Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

bohrenden Bildungsbogen, wie wir diese in Fig. 5. der Taf. III. mit den Pfeilen
x, y angedeutet haben. Von ihnen gilt nicht die Regel, dass die vordern nach
hinten und die hintern nach vorn sich entwickeln (vergl. k. dieses §.). Aber das
allgemeinere Gesetz, von der Centrallinie nach der Schlusslinie fortzurücken,
scheint auch auf sie einzuwirken, wenn auch wegen der ursprünglichen Richtung
dieser Bildungsbogen etwas schwächer, denn die Augen rücken offenbar von der
Axe aus mehr nach der Rückenfläche zu, in schwächerem Masse auch die Ohren,
deren Bildungsbogen schon ursprünglich mehr horizontal ist.

n. Verbin-
dungen zwi-
schen beiden
Haupt-
röhren.

Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Einfluss der ursprünglichen
Bildungsbogen machen vielleicht die wenigen Bildungen, welche beide Haupt-
röhren (Schol. IV. §. 2. a.) mit einander verbinden, wie die Eustachische Röhre,
der Thränenapparat, die Schwimmblase einiger Fische und einige Luftsäcke der
Vögel. Diese scheinen in der That aus einer Hauptröhre in die andere überzu-
gehen. Doch ist ihre Bildungsgeschichte sehr dunkel, und es bleibt für die Unter-
suchung noch eine schöne Aufgabe, zu bestimmen, in welchem Verhältniss ihre
Entwickelung zu den ursprünglichen Bildungsbogen steht.

o. Histolo-
gische Son-
derung.

Ueber die histologische Sonderung habe ich noch weniger zu sagen. Ihre
Wirksamkeit ist fast nur in den Resultaten zu beobachten. Schon oben (§. 2. d.)
bemerkte ich, dass sie in den doppelröhrigen Fundamentalorganen am stärksten
auftritt. Ich habe dort auch bei Gelegenheit der Sonderung in Schichten der
Trennung in Knochen und Muskeln erwähnt, glaube jedoch, dass sie mehr eine
histologische Sonderung ist, was wenigstens für die in Sehnen enthaltenen
Knochen vieler Fische deutlich ist, und auch für die Knochen der Extremitäten.
In höheren Thieren nehmen freilich die Knochen des Stammes eine solche Lage
an, dass sie fast eine innere Schicht für die Muskeln bilden, indessen sprechen
schon die Fortsätze für eine histologische Sonderung. Die Knochenbildung
scheint mir daher eine histologische Sonderung, die nur in der äussern Form sich
an die primäre Sonderung anschliesst.

Dass die Nerven mit Ausschluss der Sinnesnerven sich durch histologische
Sonderung aus der Fleischschicht bilden, obgleich die letztern Hervorstülpungen
aus der Nervenröhre sind, wird wohl schon aus der Ansicht unsrer Fig. 5.
Taf. III.
anschaulich. Wüchsen sie, wie Serres glaubt, von der Peripherie
zum Centrum fort, um endlich das Rückenmark zu erreichen, so würde diese
Entwickelung gegen alle Analogie seyn. Wahrscheinlich treten sie, in ihrer
ganzen Länge auf, wenn die histologische Sonderung weit genug vorgerückt ist,
um ihnen Daseyn zu geben. Dass hierüber die Beobachtung selbst nicht ent-
scheiden lässt, ist schon in der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens ausführ-

bohrenden Bildungsbogen, wie wir diese in Fig. 5. der Taf. III. mit den Pfeilen
x, y angedeutet haben. Von ihnen gilt nicht die Regel, daſs die vordern nach
hinten und die hintern nach vorn sich entwickeln (vergl. k. dieses §.). Aber das
allgemeinere Gesetz, von der Centrallinie nach der Schluſslinie fortzurücken,
scheint auch auf sie einzuwirken, wenn auch wegen der ursprünglichen Richtung
dieser Bildungsbogen etwas schwächer, denn die Augen rücken offenbar von der
Axe aus mehr nach der Rückenfläche zu, in schwächerem Maſse auch die Ohren,
deren Bildungsbogen schon ursprünglich mehr horizontal ist.

n. Verbin-
dungen zwi-
schen beiden
Haupt-
röhren.

Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Einfluſs der ursprünglichen
Bildungsbogen machen vielleicht die wenigen Bildungen, welche beide Haupt-
röhren (Schol. IV. §. 2. a.) mit einander verbinden, wie die Eustachische Röhre,
der Thränenapparat, die Schwimmblase einiger Fische und einige Luftsäcke der
Vögel. Diese scheinen in der That aus einer Hauptröhre in die andere überzu-
gehen. Doch ist ihre Bildungsgeschichte sehr dunkel, und es bleibt für die Unter-
suchung noch eine schöne Aufgabe, zu bestimmen, in welchem Verhältniſs ihre
Entwickelung zu den ursprünglichen Bildungsbogen steht.

o. Histolo-
gische Son-
derung.

