Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Je weiter vom Embryo entfernt das erste Blut erzeugt wird, um desto lang-
samer scheint es zu fliessen. So sammelt es sich besonders am Rande der Gefäss-
schicht an und bildet hier einen tiefen Graben, den Blutkreis, aus dem es nur
langsam ausfliesst. Im Gefässhofe zeigt sich das Blut zuerst roth, denn während
man im Herzkanale noch ungefärbtes Blut sieht, ist es in dem Blutkreise und dem
Gefässhofe schon etwas geröthet. Dagegen glaubte ich zu bemerken, dass im
Herzkanale etwas früher die Verflüssigung sich findet, als in der Keimhaut, was
schon durch die stärkere Ansammlung desselben Stoffes begreiflich wird. Indes-
sen möchte ich hierauf auch kein Gewicht legen, da die erste Verflüssigung im
Gefässhofe seiner Dunkelheit wegen kaum kenntlich seyn kann *). Durch den
Fruchthof, in welchem die Gefässschicht am dünnsten ist, scheint sich das von
aussen kommende Blut nur langsam durchgraben zu können, denn die hintern
Zipfel des Herzkanales, gegen welche alle Strömung gerichtet ist, bleiben einige
Zeit noch dunkel und müssen also nur wenig Blut aufnehmen. Bald aber wer-
den auch sie hell, und nun fliesst alles Blut aus den hintern Zipfeln in den Herz-
kanal ein und aus dem vordern Ende desselben durch die zwei Bogen wieder
ab **). Diese zwei Bogen werden bald für den vermehrten Andrang zu schwach,
und da zugleich die Spitze des Herzens sich zurückzieht, überdies auch die Ge-
fässschicht, wie alle Primitivorgane die Einwirkung der Sonderung in die von
uns sogenannten morphologischen Elemente erfährt, so entwickelt sich ein zwei-
tes Paar von Bogen, gleichsam ein zweiter Wirbel für diese Sphäre, später ein
drittes Bogenpaar und endlich beim Uebergange des zweiten Tages in den dritten
ein viertes. Alle diese Bogen laufen innerhalb der Gefässschicht um die Rachen-
höhle nach oben, die Bogen einer Seite gehen in einen Kanal zusammen und es
verbinden sich diese beiden Kanäle zu einem gemeinschastlichen Stamme, der
nothwendig auch innerhalb der Gefässschicht seyn muss, aber da liegt, wo die
Gefässschicht am Wirbelstamme anhaftet, d. h. über dem Darme. Jener Arte-
rienstamm nämlich ist die Aorta, die beiden Kanäle, die ihn bilden und die vier
Gefässbogen einer Seite aufnehmen, nennen wir die Aortenwurzeln. Dass die
Aorta schon durch die ersten Gefässbogen erzeugt wird, braucht kaum bemerkt

*) Doch halte ich es entschieden für einen Irrthum, wenn man rothe isolirte Blutinseln im Ge-
fässhofe zu erkennen glaubt. Sie sind nur Schein, indem durch Oeffnung des Eies die Blutbe-
wegung gestört ist und das Blut an einzelnen Stellen sich sammelt. Immer haben solche rothe
Inseln Ableitnngen, die man bei Untersuchung im warmen Wasser erkennt, und immer wird
man bei dem Anschein von Blutinseln das Herz gefüllt und in Bewegung sehen. Dass das Herz-
blut einige Zeit ungefärbt erscheint, mag daher kommen, dass aus dem Gefässhofe ihm nur we-
nig Blut, oder zuerst vielleicht mehr Serum zufliesst.
