Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

kanals oder Darmkanals ist. Da dieses Rohr sich allmählig mehr verlängert und
also immer mehr von dem Darmkanale gebildet wird, so ist es ganz passend, den
vordern schon in ein Rohr verwandelten Theil des Darmkanals, er mag mehr oder
weniger umfassen, mit Rathke den Munddarm zu nennen. Die hintere in die
Dotterkugel übergehende Oeffnung nennt man gewöhnlich nach Wolff Fovea
cardiaca
, was man bald Magengrube, bald Herzgrube übersetzt hat. Da aber
diese Oeffnung zu dem Herzen gar keine Beziehung hat, und auch zu dem Magen
keine bleibende, indem sie immer weiter nach hinten vorrückt, so scheint mir die
Benennung: Vorderer Eingang in den Darmkanal Aditus anterior ad in-
testinum
weniger zu Missverständnissen Veranlassung zu geben *).

Am Ende des zweiten Tages fängt die Abschnürung an auch am hintern Ende
zu wirken. Es bildet also auch hier die Schleimhaut eine blinde Grube, die sich
zu einer Röhre verlängert, später hinten durchbricht und den Aster bildet. Nach
vorn geht sie offen in die Höhle der Dotterkugel über. Diesen Uebergang nennt
Wolff Foveola inferior, das untere Grübchen. Wir wollen ihn den hin-
tern Eingang in den Speisekanal Aditus posterior
nennen, so wie das hier
gebildete Darmstück mit Rathke den Afterdarm **).

Es wäre eine sehr falsche Vorstellung, wenn Sie glaubten, dass an diesen
Eingängen die beiden gebildeten Darmstücke wie in den Leib des Embryo gesteckte
Trompeten plötzlich aufhörten. Da die Schleimhaut, aus welcher die Darmstücke
gebildet sind, früher die ganze untere Fläche des noch völlig offen ausgebreiteten
Embryo einnahm, so muss auch jetzt, da nichts verloren gegangen, zerrissen
oder aufgelöst ist, eine Fortsetzung der Schleimhaut unter dem Embryo fort vom
Munddarme zum Afterdarme reichen. Sie hat nur darin ihre Verhältnisse geän-Taf. I. u. II.
Fig. III. VIII.

dert, dass sie durch Ausbildung der Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt
worden ist ***). Dieses verbindende Mittelstück bleibt, so lange der Munddarm
nur kurz ist, ziemlich flach ausgebreitet. So wie aber beide Darmstücke sich
verlängern, wird zuvörderst das verbindende Mittelstück durch Entwickelung der
Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt und zugleich bildet es sich in eine Rinne
um, indem zu beiden Seiten ein Streifen der Schleimhautschicht in Verbindung mit
der anliegenden Gefässschicht sich aus der übrigen Fläche etwas abgrenzt und nach
unten richtet. Diese Streifen sind schon Darmplatten von uns genannt. So ha-

*) Ueber die Bildung des Munddarmes siehe im ersten Theile S. 17. 26. 27. 46. 59. wo aber die von
Rathke erst später aufgestellte Benennung: Munddarm, noch nicht gebraucht ist.
**) Im ersten Theile handeln Seite 37. 49 u. folg. vom Afterdarme, ohne diesen Ausdruck anzu-
wenden.
***) Theil I. S. 43.

kanals oder Darmkanals ist. Da dieses Rohr sich allmählig mehr verlängert und
also immer mehr von dem Darmkanale gebildet wird, so ist es ganz passend, den
vordern schon in ein Rohr verwandelten Theil des Darmkanals, er mag mehr oder
weniger umfassen, mit Rathke den Munddarm zu nennen. Die hintere in die
Dotterkugel übergehende Oeffnung nennt man gewöhnlich nach Wolff Fovea
cardiaca
, was man bald Magengrube, bald Herzgrube übersetzt hat. Da aber
diese Oeffnung zu dem Herzen gar keine Beziehung hat, und auch zu dem Magen
keine bleibende, indem sie immer weiter nach hinten vorrückt, so scheint mir die
Benennung: Vorderer Eingang in den Darmkanal Aditus anterior ad in-
testinum
weniger zu Miſsverständnissen Veranlassung zu geben *).

Am Ende des zweiten Tages fängt die Abschnürung an auch am hintern Ende
zu wirken. Es bildet also auch hier die Schleimhaut eine blinde Grube, die sich
zu einer Röhre verlängert, später hinten durchbricht und den Aſter bildet. Nach
vorn geht sie offen in die Höhle der Dotterkugel über. Diesen Uebergang nennt
Wolff Foveola inferior, das untere Grübchen. Wir wollen ihn den hin-
tern Eingang in den Speisekanal Aditus posterior
nennen, so wie das hier
gebildete Darmstück mit Rathke den Afterdarm **).

