Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

sammeln. Die äussere Begränzung dieser Flüssigkeit ist die Synovialhaut, und eine
gemeinschaftliche dunkle Scheide, die über die Knorpel und die Wasserbläschen
fortgeht, wird die Knochenhaut. Knorpel und Gelenke bilden sich also durch hi-
stologische Sonderung innerhalb einer gleichmässigen Grundlage. Denselben Vor-
gang beobachtet man, wenn auch wegen der geringern Durchsichtigkeit nicht so
deutlich, in der Gelenkbildung der obern Theile der Extremität.

Was die Reihenfolge in der Ausbildung des Skelettes anlangt, so sehen wirb Reihen-
folge in der
Ausbildung
des Knochen-
systems.

die erste Ansammlung dunklerer Körner früher als irgend eine andere Bildung in
der Axe des Embryo, wo sie einen dünnen Faden bilden, den wir Wirbelsaite
(Chorda vertebralis) *) nennen. Die nächste Umgebung (die Scheide der
Wirbelsaite) wird dabei hell. Es ist also in der Axe eine histologische Sonderung.
Die Wirbelsaite wird dann hell und nimmt allmählig an Dicke zu, bis sie den
Durchmesser einer ganz dünnen Darmsaite erreicht, erleidet aber weiter keine
Metarmorphose und wird um die Mitte des Embryonenlebens von den um sie her-
umwachsenden Wirbelkörpern ganz umschlossen und dadurch zerstört **). Bald
nachdem die Wirbelsaite entstanden ist, zeigen sich innerhalb der Rückenplatten
die Wirbelbogen in zwei getrennten Hälften, also paarige Flecken. Die ersten
erscheinen schon am Schlusse des ersten Tages der Bebrütung. Darauf bilden sich
die Körner-Häufchen für die Knorpel der untern Bogen und zuletzt für die Knor-
pel der Extremitäten. Zugleich ist die Verknorpelung vorn etwas früher als hin-
ten, so dass in der Wirbelsäule die Schwanzwirbel später und die hintersten zuletzt
sich zeigen, die Knorpel der vordern Extremität früher da sind, als die entspre-
chenden Knorpel der hintern. Indessen ist diese Reihenfolge nicht so vollständig,
dass die Knorpel des Kopfes sich am frühesten bildeten. Die ersten Wirbelbogen
sieht man hinter dem Kopfe in der Gegend, in der auch zuerst die Kämme der
Rückenplatten sich an einander legen ***). Beides scheint mir daher zu rühren,
dass das vordere Ende der Rückenfurche schon jetzt etwas von dem Einflusse des
allerdings noch nicht selbstständigen Hirnes erfährt, einem Einflusse, der die Sei-
tenwände dieser Furche hier aus einander treibt und bewirkt, dass überhaupt die
innere Fläche desselben, (der Hintertheil der werdenden Markplatten) die Fleisch-
schicht in der Entwickelung überwiegt und zurückhält. -- Die Reihenfolge in

*) Die Wirbelsaite habe ich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens (im er-
sten Theile dieses Werkes) und in der Epistola de ovi mammal. genesi Rückensaite
(Chorda dorsalis) genannt. Ueber den Vorzug der Benennung Wirhelsaite siehe die Vorrede
zum ersten Theile.
**) Ausführlicher über die Wirbelsaite siehe Theil I. S. 15. 125.
***) Vergl. Erster Theil. S. 17. 22. 23.
II. N

sammeln. Die äuſsere Begränzung dieser Flüssigkeit ist die Synovialhaut, und eine
gemeinschaftliche dunkle Scheide, die über die Knorpel und die Wasserbläschen
fortgeht, wird die Knochenhaut. Knorpel und Gelenke bilden sich also durch hi-
stologische Sonderung innerhalb einer gleichmäſsigen Grundlage. Denselben Vor-
gang beobachtet man, wenn auch wegen der geringern Durchsichtigkeit nicht so
deutlich, in der Gelenkbildung der obern Theile der Extremität.

Was die Reihenfolge in der Ausbildung des Skelettes anlangt, so sehen wirβ Reihen-
folge in der
Ausbildung
des Knochen-
systems.