**) Theil I S. 28. 31. 33. 34.
II. R

Je weiter vom Embryo entfernt das erste Blut erzeugt wird, um desto lang-
samer scheint es zu flieſsen. So sammelt es sich besonders am Rande der Gefäſs-
schicht an und bildet hier einen tiefen Graben, den Blutkreis, aus dem es nur
langsam ausflieſst. Im Gefäſshofe zeigt sich das Blut zuerst roth, denn während
man im Herzkanale noch ungefärbtes Blut sieht, ist es in dem Blutkreise und dem
Gefäſshofe schon etwas geröthet. Dagegen glaubte ich zu bemerken, daſs im
Herzkanale etwas früher die Verflüssigung sich findet, als in der Keimhaut, was
schon durch die stärkere Ansammlung desselben Stoffes begreiflich wird. Indes-
sen möchte ich hierauf auch kein Gewicht legen, da die erste Verflüssigung im
Gefäſshofe seiner Dunkelheit wegen kaum kenntlich seyn kann *). Durch den
Fruchthof, in welchem die Gefäſsschicht am dünnsten ist, scheint sich das von
auſsen kommende Blut nur langsam durchgraben zu können, denn die hintern
Zipfel des Herzkanales, gegen welche alle Strömung gerichtet ist, bleiben einige
Zeit noch dunkel und müssen also nur wenig Blut aufnehmen. Bald aber wer-
den auch sie hell, und nun flieſst alles Blut aus den hintern Zipfeln in den Herz-
kanal ein und aus dem vordern Ende desselben durch die zwei Bogen wieder
ab **). Diese zwei Bogen werden bald für den vermehrten Andrang zu schwach,
und da zugleich die Spitze des Herzens sich zurückzieht, überdies auch die Ge-
fäſsschicht, wie alle Primitivorgane die Einwirkung der Sonderung in die von
uns sogenannten morphologischen Elemente erfährt, so entwickelt sich ein zwei-
tes Paar von Bogen, gleichsam ein zweiter Wirbel für diese Sphäre, später ein
drittes Bogenpaar und endlich beim Uebergange des zweiten Tages in den dritten
ein viertes. Alle diese Bogen laufen innerhalb der Gefäſsschicht um die Rachen-
höhle nach oben, die Bogen einer Seite gehen in einen Kanal zusammen und es
verbinden sich diese beiden Kanäle zu einem gemeinschaſtlichen Stamme, der
nothwendig auch innerhalb der Gefäſsschicht seyn muſs, aber da liegt, wo die
Gefäſsschicht am Wirbelstamme anhaftet, d. h. über dem Darme. Jener Arte-
rienstamm nämlich ist die Aorta, die beiden Kanäle, die ihn bilden und die vier
Gefäſsbogen einer Seite aufnehmen, nennen wir die Aortenwurzeln. Daſs die
Aorta schon durch die ersten Gefäſsbogen erzeugt wird, braucht kaum bemerkt

*) Doch halte ich es entschieden für einen Irrthum, wenn man rothe isolirte Blutinseln im Ge-
fäſshofe zu erkennen glaubt. Sie sind nur Schein, indem durch Oeffnung des Eies die Blutbe-
wegung gestört ist und das Blut an einzelnen Stellen sich sammelt. Immer haben solche rothe
Inseln Ableitnngen, die man bei Untersuchung im warmen Wasser erkennt, und immer wird
man bei dem Anschein von Blutinseln das Herz gefüllt und in Bewegung sehen. Daſs das Herz-
blut einige Zeit ungefärbt erscheint, mag daher kommen, daſs aus dem Gefäſshofe ihm nur we-
nig Blut, oder zuerst vielleicht mehr Serum zuflieſst.
