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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Während die beiden vordern Gefässbogen sich verlieren, verschliesst sich
doch nicht der ihnen zugehörige Antheil der Aortenwurzel. Nachdem dieser aus
den verschwundenen Bogen nicht mehr mit Blut angefüllt wird, erhält er dasselbe
aus den hintern, unterdessen weiter gewordenen Gefässbogen. Das Blut läuft also
Fig. 10. e d.in ihm nach vorn, oder in entgegengesetzter Richtung mit der übrigen Aorten-
wurzel. Auch entwickelt sich schon vor dem Schlusse des ersten Bogens aus
dem Uebergange desselben in die Aortenwurzel eine kleine Arterie, die nun als
die nach vorn gerichtete Verlängerung der Aortenwurzel erscheint. Aus der Aor-
tenwurzel und dieser Verlängerung wird die (vordere) Wirbelschlagader. Man
kann also die Wirbelschlagader als eine umgekehrte nach vorn gerichtete Aorta
definiren, die zu der Zeit ausgebildet wird, wo die Aorta selbst eine paarige
Wurzel hat. Sie werden zugeben, dass auch im erwachsenen Zustande dieser
Charakter sich deutlich in ihr offenbart. Die Kopfschlagader ist dagegen eine
Verlängerung der untern unmittelbar aus dem Aortenwulst kommenden Hälfte der
vordern Gefässbogen *).

Was den Stamm der Aorta anlangt, so sieht man sehr bald aus ihm in der
ganzen Länge des Thiers für jeden Zwischenwirbelraum ein Aestchen abgehen.
Am Anfange dieses Zeitraumes sah man die Aorta sehr weit nach vorn in zwei
Aeste gespalten. Ziemlich bald aber ist der Stamm sehr viel länger und verläuft
zwischen den dicker und undurchsichtiger gewordenen Primordial-Nieren.

Wie diese Umänderung bewirkt ist, ob an den seitlichen Aesten sich die
Primordial-Nieren entwickelt haben und die mittlere Fortsetzung des Stammes
nur stärker geworden ist, nachdem sie schon früher da war, oder ob der unge-
theilte Abschnitt der Aorta sich verlängert hat, und die früher deutlichen Seiten-
äste (die hintern Wirbelschlagadern) eben dadurch mehr nach hinten gerückt und
nichts anders sind, als die bleibenden Seitenäste der Aorta, die sogenannten Darm-
beinschlagadern
(Arteriae iliacae), oder endlich ob die rasche Verlängerung

*) In Taf. IV. Fig. 10. ist c die hervortreibende Kopfschlagader, d die Wirbelschlagader, welche
länger wird, indem ein Theil der Aortenwurzel bis e unmittelbar zur Wirbelschlagader sich um-
wandelt. Ich will hier ausdrücklich bemerken, um Missverständnissen vorzubeugen, dass ich
im ersten Theile S. 57. die Kopfschlagader als unmittelbare Verlängerung der Aortenwurzeln an-
sah. Das Gefäss, in welchem ich das Blut aus der Aortenwurzel in umgekehrter Richtung flie-
ssen sah, ist aber, wie mich spätere Untersuchungen an Säugethieren belehrt haben, die Wirbel-
schlagader. Ausführlicheres hierüber soll in einer andern Schrift mitgetheilt werden, in wel-
cher ich über meine neuesten Untersuchungen über die Entwickelung der Säugethiere berichten
werde. Ich erkenne nun nach Analogie der Säugethiere und sogar der Fische, dass auch im
Vogel das Gefäss, welches unmittelbar aus der Wurzel der Aorta wird, die Wirbelschlagader
ist. Der Irrthum wird durch die spätere Umwandlung verständlich, da im Vogel die Wirbel-
schlagader und die Kopfschlagader in sehr nahe Beziehung kommen.

Während die beiden vordern Gefäſsbogen sich verlieren, verschlieſst sich
doch nicht der ihnen zugehörige Antheil der Aortenwurzel. Nachdem dieser aus
den verschwundenen Bogen nicht mehr mit Blut angefüllt wird, erhält er dasselbe
aus den hintern, unterdessen weiter gewordenen Gefäſsbogen. Das Blut läuft also
Fig. 10. e d.in ihm nach vorn, oder in entgegengesetzter Richtung mit der übrigen Aorten-
wurzel. Auch entwickelt sich schon vor dem Schlusse des ersten Bogens aus
dem Uebergange desselben in die Aortenwurzel eine kleine Arterie, die nun als
die nach vorn gerichtete Verlängerung der Aortenwurzel erscheint. Aus der Aor-
tenwurzel und dieser Verlängerung wird die (vordere) Wirbelschlagader. Man
kann also die Wirbelschlagader als eine umgekehrte nach vorn gerichtete Aorta
definiren, die zu der Zeit ausgebildet wird, wo die Aorta selbst eine paarige
Wurzel hat. Sie werden zugeben, daſs auch im erwachsenen Zustande dieser
Charakter sich deutlich in ihr offenbart. Die Kopfschlagader ist dagegen eine
Verlängerung der untern unmittelbar aus dem Aortenwulst kommenden Hälfte der
vordern Gefäſsbogen *).

Was den Stamm der Aorta anlangt, so sieht man sehr bald aus ihm in der
ganzen Länge des Thiers für jeden Zwischenwirbelraum ein Aestchen abgehen.
Am Anfange dieses Zeitraumes sah man die Aorta sehr weit nach vorn in zwei
Aeste gespalten. Ziemlich bald aber ist der Stamm sehr viel länger und verläuft
zwischen den dicker und undurchsichtiger gewordenen Primordial-Nieren.