die erste Ansammlung dunklerer Körner früher als irgend eine andere Bildung in
der Axe des Embryo, wo sie einen dünnen Faden bilden, den wir Wirbelsaite
(Chorda vertebralis) *) nennen. Die nächste Umgebung (die Scheide der
Wirbelsaite) wird dabei hell. Es ist also in der Axe eine histologische Sonderung.
Die Wirbelsaite wird dann hell und nimmt allmählig an Dicke zu, bis sie den
Durchmesser einer ganz dünnen Darmsaite erreicht, erleidet aber weiter keine
Metarmorphose und wird um die Mitte des Embryonenlebens von den um sie her-
umwachsenden Wirbelkörpern ganz umschlossen und dadurch zerstört **). Bald
nachdem die Wirbelsaite entstanden ist, zeigen sich innerhalb der Rückenplatten
die Wirbelbogen in zwei getrennten Hälften, also paarige Flecken. Die ersten
erscheinen schon am Schlusse des ersten Tages der Bebrütung. Darauf bilden sich
die Körner-Häufchen für die Knorpel der untern Bogen und zuletzt für die Knor-
pel der Extremitäten. Zugleich ist die Verknorpelung vorn etwas früher als hin-
ten, so daſs in der Wirbelsäule die Schwanzwirbel später und die hintersten zuletzt
sich zeigen, die Knorpel der vordern Extremität früher da sind, als die entspre-
chenden Knorpel der hintern. Indessen ist diese Reihenfolge nicht so vollständig,
daſs die Knorpel des Kopfes sich am frühesten bildeten. Die ersten Wirbelbogen
sieht man hinter dem Kopfe in der Gegend, in der auch zuerst die Kämme der
Rückenplatten sich an einander legen ***). Beides scheint mir daher zu rühren,
daſs das vordere Ende der Rückenfurche schon jetzt etwas von dem Einflusse des
allerdings noch nicht selbstständigen Hirnes erfährt, einem Einflusse, der die Sei-
tenwände dieser Furche hier aus einander treibt und bewirkt, daſs überhaupt die
innere Fläche desselben, (der Hintertheil der werdenden Markplatten) die Fleisch-
schicht in der Entwickelung überwiegt und zurückhält. — Die Reihenfolge in

