trikel des grossen Hirnes in diesem Zeitabschnitte gewinnen, blos dadurch entsteht, dass die hintern Schenkel des Gewölbes aus einander gezogen werden, oder ob wirklich ein Theil der Hirnwand aufreisst, kann ich leider nicht mit Bestimmt- heit entscheiden. Am achten Tage und am Anfange des neunten sind die Ventri- kel noch überall geschlossen. Am 10ten Tage schien mir aber in der That der hintere Uebergang der Scheidewand in der Decke jedes Ventrikels auch bei dem vorsichtigsten Abtrennen der Hirnhaut eine Lücke in der Continuität, von schar- fen Rändern umgeben, zu offenbaren. Es ist aber äusserst schwer hierüber mit Bestimmtheit zu entscheiden, da die Scheidewand um diese Zeit nach oben über- aus dünn ist und die Analogie des Amphibienhirnes dagegen spricht.
Indem das grosse Hirn und die Blase der dritten Hirnhöhle sich näher zu- sammenschieben, vergrössern und erheben sich die Sehhügel ansehnlich. -- Von ihnen sieht man einen erhabenen, breiten Streifen, der nach aussen um den Hirnschenkel herum nach unten verläuft, hervortreten, eine deutlich gefaserte Structur annehmen, mit dem gleichnamigen Streifen der andern Seite sich ver- binden, zum Theil kreuzen und in die Sehnerven übergehen. Der Streifen ist also der Sehnervenstreifen, der die Sehnerven mit dem Sehhügel und der Vier- hügelhälfte jeder Seite in Verbindung setzt. Früher war namentlich der letzte Theil weit von den Sehnerven entfernt, und ein Zusammenhang nicht anders als durch fremdartige Theile zu erkennen. Jetzt aber sind die Vierhügel ziemlich dicht an die Sehhügel gerückt. Der Sehnervenstreifen ist aber auch nicht etwas ganz Neues, das sich zwischen zwei Theile hinein lagert, sondern eine Ausbil- dung der äussern Wand der Hirnbasis, und schon am siebenten Tage glaubte ich, durch die spätere Form aufmerksam gemacht, eine überaus schwache Erhebung zu erkennen. Der Boden der dritten Hirnhöhle führt in den Trichter, an dem ich nur bemerkte, dass sein knopfförmiger Anhang deutlicher vom Trichter ge- schieden und von einer Grube des werdenden Keilbeines enger umfasst wird. Die Sehnervengrube füllt sich in diesen Tagen auch allmählig aus und man er- kennt keine Eingänge in die Sehnerven mehr. Ich habe schon früher bemerkt (§. 8. v.), dass beide Eingänge der Sehnerven sich näherten und endlich in die Spitze der Grube zusammenrückten (§. 9. o.). Jetzt ist gar kein Eingang mehr und die Nerven sind gekreuzt. Um sich deutlich zu machen, wie die Sehnerven vorher nicht gekreuzt sind, nachher aber gekreuzt, ohne doch jemals ihren Ur- sprung oder ihr Ende zu verändern, erinnere man sich an das Verhältniss der Seh- nerven, wie es am vierten und fünften Tage ist. Jeder Nerve hat seinen beson- dern hohlen Eingang an der Seitenwand einer trichterförmigen Grube. Man denke sich nun, dass jeder Sehnerve sich verlängert, indem er sich immer mehr
trikel des groſsen Hirnes in diesem Zeitabschnitte gewinnen, blos dadurch entsteht, daſs die hintern Schenkel des Gewölbes aus einander gezogen werden, oder ob wirklich ein Theil der Hirnwand aufreiſst, kann ich leider nicht mit Bestimmt- heit entscheiden. Am achten Tage und am Anfange des neunten sind die Ventri- kel noch überall geschlossen. Am 10ten Tage schien mir aber in der That der hintere Uebergang der Scheidewand in der Decke jedes Ventrikels auch bei dem vorsichtigsten Abtrennen der Hirnhaut eine Lücke in der Continuität, von schar- fen Rändern umgeben, zu offenbaren. Es ist aber äuſserst schwer hierüber mit Bestimmtheit zu entscheiden, da die Scheidewand um diese Zeit nach oben über- aus dünn ist und die Analogie des Amphibienhirnes dagegen spricht.
