert haben muſs. An Bestrebun-
gen hat es wenigstens nicht gefehlt, und wenn auch die Beobachtung in diesem
Felde mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und viele Lücken noch auszu-
füllen sind, so ist wenigstens unläugbar so viel gewonnen, daſs man aus der
Beobachtung die Irrigkeit jener Extreme in den Vorstellungen über die Zeugung
und Entwickelung nachweisen kann. Denn es ist hier, wie bei der Untersuchung
aller übrigen thierischen Verrichtungen, vor allen Dingen leichter nachzuweisen
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/17>, abgerufen am 25.11.2024.
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