Ueber die histologische Sonderung habe ich noch weniger zu sagen. Ihre
Wirksamkeit ist fast nur in den Resultaten zu beobachten. Schon oben (§. 2. d.)
bemerkte ich, daſs sie in den doppelröhrigen Fundamentalorganen am stärksten
auftritt. Ich habe dort auch bei Gelegenheit der Sonderung in Schichten der
Trennung in Knochen und Muskeln erwähnt, glaube jedoch, daſs sie mehr eine
histologische Sonderung ist, was wenigstens für die in Sehnen enthaltenen
Knochen vieler Fische deutlich ist, und auch für die Knochen der Extremitäten.
In höheren Thieren nehmen freilich die Knochen des Stammes eine solche Lage
an, daſs sie fast eine innere Schicht für die Muskeln bilden, indessen sprechen
schon die Fortsätze für eine histologische Sonderung. Die Knochenbildung
scheint mir daher eine histologische Sonderung, die nur in der äuſsern Form sich
an die primäre Sonderung anschlieſst.

Daſs die Nerven mit Ausschluſs der Sinnesnerven sich durch histologische
Sonderung aus der Fleischschicht bilden, obgleich die letztern Hervorstülpungen
aus der Nervenröhre sind, wird wohl schon aus der Ansicht unsrer Fig. 5.
Taf. III.
anschaulich. Wüchsen sie, wie Serres glaubt, von der Peripherie
zum Centrum fort, um endlich das Rückenmark zu erreichen, so würde diese
Entwickelung gegen alle Analogie seyn. Wahrscheinlich treten sie, in ihrer
ganzen Länge auf, wenn die histologische Sonderung weit genug vorgerückt ist,
um ihnen Daseyn zu geben. Daſs hierüber die Beobachtung selbst nicht ent-
scheiden läſst, ist schon in der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens ausführ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0210" n="180"/><hi rendition="#i">bohrenden Bildungsbogen,</hi> wie wir diese in <hi rendition="#i">Fig.</hi> 5. der <hi rendition="#i">Taf. III.</hi> mit den Pfeilen<lb/><hi rendition="#i">x, y</hi> angedeutet haben. Von ihnen gilt nicht die Regel, da&#x017F;s die vordern nach<lb/>
hinten und die hintern nach vorn sich entwickeln (vergl. <hi rendition="#i">k.</hi> dieses §.). Aber das<lb/>
allgemeinere Gesetz, von der Centrallinie nach der Schlu&#x017F;slinie fortzurücken,<lb/>
scheint auch auf sie einzuwirken, wenn auch wegen der ursprünglichen Richtung<lb/>
dieser Bildungsbogen etwas schwächer, denn die Augen rücken offenbar von der<lb/>
Axe aus mehr nach der Rückenfläche zu, in schwächerem Ma&#x017F;se auch die Ohren,<lb/>
deren Bildungsbogen schon ursprünglich mehr horizontal ist.</p><lb/>
            <note place="left"><hi rendition="#i">n.</hi> Verbin-<lb/>
dungen zwi-<lb/>
schen beiden<lb/>
Haupt-<lb/>
röhren.</note>
            <p>Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Einflu&#x017F;s der ursprünglichen<lb/>
Bildungsbogen machen vielleicht die wenigen Bildungen, welche beide Haupt-<lb/>
röhren (Schol. IV. §. 2. <hi rendition="#i">a.</hi>) mit einander verbinden, wie die Eustachische Röhre,<lb/>
der Thränenapparat, die Schwimmblase einiger Fische und einige Luftsäcke der<lb/>
Vögel. Diese scheinen in der That aus einer Hauptröhre in die andere überzu-<lb/>
gehen. Doch ist ihre Bildungsgeschichte sehr dunkel, und es bleibt für die Unter-<lb/>
suchung noch eine schöne Aufgabe, zu bestimmen, in welchem Verhältni&#x017F;s ihre<lb/>
Entwickelung zu den ursprünglichen Bildungsbogen steht.</p><lb/>
            <note place="left"><hi rendition="#i">o.</hi> Histolo-<lb/>
gische Son-<lb/>
derung.</note>
            <p>Ueber die histologische Sonderung habe ich noch weniger zu sagen. Ihre<lb/>
Wirksamkeit ist fast nur in den Resultaten zu beobachten. Schon oben (§. 2. <hi rendition="#i">d.</hi>)<lb/>
bemerkte ich, da&#x017F;s sie in den doppelröhrigen Fundamentalorganen am stärksten<lb/>
auftritt. Ich habe dort auch bei Gelegenheit der Sonderung in Schichten der<lb/>
Trennung in Knochen und Muskeln erwähnt, glaube jedoch, da&#x017F;s sie mehr eine<lb/>
histologische Sonderung ist, was wenigstens für die in Sehnen enthaltenen<lb/>
Knochen vieler Fische deutlich ist, und auch für die Knochen der Extremitäten.<lb/>
In höheren Thieren nehmen freilich die Knochen des Stammes eine solche Lage<lb/>