Indem das groſse Hirn und die Blase der dritten Hirnhöhle sich näher zu- sammenschieben, vergröſsern und erheben sich die Sehhügel ansehnlich. — Von ihnen sieht man einen erhabenen, breiten Streifen, der nach auſsen um den Hirnschenkel herum nach unten verläuft, hervortreten, eine deutlich gefaserte Structur annehmen, mit dem gleichnamigen Streifen der andern Seite sich ver- binden, zum Theil kreuzen und in die Sehnerven übergehen. Der Streifen ist also der Sehnervenstreifen, der die Sehnerven mit dem Sehhügel und der Vier- hügelhälfte jeder Seite in Verbindung setzt. Früher war namentlich der letzte Theil weit von den Sehnerven entfernt, und ein Zusammenhang nicht anders als durch fremdartige Theile zu erkennen. Jetzt aber sind die Vierhügel ziemlich dicht an die Sehhügel gerückt. Der Sehnervenstreifen ist aber auch nicht etwas ganz Neues, das sich zwischen zwei Theile hinein lagert, sondern eine Ausbil- dung der äuſsern Wand der Hirnbasis, und schon am siebenten Tage glaubte ich, durch die spätere Form aufmerksam gemacht, eine überaus schwache Erhebung zu erkennen. Der Boden der dritten Hirnhöhle führt in den Trichter, an dem ich nur bemerkte, daſs sein knopfförmiger Anhang deutlicher vom Trichter ge- schieden und von einer Grube des werdenden Keilbeines enger umfaſst wird. Die Sehnervengrube füllt sich in diesen Tagen auch allmählig aus und man er- kennt keine Eingänge in die Sehnerven mehr. Ich habe schon früher bemerkt (§. 8. v.), daſs beide Eingänge der Sehnerven sich näherten und endlich in die Spitze der Grube zusammenrückten (§. 9. o.). Jetzt ist gar kein Eingang mehr und die Nerven sind gekreuzt. Um sich deutlich zu machen, wie die Sehnerven vorher nicht gekreuzt sind, nachher aber gekreuzt, ohne doch jemals ihren Ur- sprung oder ihr Ende zu verändern, erinnere man sich an das Verhältniſs der Seh- nerven, wie es am vierten und fünften Tage ist. Jeder Nerve hat seinen beson- dern hohlen Eingang an der Seitenwand einer trichterförmigen Grube. Man denke sich nun, daſs jeder Sehnerve sich verlängert, indem er sich immer mehr
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trikel des groſsen Hirnes in diesem Zeitabschnitte gewinnen, blos dadurch entsteht,
daſs die hintern Schenkel des Gewölbes aus einander gezogen werden, oder ob
wirklich ein Theil der Hirnwand aufreiſst, kann ich leider nicht mit Bestimmt-
heit entscheiden. Am achten Tage und am Anfange des neunten sind die Ventri-
kel noch überall geschlossen. Am 10ten Tage schien mir aber in der That der
hintere Uebergang der Scheidewand in der Decke jedes Ventrikels auch bei dem
vorsichtigsten Abtrennen der Hirnhaut eine Lücke in der Continuität, von schar-
fen Rändern umgeben, zu offenbaren. Es ist aber äuſserst schwer hierüber mit
Bestimmtheit zu entscheiden, da die Scheidewand um diese Zeit nach oben über-
aus dünn ist und die Analogie des Amphibienhirnes dagegen spricht.
Indem das groſse Hirn und die Blase der dritten Hirnhöhle sich näher zu-
sammenschieben, vergröſsern und erheben sich die Sehhügel ansehnlich. —
Von ihnen sieht man einen erhabenen, breiten Streifen, der nach auſsen um den
Hirnschenkel herum nach unten verläuft, hervortreten, eine deutlich gefaserte
Structur annehmen, mit dem gleichnamigen Streifen der andern Seite sich ver-
binden, zum Theil kreuzen und in die Sehnerven übergehen. Der Streifen ist
also der Sehnervenstreifen, der die Sehnerven mit dem Sehhügel und der Vier-
hügelhälfte jeder Seite in Verbindung setzt. Früher war namentlich der letzte
Theil weit von den Sehnerven entfernt, und ein Zusammenhang nicht anders als
durch fremdartige Theile zu erkennen. Jetzt aber sind die Vierhügel ziemlich
dicht an die Sehhügel gerückt. Der Sehnervenstreifen ist aber auch nicht etwas
ganz Neues, das sich zwischen zwei Theile hinein lagert, sondern eine Ausbil-
dung der äuſsern Wand der Hirnbasis, und schon am siebenten Tage glaubte ich,
durch die spätere Form aufmerksam gemacht, eine überaus schwache Erhebung
zu erkennen. Der Boden der dritten Hirnhöhle führt in den Trichter, an dem
ich nur bemerkte, daſs sein knopfförmiger Anhang deutlicher vom Trichter ge-
schieden und von einer Grube des werdenden Keilbeines enger umfaſst wird.
Die Sehnervengrube füllt sich in diesen Tagen auch allmählig aus und man er-
kennt keine Eingänge in die Sehnerven mehr. Ich habe schon früher bemerkt
(§. 8. v.), daſs beide Eingänge der Sehnerven sich näherten und endlich in die
Spitze der Grube zusammenrückten (§. 9. o.). Jetzt ist gar kein Eingang mehr
und die Nerven sind gekreuzt. Um sich deutlich zu machen, wie die Sehnerven
vorher nicht gekreuzt sind, nachher aber gekreuzt, ohne doch jemals ihren Ur-
sprung oder ihr Ende zu verändern, erinnere man sich an das Verhältniſs der Seh-
nerven, wie es am vierten und fünften Tage ist. Jeder Nerve hat seinen beson-
dern hohlen Eingang an der Seitenwand einer trichterförmigen Grube. Man
denke sich nun, daſs jeder Sehnerve sich verlängert, indem er sich immer mehr
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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