*) Die Wirbelsaite habe ich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens (im er-
sten Theile dieses Werkes) und in der Epistola de ovi mammal. genesi Rückensaite
(Chorda dorsalis) genannt. Ueber den Vorzug der Benennung Wirhelsaite siehe die Vorrede
zum ersten Theile.
**) Ausführlicher über die Wirbelsaite siehe Theil I. S. 15. 125.
***) Vergl. Erster Theil. S. 17. 22. 23.
II. N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="97"/>
sammeln. Die äu&#x017F;sere Begränzung dieser Flüssigkeit ist die Synovialhaut, und eine<lb/>
gemeinschaftliche dunkle Scheide, die über die Knorpel und die Wasserbläschen<lb/>
fortgeht, wird die Knochenhaut. Knorpel und Gelenke bilden sich also durch hi-<lb/>
stologische Sonderung innerhalb einer gleichmä&#x017F;sigen Grundlage. Denselben Vor-<lb/>
gang beobachtet man, wenn auch wegen der geringern Durchsichtigkeit nicht so<lb/>
deutlich, in der Gelenkbildung der obern Theile der Extremität.</p><lb/>
          <p>Was die Reihenfolge in der Ausbildung des Skelettes anlangt, so sehen wir<note place="right">&#x03B2; Reihen-<lb/>
folge in der<lb/>
Ausbildung<lb/>
des Knochen-<lb/>
systems.</note><lb/>
die erste Ansammlung dunklerer Körner früher als irgend eine andere Bildung in<lb/>
der Axe des Embryo, wo sie einen dünnen Faden bilden, den wir <hi rendition="#i">Wirbelsaite</hi><lb/>
(<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Chorda vertebralis</hi></hi>) <note place="foot" n="*)">Die Wirbelsaite habe ich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens (im er-<lb/>
sten Theile dieses Werkes) und in der <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Epistola de ovi mammal. genesi</hi> Rückensaite</hi><lb/>
(<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Chorda dorsalis</hi></hi>) genannt. Ueber den Vorzug der Benennung Wirhelsaite siehe die Vorrede<lb/>
zum ersten Theile.</note> nennen. Die nächste Umgebung (die Scheide der<lb/>
Wirbelsaite) wird dabei hell. Es ist also in der Axe eine histologische Sonderung.<lb/>
Die Wirbelsaite wird dann hell und nimmt allmählig an Dicke zu, bis sie den<lb/>
Durchmesser einer ganz dünnen Darmsaite erreicht, erleidet aber weiter keine<lb/>
Metarmorphose und wird um die Mitte des Embryonenlebens von den um sie her-<lb/>
umwachsenden Wirbelkörpern ganz umschlossen und dadurch zerstört <note place="foot" n="**)">Ausführlicher über die Wirbelsaite siehe Theil I. S. 15. 125.</note>. Bald<lb/>
nachdem die Wirbelsaite entstanden ist, zeigen sich innerhalb der Rückenplatten<lb/>
die Wirbelbogen in zwei getrennten Hälften, also paarige Flecken. Die ersten<lb/>
erscheinen schon am Schlusse des ersten Tages der Bebrütung. Darauf bilden sich<lb/>
die Körner-Häufchen für die Knorpel der untern Bogen und zuletzt für die Knor-<lb/>
pel der Extremitäten. Zugleich ist die Verknorpelung vorn etwas früher als hin-<lb/>
ten, so da&#x017F;s in der Wirbelsäule die Schwanzwirbel später und die hintersten zuletzt<lb/>
sich zeigen, die Knorpel der vordern Extremität früher da sind, als die entspre-<lb/>
chenden Knorpel der hintern. Indessen ist diese Reihenfolge nicht so vollständig,<lb/>
da&#x017F;s die Knorpel des Kopfes sich am frühesten bildeten. Die ersten Wirbelbogen<lb/>
sieht man hinter dem Kopfe in der Gegend, in der auch zuerst die Kämme der<lb/>
Rückenplatten sich an einander legen <note place="foot" n="***)">Vergl. Erster Theil. S. 17. 22. 23.</note>. Beides scheint mir daher zu rühren,<lb/>
da&#x017F;s das vordere Ende der Rückenfurche schon jetzt etwas von dem Einflusse des<lb/>
allerdings noch nicht selbstständigen Hirnes erfährt, einem Einflusse, der die Sei-<lb/>
tenwände dieser Furche hier aus einander treibt und bewirkt, da&#x017F;s überhaupt die<lb/>
innere Fläche desselben, (der Hintertheil der werdenden Markplatten) die Fleisch-<lb/>
schicht in der Entwickelung überwiegt und zurückhält. &#x2014; Die Reihenfolge in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">II.</hi> N</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0107] sammeln. Die äuſsere Begränzung dieser Flüssigkeit ist die Synovialhaut, und eine gemeinschaftliche dunkle Scheide, die über die Knorpel und die Wasserbläschen fortgeht, wird die Knochenhaut. Knorpel und Gelenke bilden sich also durch hi- stologische Sonderung innerhalb einer gleichmäſsigen Grundlage. Denselben Vor- gang beobachtet man, wenn auch wegen der geringern Durchsichtigkeit nicht so deutlich, in der Gelenkbildung der obern Theile der Extremität. Was die Reihenfolge in der Ausbildung des Skelettes anlangt, so sehen wir die erste Ansammlung dunklerer Körner früher als irgend eine andere Bildung in der Axe des Embryo, wo sie einen dünnen Faden bilden, den wir Wirbelsaite (Chorda vertebralis) *) nennen. Die nächste Umgebung (die Scheide der Wirbelsaite) wird dabei hell. Es ist also in der Axe eine histologische Sonderung. Die Wirbelsaite wird dann hell und nimmt allmählig an Dicke zu, bis sie den Durchmesser einer ganz dünnen Darmsaite erreicht, erleidet aber weiter keine Metarmorphose und wird um die Mitte des Embryonenlebens von den um sie her- umwachsenden Wirbelkörpern ganz umschlossen und dadurch zerstört **). Bald nachdem die Wirbelsaite entstanden ist, zeigen sich innerhalb der Rückenplatten die Wirbelbogen in zwei getrennten Hälften, also paarige Flecken. Die ersten erscheinen schon am Schlusse des ersten Tages der Bebrütung. Darauf bilden sich die Körner-Häufchen für die Knorpel der untern Bogen und zuletzt für die Knor- pel der Extremitäten. Zugleich ist die Verknorpelung vorn etwas früher als hin- ten, so daſs in der Wirbelsäule die Schwanzwirbel später und die hintersten zuletzt sich zeigen, die Knorpel der vordern Extremität früher da sind, als die entspre- chenden Knorpel der hintern. Indessen ist diese Reihenfolge nicht so vollständig, daſs die Knorpel des Kopfes sich am frühesten bildeten. Die ersten Wirbelbogen sieht man hinter dem Kopfe in der Gegend, in der auch zuerst die Kämme der Rückenplatten sich an einander legen ***). Beides scheint mir daher zu rühren, daſs das vordere Ende der Rückenfurche schon jetzt etwas von dem Einflusse des allerdings noch nicht selbstständigen Hirnes erfährt, einem Einflusse, der die Sei- tenwände dieser Furche hier aus einander treibt und bewirkt, daſs überhaupt die innere Fläche desselben, (der Hintertheil der werdenden Markplatten) die Fleisch- schicht in der Entwickelung überwiegt und zurückhält. — Die Reihenfolge in β Reihen- folge in der Ausbildung des Knochen- systems. *) Die Wirbelsaite habe ich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens (im er- sten Theile dieses Werkes) und in der Epistola de ovi mammal. genesi Rückensaite (Chorda dorsalis) genannt. Ueber den Vorzug der Benennung Wirhelsaite siehe die Vorrede zum ersten Theile. **) Ausführlicher über die Wirbelsaite siehe Theil I. S. 15. 125. ***) Vergl. Erster Theil. S. 17. 22. 23. II. N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/107
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/107>, abgerufen am 07.05.2024.