Es wäre eine sehr falsche Vorstellung, wenn Sie glaubten, daſs an diesen
Eingängen die beiden gebildeten Darmstücke wie in den Leib des Embryo gesteckte
Trompeten plötzlich aufhörten. Da die Schleimhaut, aus welcher die Darmstücke
gebildet sind, früher die ganze untere Fläche des noch völlig offen ausgebreiteten
Embryo einnahm, so muſs auch jetzt, da nichts verloren gegangen, zerrissen
oder aufgelöst ist, eine Fortsetzung der Schleimhaut unter dem Embryo fort vom
Munddarme zum Afterdarme reichen. Sie hat nur darin ihre Verhältnisse geän-Taf. I. u. II.
Fig. III. VIII.

dert, daſs sie durch Ausbildung der Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt
worden ist ***). Dieses verbindende Mittelstück bleibt, so lange der Munddarm
nur kurz ist, ziemlich flach ausgebreitet. So wie aber beide Darmstücke sich
verlängern, wird zuvörderst das verbindende Mittelstück durch Entwickelung der
Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt und zugleich bildet es sich in eine Rinne
um, indem zu beiden Seiten ein Streifen der Schleimhautschicht in Verbindung mit
der anliegenden Gefäſsschicht sich aus der übrigen Fläche etwas abgrenzt und nach
unten richtet. Diese Streifen sind schon Darmplatten von uns genannt. So ha-

