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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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den Enden derselben (Vasa efferentia) gehen durch die äussere Schicht der
Primordial-Nieren, und erreichen einen Ausführungsgang, der nach Müller
nichts anders als der schon lange entstandene und noch in Thätigkeit begriffene
falsche Harnleiter, nach Rathke aber ein ganz selbstständig anfgetretener Gang
ist, der dem Eileiter des Weibchens entspricht.

nn. Fortlei-
tender Ge-
schlechts-
Apparat.

Man sieht nämlich schon sehr früh einen Gang fast in der Länge der ganzen
Bauchhöhle vom Herzen bis zur Kloake am äussern Rande der Primordial-Nieren
zwischen ihr und dem Uebergange in die innere Fläche der Bauchplatten verlau-
fen. Mir schien es, als ob dieser Gang durch eine Art Abblätterung dieser Ueber-
gangsstelle auftrete, so nämlich, dass ein schmaler Streifen sich von der Bauch-
wand löst, aber doch mit seinen Rändern anhaftend bleibt, wodurch natürlich
ein Kanal entsteht. Dieser Kanal wäre daher anfänglich ganz angeheftet. All-
mählig aber löst er sich immer mehr und entfernt sich von der Bauchwand. Sein
vorderes Ende könnte nicht anders als unmittelbar in die Bauchhöhle übergehen,
wenn diese Darstellung der Entstehung richtig ist *). Anfänglich ist auf jeder
Seite ein solcher Kanal, bald aber bleibt der rechte in der Entwickelung zurück,
verschliesst sich später auch gegen die Kloake und nach vorn, wodurch denn zu-
letzt ein geschlossener Sack übrig bleibt, der meist auf der rechten Seite in er-
wachsenen Hühnern noch zu erkennen ist und das Ansehen einer Hydatide hat.
Allein der linke Kanal entfernt sich immer mehr von der Bauchwand und zieht
sich dadurch das Gekröse hervor, welches in der ganzen Länge des Eileiters ver-
läuft. Dieser linke Gang ist nämlich der Eileiter, seine Mündung wird der Trich-
ter (obgleich er nach Rathke einige Zeit verschlossen ist). Am hintern Ende
erweitert sich schon im Embryonenleben eine Stelle, und wird zum Eihälter.

Es ist nun die Frage, ob ähnliche Kanäle auch im männlichen Geschlechte
erscheinen und diese es sind, in welche die Vasa efferentia eingehen unter
allmähligem Schwinden der Primordial-Nieren, wie es bei Säugethieren sicher
der Fall ist, oder, wie Müller nach sorgsamen Untersuchungen glaubt, der Ka-
nal, der im Männchen die Vasa efferentia aufnimmt, kein andererer ist, als
der falsche Harnleiter, der hiernach im Männchen nicht schwände. Rathke da-
gegen erwartet (Meckel's Archiv 1832) einen vom falschen Harnleiter verschiede-
nen Saamenleiter. Ich glaube, nicht nur der Analogie wegen, sondern nach dem
was ich gesehen habe, mich für Rathke's Ansicht entscheiden zu müssen **).

Die
*) Ich will aber nicht behaupten, dass er immer offen bleibt.
**) Obgleich ich, wie schon oben bemerkt wurde, noch nicht Zeit gewinnen konnte, um die Beob-
achtungen Rathke's und Müller's vollständig durch eigene Ansicht zu verfolgen, so glaube ich
doch mich überzeugt zu haben, dass auch im Männchen neben jeder Primordial-Niere nach aussen

den Enden derselben (Vasa efferentia) gehen durch die äuſsere Schicht der
Primordial-Nieren, und erreichen einen Ausführungsgang, der nach Müller
nichts anders als der schon lange entstandene und noch in Thätigkeit begriffene
falsche Harnleiter, nach Rathke aber ein ganz selbstständig anfgetretener Gang
ist, der dem Eileiter des Weibchens entspricht.

nn. Fortlei-
tender Ge-
schlechts-
Apparat.

Man sieht nämlich schon sehr früh einen Gang fast in der Länge der ganzen
Bauchhöhle vom Herzen bis zur Kloake am äuſsern Rande der Primordial-Nieren
zwischen ihr und dem Uebergange in die innere Fläche der Bauchplatten verlau-
fen. Mir schien es, als ob dieser Gang durch eine Art Abblätterung dieser Ueber-
gangsstelle auftrete, so nämlich, daſs ein schmaler Streifen sich von der Bauch-
wand löst, aber doch mit seinen Rändern anhaftend bleibt, wodurch natürlich
ein Kanal entsteht. Dieser Kanal wäre daher anfänglich ganz angeheftet. All-
mählig aber löst er sich immer mehr und entfernt sich von der Bauchwand. Sein
vorderes Ende könnte nicht anders als unmittelbar in die Bauchhöhle übergehen,
wenn diese Darstellung der Entstehung richtig ist *). Anfänglich ist auf jeder
Seite ein solcher Kanal, bald aber bleibt der rechte in der Entwickelung zurück,
verschlieſst sich später auch gegen die Kloake und nach vorn, wodurch denn zu-
letzt ein geschlossener Sack übrig bleibt, der meist auf der rechten Seite in er-
wachsenen Hühnern noch zu erkennen ist und das Ansehen einer Hydatide hat.
Allein der linke Kanal entfernt sich immer mehr von der Bauchwand und zieht
sich dadurch das Gekröse hervor, welches in der ganzen Länge des Eileiters ver-
läuft. Dieser linke Gang ist nämlich der Eileiter, seine Mündung wird der Trich-
ter (obgleich er nach Rathke einige Zeit verschlossen ist). Am hintern Ende
erweitert sich schon im Embryonenleben eine Stelle, und wird zum Eihälter.