**) Theil I S. 28. 31. 33. 34.
II. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0139" n="129"/>
          <p>Je weiter vom Embryo entfernt das erste Blut erzeugt wird, um desto lang-<lb/>
samer scheint es zu flie&#x017F;sen. So sammelt es sich besonders am Rande der Gefä&#x017F;s-<lb/>
schicht an und bildet hier einen tiefen Graben, den <hi rendition="#i">Blutkreis</hi>, aus dem es nur<lb/>
langsam ausflie&#x017F;st. Im Gefä&#x017F;shofe zeigt sich das Blut zuerst roth, denn während<lb/>
man im Herzkanale noch ungefärbtes Blut sieht, ist es in dem Blutkreise und dem<lb/>
Gefä&#x017F;shofe schon etwas geröthet. Dagegen glaubte ich zu bemerken, da&#x017F;s im<lb/>
Herzkanale etwas früher die Verflüssigung sich findet, als in der Keimhaut, was<lb/>
schon durch die stärkere Ansammlung desselben Stoffes begreiflich wird. Indes-<lb/>
sen möchte ich hierauf auch kein Gewicht legen, da die erste Verflüssigung im<lb/>
Gefä&#x017F;shofe seiner Dunkelheit wegen kaum kenntlich seyn kann <note place="foot" n="*)">Doch halte ich es entschieden für einen Irrthum, wenn man rothe isolirte Blutinseln im Ge-<lb/>&#x017F;shofe zu erkennen glaubt. Sie sind nur Schein, indem durch Oeffnung des Eies die Blutbe-<lb/>
wegung gestört ist und das Blut an einzelnen Stellen sich sammelt. Immer haben solche rothe<lb/>
Inseln Ableitnngen, die man bei Untersuchung im warmen Wasser erkennt, und immer wird<lb/>
man bei dem Anschein von Blutinseln das Herz gefüllt und in Bewegung sehen. Da&#x017F;s das Herz-<lb/>
blut einige Zeit ungefärbt erscheint, mag daher kommen, da&#x017F;s aus dem Gefä&#x017F;shofe ihm nur we-<lb/>
nig Blut, oder zuerst vielleicht mehr Serum zuflie&#x017F;st.</note>. Durch den<lb/>
Fruchthof, in welchem die Gefä&#x017F;sschicht am dünnsten ist, scheint sich das von<lb/>
au&#x017F;sen kommende Blut nur langsam durchgraben zu können, denn die hintern<lb/>
Zipfel des Herzkanales, gegen welche alle Strömung gerichtet ist, bleiben einige<lb/>
Zeit noch dunkel und müssen also nur wenig Blut aufnehmen. Bald aber wer-<lb/>
den auch sie hell, und nun flie&#x017F;st alles Blut aus den hintern Zipfeln in den Herz-<lb/>
kanal ein und aus dem vordern Ende desselben durch die zwei Bogen wieder<lb/>
ab <note place="foot" n="**)">Theil I S. 28. 31. 33. 34.</note>. Diese zwei Bogen werden bald für den vermehrten Andrang zu schwach,<lb/>
und da zugleich die Spitze des Herzens sich zurückzieht, überdies auch die Ge-<lb/>&#x017F;sschicht, wie alle Primitivorgane die Einwirkung der Sonderung in die von<lb/>
uns sogenannten morphologischen Elemente erfährt, so entwickelt sich ein zwei-<lb/>
tes Paar von Bogen, gleichsam ein zweiter Wirbel für diese Sphäre, später ein<lb/>
drittes Bogenpaar und endlich beim Uebergange des zweiten Tages in den dritten<lb/>
ein viertes. Alle diese Bogen laufen innerhalb der Gefä&#x017F;sschicht um die Rachen-<lb/>
höhle nach oben, die Bogen einer Seite gehen in einen Kanal zusammen und es<lb/>
verbinden sich diese beiden Kanäle zu einem gemeinscha&#x017F;tlichen Stamme, der<lb/>
nothwendig auch innerhalb der Gefä&#x017F;sschicht seyn mu&#x017F;s, aber da liegt, wo die<lb/>
Gefä&#x017F;sschicht am Wirbelstamme anhaftet, d. h. über dem Darme. Jener Arte-<lb/>
rienstamm nämlich ist die <hi rendition="#i">Aorta</hi>, die beiden Kanäle, die ihn bilden und die vier<lb/>