*) Ueber die Bildung des Munddarmes siehe im ersten Theile S. 17. 26. 27. 46. 59. wo aber die von
Rathke erst später aufgestellte Benennung: Munddarm, noch nicht gebraucht ist.
**) Im ersten Theile handeln Seite 37. 49 u. folg. vom Afterdarme, ohne diesen Ausdruck anzu-
wenden.
***) Theil I. S. 43.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="119"/>
kanals oder Darmkanals ist. Da dieses Rohr sich allmählig mehr verlängert und<lb/>
also immer mehr von dem Darmkanale gebildet wird, so ist es ganz passend, den<lb/>
vordern schon in ein Rohr verwandelten Theil des Darmkanals, er mag mehr oder<lb/>
weniger umfassen, mit <hi rendition="#g">Rathke</hi> den <hi rendition="#i">Munddarm</hi> zu nennen. Die hintere in die<lb/>
Dotterkugel übergehende Oeffnung nennt man gewöhnlich nach <hi rendition="#g">Wolff <hi rendition="#i">Fovea<lb/>
cardiaca</hi></hi>, was man bald <hi rendition="#i">Magengrube</hi>, bald <hi rendition="#i">Herzgrube</hi> übersetzt hat. Da aber<lb/>
diese Oeffnung zu dem Herzen gar keine Beziehung hat, und auch zu dem Magen<lb/>
keine bleibende, indem sie immer weiter nach hinten vorrückt, so scheint mir die<lb/>
Benennung: <hi rendition="#i">Vorderer Eingang in den Darmkanal <hi rendition="#g">Aditus anterior ad in-<lb/>
testinum</hi></hi> weniger zu Mi&#x017F;sverständnissen Veranlassung zu geben <note place="foot" n="*)">Ueber die Bildung des Munddarmes siehe im ersten Theile S. 17. 26. 27. 46. 59. wo aber die von<lb/><hi rendition="#g">Rathke</hi> erst später aufgestellte Benennung: Munddarm, noch nicht gebraucht ist.</note>.</p><lb/>
          <p>Am Ende des zweiten Tages fängt die Abschnürung an auch am hintern Ende<lb/>
zu wirken. Es bildet also auch hier die Schleimhaut eine blinde Grube, die sich<lb/>
zu einer Röhre verlängert, später hinten durchbricht und den A&#x017F;ter bildet. Nach<lb/>
vorn geht sie offen in die Höhle der Dotterkugel über. Diesen Uebergang nennt<lb/><hi rendition="#g">Wolff <hi rendition="#i">Foveola inferior</hi></hi>, das untere Grübchen. Wir wollen ihn den <hi rendition="#i">hin-<lb/>
tern Eingang in den Speisekanal <hi rendition="#g">Aditus posterior</hi></hi> nennen, so wie das hier<lb/>
gebildete Darmstück mit <hi rendition="#g">Rathke</hi> den <hi rendition="#i">Afterdarm</hi> <note place="foot" n="**)">Im ersten Theile handeln Seite 37. 49 u. folg. vom Afterdarme, ohne diesen Ausdruck anzu-<lb/>
wenden.</note>.</p><lb/>
          <p>Es wäre eine sehr falsche Vorstellung, wenn Sie glaubten, da&#x017F;s an diesen<lb/>
Eingängen die beiden gebildeten Darmstücke wie in den Leib des Embryo gesteckte<lb/>
Trompeten plötzlich aufhörten. Da die Schleimhaut, aus welcher die Darmstücke<lb/>
gebildet sind, früher die ganze untere Fläche des noch völlig offen ausgebreiteten<lb/>
Embryo einnahm, so mu&#x017F;s auch jetzt, da nichts verloren gegangen, zerrissen<lb/>
oder aufgelöst ist, eine Fortsetzung der Schleimhaut unter dem Embryo fort vom<lb/>
Munddarme zum Afterdarme reichen. Sie hat nur darin ihre Verhältnisse geän-<note place="right">Taf. I. u. II.<lb/>
Fig. III. VIII.</note><lb/>
dert, da&#x017F;s sie durch Ausbildung der Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt<lb/>
worden ist <note place="foot" n="***)">Theil I. S. 43.</note>. Dieses verbindende Mittelstück bleibt, so lange der Munddarm<lb/>
nur kurz ist, ziemlich flach ausgebreitet. So wie aber beide Darmstücke sich<lb/>
verlängern, wird zuvörderst das verbindende Mittelstück durch Entwickelung der<lb/>
Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt und zugleich bildet es sich in eine Rinne<lb/>
um, indem zu beiden Seiten ein Streifen der Schleimhautschicht in Verbindung mit<lb/>
der anliegenden Gefä&#x017F;sschicht sich aus der übrigen Fläche etwas abgrenzt und nach<lb/>
unten richtet. Diese Streifen sind schon <hi rendition="#i">Darmplatten</hi> von uns genannt. So ha-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0129] kanals oder Darmkanals ist. Da dieses Rohr sich allmählig mehr verlängert und also immer mehr von dem Darmkanale gebildet wird, so ist es ganz passend, den vordern schon in ein Rohr verwandelten Theil des Darmkanals, er mag mehr oder weniger umfassen, mit Rathke den Munddarm zu nennen. Die hintere in die Dotterkugel übergehende Oeffnung nennt man gewöhnlich nach Wolff Fovea cardiaca, was man bald Magengrube, bald Herzgrube übersetzt hat. Da aber diese Oeffnung zu dem Herzen gar keine Beziehung hat, und auch zu dem Magen keine bleibende, indem sie immer weiter nach hinten vorrückt, so scheint mir die Benennung: Vorderer Eingang in den Darmkanal Aditus anterior ad in- testinum weniger zu Miſsverständnissen Veranlassung zu geben *). Am Ende des zweiten Tages fängt die Abschnürung an auch am hintern Ende zu wirken. Es bildet also auch hier die Schleimhaut eine blinde Grube, die sich zu einer Röhre verlängert, später hinten durchbricht und den Aſter bildet. Nach vorn geht sie offen in die Höhle der Dotterkugel über. Diesen Uebergang nennt Wolff Foveola inferior, das untere Grübchen. Wir wollen ihn den hin- tern Eingang in den Speisekanal Aditus posterior nennen, so wie das hier gebildete Darmstück mit Rathke den Afterdarm **). Es wäre eine sehr falsche Vorstellung, wenn Sie glaubten, daſs an diesen Eingängen die beiden gebildeten Darmstücke wie in den Leib des Embryo gesteckte Trompeten plötzlich aufhörten. Da die Schleimhaut, aus welcher die Darmstücke gebildet sind, früher die ganze untere Fläche des noch völlig offen ausgebreiteten Embryo einnahm, so muſs auch jetzt, da nichts verloren gegangen, zerrissen oder aufgelöst ist, eine Fortsetzung der Schleimhaut unter dem Embryo fort vom Munddarme zum Afterdarme reichen. Sie hat nur darin ihre Verhältnisse geän- dert, daſs sie durch Ausbildung der Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt worden ist ***). Dieses verbindende Mittelstück bleibt, so lange der Munddarm nur kurz ist, ziemlich flach ausgebreitet. So wie aber beide Darmstücke sich verlängern, wird zuvörderst das verbindende Mittelstück durch Entwickelung der Gekrösplatten von der Wirbelsäule entfernt und zugleich bildet es sich in eine Rinne um, indem zu beiden Seiten ein Streifen der Schleimhautschicht in Verbindung mit der anliegenden Gefäſsschicht sich aus der übrigen Fläche etwas abgrenzt und nach unten richtet. Diese Streifen sind schon Darmplatten von uns genannt. So ha- Taf. I. u. II. Fig. III. VIII. *) Ueber die Bildung des Munddarmes siehe im ersten Theile S. 17. 26. 27. 46. 59. wo aber die von Rathke erst später aufgestellte Benennung: Munddarm, noch nicht gebraucht ist. **) Im ersten Theile handeln Seite 37. 49 u. folg. vom Afterdarme, ohne diesen Ausdruck anzu- wenden. ***) Theil I. S. 43.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/129
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/129>, abgerufen am 07.05.2024.