an, da&#x017F;s sie fast eine innere Schicht für die Muskeln bilden, indessen sprechen<lb/>
schon die Fortsätze für eine histologische Sonderung. Die Knochenbildung<lb/>
scheint mir daher eine histologische Sonderung, die nur in der äu&#x017F;sern Form sich<lb/>
an die primäre Sonderung anschlie&#x017F;st.</p><lb/>
            <p>Da&#x017F;s die Nerven mit Ausschlu&#x017F;s der Sinnesnerven sich durch histologische<lb/>
Sonderung aus der Fleischschicht bilden, obgleich die letztern Hervorstülpungen<lb/>
aus der Nervenröhre sind, wird wohl schon aus der Ansicht unsrer <hi rendition="#i">Fig. 5.<lb/>
Taf. III.</hi> anschaulich. Wüchsen sie, wie <hi rendition="#g">Serres</hi> glaubt, von der Peripherie<lb/>
zum Centrum fort, um endlich das Rückenmark zu erreichen, so würde diese<lb/>
Entwickelung gegen alle Analogie seyn. Wahrscheinlich treten sie, in ihrer<lb/>
ganzen Länge auf, wenn die histologische Sonderung weit genug vorgerückt ist,<lb/>
um ihnen Daseyn zu geben. Da&#x017F;s hierüber die Beobachtung selbst nicht ent-<lb/>
scheiden lä&#x017F;st, ist schon in der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens ausführ-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0210] bohrenden Bildungsbogen, wie wir diese in Fig. 5. der Taf. III. mit den Pfeilen x, y angedeutet haben. Von ihnen gilt nicht die Regel, daſs die vordern nach hinten und die hintern nach vorn sich entwickeln (vergl. k. dieses §.). Aber das allgemeinere Gesetz, von der Centrallinie nach der Schluſslinie fortzurücken, scheint auch auf sie einzuwirken, wenn auch wegen der ursprünglichen Richtung dieser Bildungsbogen etwas schwächer, denn die Augen rücken offenbar von der Axe aus mehr nach der Rückenfläche zu, in schwächerem Maſse auch die Ohren, deren Bildungsbogen schon ursprünglich mehr horizontal ist. Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Einfluſs der ursprünglichen Bildungsbogen machen vielleicht die wenigen Bildungen, welche beide Haupt- röhren (Schol. IV. §. 2. a.) mit einander verbinden, wie die Eustachische Röhre, der Thränenapparat, die Schwimmblase einiger Fische und einige Luftsäcke der Vögel. Diese scheinen in der That aus einer Hauptröhre in die andere überzu- gehen. Doch ist ihre Bildungsgeschichte sehr dunkel, und es bleibt für die Unter- suchung noch eine schöne Aufgabe, zu bestimmen, in welchem Verhältniſs ihre Entwickelung zu den ursprünglichen Bildungsbogen steht. Ueber die histologische Sonderung habe ich noch weniger zu sagen. Ihre Wirksamkeit ist fast nur in den Resultaten zu beobachten. Schon oben (§. 2. d.) bemerkte ich, daſs sie in den doppelröhrigen Fundamentalorganen am stärksten auftritt. Ich habe dort auch bei Gelegenheit der Sonderung in Schichten der Trennung in Knochen und Muskeln erwähnt, glaube jedoch, daſs sie mehr eine histologische Sonderung ist, was wenigstens für die in Sehnen enthaltenen Knochen vieler Fische deutlich ist, und auch für die Knochen der Extremitäten. In höheren Thieren nehmen freilich die Knochen des Stammes eine solche Lage an, daſs sie fast eine innere Schicht für die Muskeln bilden, indessen sprechen schon die Fortsätze für eine histologische Sonderung. Die Knochenbildung scheint mir daher eine histologische Sonderung, die nur in der äuſsern Form sich an die primäre Sonderung anschlieſst. Daſs die Nerven mit Ausschluſs der Sinnesnerven sich durch histologische Sonderung aus der Fleischschicht bilden, obgleich die letztern Hervorstülpungen aus der Nervenröhre sind, wird wohl schon aus der Ansicht unsrer Fig. 5. Taf. III. anschaulich. Wüchsen sie, wie Serres glaubt, von der Peripherie zum Centrum fort, um endlich das Rückenmark zu erreichen, so würde diese Entwickelung gegen alle Analogie seyn. Wahrscheinlich treten sie, in ihrer ganzen Länge auf, wenn die histologische Sonderung weit genug vorgerückt ist, um ihnen Daseyn zu geben. Daſs hierüber die Beobachtung selbst nicht ent- scheiden läſst, ist schon in der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens ausführ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/210
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/210>, abgerufen am 25.11.2024.