Gefä&#x017F;sbogen einer Seite aufnehmen, nennen wir die <hi rendition="#i">Aortenwurzeln.</hi> Da&#x017F;s die<lb/>
Aorta schon durch die ersten Gefä&#x017F;sbogen erzeugt wird, braucht kaum bemerkt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">II.</hi> R</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] Je weiter vom Embryo entfernt das erste Blut erzeugt wird, um desto lang- samer scheint es zu flieſsen. So sammelt es sich besonders am Rande der Gefäſs- schicht an und bildet hier einen tiefen Graben, den Blutkreis, aus dem es nur langsam ausflieſst. Im Gefäſshofe zeigt sich das Blut zuerst roth, denn während man im Herzkanale noch ungefärbtes Blut sieht, ist es in dem Blutkreise und dem Gefäſshofe schon etwas geröthet. Dagegen glaubte ich zu bemerken, daſs im Herzkanale etwas früher die Verflüssigung sich findet, als in der Keimhaut, was schon durch die stärkere Ansammlung desselben Stoffes begreiflich wird. Indes- sen möchte ich hierauf auch kein Gewicht legen, da die erste Verflüssigung im Gefäſshofe seiner Dunkelheit wegen kaum kenntlich seyn kann *). Durch den Fruchthof, in welchem die Gefäſsschicht am dünnsten ist, scheint sich das von auſsen kommende Blut nur langsam durchgraben zu können, denn die hintern Zipfel des Herzkanales, gegen welche alle Strömung gerichtet ist, bleiben einige Zeit noch dunkel und müssen also nur wenig Blut aufnehmen. Bald aber wer- den auch sie hell, und nun flieſst alles Blut aus den hintern Zipfeln in den Herz- kanal ein und aus dem vordern Ende desselben durch die zwei Bogen wieder ab **). Diese zwei Bogen werden bald für den vermehrten Andrang zu schwach, und da zugleich die Spitze des Herzens sich zurückzieht, überdies auch die Ge- fäſsschicht, wie alle Primitivorgane die Einwirkung der Sonderung in die von uns sogenannten morphologischen Elemente erfährt, so entwickelt sich ein zwei- tes Paar von Bogen, gleichsam ein zweiter Wirbel für diese Sphäre, später ein drittes Bogenpaar und endlich beim Uebergange des zweiten Tages in den dritten ein viertes. Alle diese Bogen laufen innerhalb der Gefäſsschicht um die Rachen- höhle nach oben, die Bogen einer Seite gehen in einen Kanal zusammen und es verbinden sich diese beiden Kanäle zu einem gemeinschaſtlichen Stamme, der nothwendig auch innerhalb der Gefäſsschicht seyn muſs, aber da liegt, wo die Gefäſsschicht am Wirbelstamme anhaftet, d. h. über dem Darme. Jener Arte- rienstamm nämlich ist die Aorta, die beiden Kanäle, die ihn bilden und die vier Gefäſsbogen einer Seite aufnehmen, nennen wir die Aortenwurzeln. Daſs die Aorta schon durch die ersten Gefäſsbogen erzeugt wird, braucht kaum bemerkt *) Doch halte ich es entschieden für einen Irrthum, wenn man rothe isolirte Blutinseln im Ge- fäſshofe zu erkennen glaubt. Sie sind nur Schein, indem durch Oeffnung des Eies die Blutbe- wegung gestört ist und das Blut an einzelnen Stellen sich sammelt. Immer haben solche rothe Inseln Ableitnngen, die man bei Untersuchung im warmen Wasser erkennt, und immer wird man bei dem Anschein von Blutinseln das Herz gefüllt und in Bewegung sehen. Daſs das Herz- blut einige Zeit ungefärbt erscheint, mag daher kommen, daſs aus dem Gefäſshofe ihm nur we- nig Blut, oder zuerst vielleicht mehr Serum zuflieſst. **) Theil I S. 28. 31. 33. 34. II. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/139
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/139>, abgerufen am 25.11.2024.