Wie diese Umänderung bewirkt ist, ob an den seitlichen Aesten sich die
Primordial-Nieren entwickelt haben und die mittlere Fortsetzung des Stammes
nur stärker geworden ist, nachdem sie schon früher da war, oder ob der unge-
theilte Abschnitt der Aorta sich verlängert hat, und die früher deutlichen Seiten-
äste (die hintern Wirbelschlagadern) eben dadurch mehr nach hinten gerückt und
nichts anders sind, als die bleibenden Seitenäste der Aorta, die sogenannten Darm-
beinschlagadern
(Arteriae iliacae), oder endlich ob die rasche Verlängerung

*) In Taf. IV. Fig. 10. ist c die hervortreibende Kopfschlagader, d die Wirbelschlagader, welche
länger wird, indem ein Theil der Aortenwurzel bis e unmittelbar zur Wirbelschlagader sich um-
wandelt. Ich will hier ausdrücklich bemerken, um Miſsverständnissen vorzubeugen, daſs ich
im ersten Theile S. 57. die Kopfschlagader als unmittelbare Verlängerung der Aortenwurzeln an-
sah. Das Gefäſs, in welchem ich das Blut aus der Aortenwurzel in umgekehrter Richtung flie-
ſsen sah, ist aber, wie mich spätere Untersuchungen an Säugethieren belehrt haben, die Wirbel-
schlagader. Ausführlicheres hierüber soll in einer andern Schrift mitgetheilt werden, in wel-
cher ich über meine neuesten Untersuchungen über die Entwickelung der Säugethiere berichten
werde. Ich erkenne nun nach Analogie der Säugethiere und sogar der Fische, daſs auch im
Vogel das Gefäſs, welches unmittelbar aus der Wurzel der Aorta wird, die Wirbelschlagader
ist. Der Irrthum wird durch die spätere Umwandlung verständlich, da im Vogel die Wirbel-
schlagader und die Kopfschlagader in sehr nahe Beziehung kommen.
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[140/0150] Während die beiden vordern Gefäſsbogen sich verlieren, verschlieſst sich doch nicht der ihnen zugehörige Antheil der Aortenwurzel. Nachdem dieser aus den verschwundenen Bogen nicht mehr mit Blut angefüllt wird, erhält er dasselbe aus den hintern, unterdessen weiter gewordenen Gefäſsbogen. Das Blut läuft also in ihm nach vorn, oder in entgegengesetzter Richtung mit der übrigen Aorten- wurzel. Auch entwickelt sich schon vor dem Schlusse des ersten Bogens aus dem Uebergange desselben in die Aortenwurzel eine kleine Arterie, die nun als die nach vorn gerichtete Verlängerung der Aortenwurzel erscheint. Aus der Aor- tenwurzel und dieser Verlängerung wird die (vordere) Wirbelschlagader. Man kann also die Wirbelschlagader als eine umgekehrte nach vorn gerichtete Aorta definiren, die zu der Zeit ausgebildet wird, wo die Aorta selbst eine paarige Wurzel hat. Sie werden zugeben, daſs auch im erwachsenen Zustande dieser Charakter sich deutlich in ihr offenbart. Die Kopfschlagader ist dagegen eine Verlängerung der untern unmittelbar aus dem Aortenwulst kommenden Hälfte der vordern Gefäſsbogen *). Fig. 10. e d. Was den Stamm der Aorta anlangt, so sieht man sehr bald aus ihm in der ganzen Länge des Thiers für jeden Zwischenwirbelraum ein Aestchen abgehen. Am Anfange dieses Zeitraumes sah man die Aorta sehr weit nach vorn in zwei Aeste gespalten. Ziemlich bald aber ist der Stamm sehr viel länger und verläuft zwischen den dicker und undurchsichtiger gewordenen Primordial-Nieren. Wie diese Umänderung bewirkt ist, ob an den seitlichen Aesten sich die Primordial-Nieren entwickelt haben und die mittlere Fortsetzung des Stammes nur stärker geworden ist, nachdem sie schon früher da war, oder ob der unge- theilte Abschnitt der Aorta sich verlängert hat, und die früher deutlichen Seiten- äste (die hintern Wirbelschlagadern) eben dadurch mehr nach hinten gerückt und nichts anders sind, als die bleibenden Seitenäste der Aorta, die sogenannten Darm- beinschlagadern (Arteriae iliacae), oder endlich ob die rasche Verlängerung *) In Taf. IV. Fig. 10. ist c die hervortreibende Kopfschlagader, d die Wirbelschlagader, welche länger wird, indem ein Theil der Aortenwurzel bis e unmittelbar zur Wirbelschlagader sich um- wandelt. Ich will hier ausdrücklich bemerken, um Miſsverständnissen vorzubeugen, daſs ich im ersten Theile S. 57. die Kopfschlagader als unmittelbare Verlängerung der Aortenwurzeln an- sah. Das Gefäſs, in welchem ich das Blut aus der Aortenwurzel in umgekehrter Richtung flie- ſsen sah, ist aber, wie mich spätere Untersuchungen an Säugethieren belehrt haben, die Wirbel- schlagader. Ausführlicheres hierüber soll in einer andern Schrift mitgetheilt werden, in wel- cher ich über meine neuesten Untersuchungen über die Entwickelung der Säugethiere berichten werde. Ich erkenne nun nach Analogie der Säugethiere und sogar der Fische, daſs auch im Vogel das Gefäſs, welches unmittelbar aus der Wurzel der Aorta wird, die Wirbelschlagader ist. Der Irrthum wird durch die spätere Umwandlung verständlich, da im Vogel die Wirbel- schlagader und die Kopfschlagader in sehr nahe Beziehung kommen.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/150>, abgerufen am 07.05.2024.