Es ist nun die Frage, ob ähnliche Kanäle auch im männlichen Geschlechte
erscheinen und diese es sind, in welche die Vasa efferentia eingehen unter
allmähligem Schwinden der Primordial-Nieren, wie es bei Säugethieren sicher
der Fall ist, oder, wie Müller nach sorgsamen Untersuchungen glaubt, der Ka-
nal, der im Männchen die Vasa efferentia aufnimmt, kein andererer ist, als
der falsche Harnleiter, der hiernach im Männchen nicht schwände. Rathke da-
gegen erwartet (Meckel’s Archiv 1832) einen vom falschen Harnleiter verschiede-
nen Saamenleiter. Ich glaube, nicht nur der Analogie wegen, sondern nach dem
was ich gesehen habe, mich für Rathke’s Ansicht entscheiden zu müssen **).

Die
*) Ich will aber nicht behaupten, daſs er immer offen bleibt.
**) Obgleich ich, wie schon oben bemerkt wurde, noch nicht Zeit gewinnen konnte, um die Beob-
achtungen Rathke’s und Müller’s vollständig durch eigene Ansicht zu verfolgen, so glaube ich
doch mich überzeugt zu haben, daſs auch im Männchen neben jeder Primordial-Niere nach auſsen
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[152/0162] den Enden derselben (Vasa efferentia) gehen durch die äuſsere Schicht der Primordial-Nieren, und erreichen einen Ausführungsgang, der nach Müller nichts anders als der schon lange entstandene und noch in Thätigkeit begriffene falsche Harnleiter, nach Rathke aber ein ganz selbstständig anfgetretener Gang ist, der dem Eileiter des Weibchens entspricht. Man sieht nämlich schon sehr früh einen Gang fast in der Länge der ganzen Bauchhöhle vom Herzen bis zur Kloake am äuſsern Rande der Primordial-Nieren zwischen ihr und dem Uebergange in die innere Fläche der Bauchplatten verlau- fen. Mir schien es, als ob dieser Gang durch eine Art Abblätterung dieser Ueber- gangsstelle auftrete, so nämlich, daſs ein schmaler Streifen sich von der Bauch- wand löst, aber doch mit seinen Rändern anhaftend bleibt, wodurch natürlich ein Kanal entsteht. Dieser Kanal wäre daher anfänglich ganz angeheftet. All- mählig aber löst er sich immer mehr und entfernt sich von der Bauchwand. Sein vorderes Ende könnte nicht anders als unmittelbar in die Bauchhöhle übergehen, wenn diese Darstellung der Entstehung richtig ist *). Anfänglich ist auf jeder Seite ein solcher Kanal, bald aber bleibt der rechte in der Entwickelung zurück, verschlieſst sich später auch gegen die Kloake und nach vorn, wodurch denn zu- letzt ein geschlossener Sack übrig bleibt, der meist auf der rechten Seite in er- wachsenen Hühnern noch zu erkennen ist und das Ansehen einer Hydatide hat. Allein der linke Kanal entfernt sich immer mehr von der Bauchwand und zieht sich dadurch das Gekröse hervor, welches in der ganzen Länge des Eileiters ver- läuft. Dieser linke Gang ist nämlich der Eileiter, seine Mündung wird der Trich- ter (obgleich er nach Rathke einige Zeit verschlossen ist). Am hintern Ende erweitert sich schon im Embryonenleben eine Stelle, und wird zum Eihälter. Es ist nun die Frage, ob ähnliche Kanäle auch im männlichen Geschlechte erscheinen und diese es sind, in welche die Vasa efferentia eingehen unter allmähligem Schwinden der Primordial-Nieren, wie es bei Säugethieren sicher der Fall ist, oder, wie Müller nach sorgsamen Untersuchungen glaubt, der Ka- nal, der im Männchen die Vasa efferentia aufnimmt, kein andererer ist, als der falsche Harnleiter, der hiernach im Männchen nicht schwände. Rathke da- gegen erwartet (Meckel’s Archiv 1832) einen vom falschen Harnleiter verschiede- nen Saamenleiter. Ich glaube, nicht nur der Analogie wegen, sondern nach dem was ich gesehen habe, mich für Rathke’s Ansicht entscheiden zu müssen **). Die *) Ich will aber nicht behaupten, daſs er immer offen bleibt. **) Obgleich ich, wie schon oben bemerkt wurde, noch nicht Zeit gewinnen konnte, um die Beob- achtungen Rathke’s und Müller’s vollständig durch eigene Ansicht zu verfolgen, so glaube ich doch mich überzeugt zu haben, daſs auch im Männchen neben jeder Primordial-Niere nach auſsen

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/162>, abgerufen am 24.11.2024.