Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.neuer Theile von aussen *). Mir ist nichts in lebenden Körpern bekannt, was meine Rich- tung der Aus- bildung. Was endlich die Richtung anlangt, nach welcher die Ausbildung fort- *) Annales des sciences naturelles, Tome XII. Sept.
neuer Theile von auſsen *). Mir ist nichts in lebenden Körpern bekannt, was meine Rich- tung der Aus- bildung. Was endlich die Richtung anlangt, nach welcher die Ausbildung fort- *) Annales des sciences naturelles, Tome XII. Sept.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0188" n="158"/> neuer Theile von auſsen <note place="foot" n="*)">Annales des sciences naturelles, Tome XII. Sept.</note>. Mir ist nichts in lebenden Körpern bekannt, was<lb/> auf diese Ansicht führte, als etwa die Bildung des mütterlichen Theiles der<lb/> Placenta. Hier lagert sich wirklich auf die innere Fläche des Fruchthalters ein<lb/> ausgeschiedener Stoff auf und verwächst, wenigstens in den Thieren, in welchen<lb/> mütterlicher und kindlicher Theil der Placenta zu Einem Körper sich zu ver-<lb/> einigen bestimmt sind, zuvörderst mit dem Fruchthälter. Es scheint auch bei<lb/> Wiederkäuern ein ähnliches Verhältniſs, obgleich kindlicher und mütterlicher<lb/> Theil nie zu einer Einheit werden. Aber es ist wohl zu bemerken, daſs dieser<lb/> Stoff von demselben Theile ausgeschieden wurde und nicht von auſsen hinzuge-<lb/> fügt ist und Blutgefäſse sich in ihn verzweigen. Es ist also hier nur ein über-<lb/> rasches Wachsen, wo der wachsende Theil seine eigene Schranke durchbricht,<lb/> und die Bildung neuen Stoffes schneller ist, als die histologische Differenzirung<lb/> in ihm. Daſs die Horntheile nach den <hi rendition="#g">Serres’s</hi>chen Vorstellungen sich ver-<lb/> gröſsern, ist bekannt, aber eben deshalb hat man ihnen mit Recht das organische<lb/> Wachsthum abgesprochen. — Nach <hi rendition="#g">Serres</hi> beruht also das organische<lb/> Wachsen in Vereinigung von lauter isolirt und neu entstandenen Einzelheiten.<lb/> Wir behaupten dagegen, die Entstehung eines Organes ist wie die Entstehung<lb/> des Embryo nur der Anfang des Wachsthums und das Wachsen eine Fortsetzung<lb/> der Entstehung, die aber nur scheinbar ist und auf <hi rendition="#i">Umbildung</hi> beruht. Ein<lb/> absoluter Anfang ist nirgends bemerklich.</p><lb/> <note place="left"><hi rendition="#i">g.</hi> Allge-<lb/> meine Rich-<lb/> tung der Aus-<lb/> bildung.</note> <p>Was endlich die Richtung anlangt, nach welcher die Ausbildung fort-<lb/> schreitet, so tritt es eben so klar in jedem Momente der Bildung dem Beobachter<lb/> entgegen, daſs sie von der Mitte zur Peripherie fortgeht. Aus dem Innern des<lb/> Eierstockes tritt die ganze Dotterkugel hervor. Aus der Mitte des Dotters tritt<lb/> das Keimbläschen an die Peripherie; aus der Mitte stammt auch vielleicht die<lb/> Masse der ganzen Keimschicht. Aus der Mitte der Keimschicht bildet sich der<lb/> Keim. Die Mitte des Keimes bildet sich zuerst als Fruchthof zur Erzeugung des<lb/> Embryo vor. Aus der Mitte des Fruchthofes bildet sich der Embryo, erst all-<lb/> mählig einen Theil der Peripherie in seinen Leib umwandelnd. Was vom<lb/> Embryo zuerst da ist, ist recht eigentlich seine Mitte, von wo aus die Bildung<lb/> nach allen Seiten fortschreitet. Wenn sich Rücken- und Bauchhöhle später<lb/> durch Verwachsung von den Seiten her schlieſsen, so ist das nur eine Ver-<lb/> wachsung in peripherischen Theilen; denn die Kämme der Rückenplatten und<lb/> die untern Ränder der Bauchplatten sind ihrem Wesen nach peripherische Theile.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0188]
neuer Theile von auſsen *). Mir ist nichts in lebenden Körpern bekannt, was
auf diese Ansicht führte, als etwa die Bildung des mütterlichen Theiles der
Placenta. Hier lagert sich wirklich auf die innere Fläche des Fruchthalters ein
ausgeschiedener Stoff auf und verwächst, wenigstens in den Thieren, in welchen
mütterlicher und kindlicher Theil der Placenta zu Einem Körper sich zu ver-
einigen bestimmt sind, zuvörderst mit dem Fruchthälter. Es scheint auch bei
Wiederkäuern ein ähnliches Verhältniſs, obgleich kindlicher und mütterlicher
Theil nie zu einer Einheit werden. Aber es ist wohl zu bemerken, daſs dieser
Stoff von demselben Theile ausgeschieden wurde und nicht von auſsen hinzuge-
fügt ist und Blutgefäſse sich in ihn verzweigen. Es ist also hier nur ein über-
rasches Wachsen, wo der wachsende Theil seine eigene Schranke durchbricht,
und die Bildung neuen Stoffes schneller ist, als die histologische Differenzirung
in ihm. Daſs die Horntheile nach den Serres’schen Vorstellungen sich ver-
gröſsern, ist bekannt, aber eben deshalb hat man ihnen mit Recht das organische
Wachsthum abgesprochen. — Nach Serres beruht also das organische
Wachsen in Vereinigung von lauter isolirt und neu entstandenen Einzelheiten.
Wir behaupten dagegen, die Entstehung eines Organes ist wie die Entstehung
des Embryo nur der Anfang des Wachsthums und das Wachsen eine Fortsetzung
der Entstehung, die aber nur scheinbar ist und auf Umbildung beruht. Ein
absoluter Anfang ist nirgends bemerklich.
Was endlich die Richtung anlangt, nach welcher die Ausbildung fort-
schreitet, so tritt es eben so klar in jedem Momente der Bildung dem Beobachter
entgegen, daſs sie von der Mitte zur Peripherie fortgeht. Aus dem Innern des
Eierstockes tritt die ganze Dotterkugel hervor. Aus der Mitte des Dotters tritt
das Keimbläschen an die Peripherie; aus der Mitte stammt auch vielleicht die
Masse der ganzen Keimschicht. Aus der Mitte der Keimschicht bildet sich der
Keim. Die Mitte des Keimes bildet sich zuerst als Fruchthof zur Erzeugung des
Embryo vor. Aus der Mitte des Fruchthofes bildet sich der Embryo, erst all-
mählig einen Theil der Peripherie in seinen Leib umwandelnd. Was vom
Embryo zuerst da ist, ist recht eigentlich seine Mitte, von wo aus die Bildung
nach allen Seiten fortschreitet. Wenn sich Rücken- und Bauchhöhle später
durch Verwachsung von den Seiten her schlieſsen, so ist das nur eine Ver-
wachsung in peripherischen Theilen; denn die Kämme der Rückenplatten und
die untern Ränder der Bauchplatten sind ihrem Wesen nach peripherische Theile.
*) Annales des sciences naturelles, Tome XII. Sept.
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