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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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jetzt aus den Augen verlieren, weil das Phänomen dadurch wenigstens für die Dar-
stellung sehr complicirt wird. Indessen machen wir darauf aufmerksam, wie
eben durch den Umstand, dass beide Ströme, nachdem sie sich kreuzend aus ein-
ander gefahren sind, wieder sich gegen einander richten müssen, das knollenar-
tige Ansehen der Aortenzwiebel entsteht, welches dieselbe am Ende des vierten
und im Anfange des fünften Tages auszeichnet. Diese Anschwellung ist eine Folge
der seitlichen Erweiterung der innern Höhle, und wächst allmählig von hinten
nach vorn. Sie ist etwas weniger auffallend am Ende des fünften Tages, weil die
Ausdehnung bis in das vordere Ende sich erstreckt hat.

Nachdem also die innere Höhlung am vierten Tage zu einer gedrehten
Spalte ausgefurcht war, und die beiden Blutströme in den Winkeln dieser Spalte
hinschiessen, drängt sich in die unausgefüllte Mitte der Spalte das benachbarte
Bildungsgewebe hinein, und aus der gedachten Spalte werden zwei spiralförmig
um einander sich windende Kanäle. Die Scheidewand zwischen beiden ist noch
schmal.

Wir sahen am Schlusse des vorigen Tages vier Gefässbogen, von denen dieq. Kiemen-
apparat.

beiden mittlern die stärksten waren. Der vordere (ursprünglich der zweite Bo-
gen) wird am fünften Tage immer schwächer, und ist bald nicht mehr zu erken-
nen. Die hintersten Bogen, die am vorigen Tage noch sehr schwach waren, wer-
den stärker, jedoch der linke nie so stark, als der rechte. Man sieht daher auf
der rechten Seite drei starke Gefässbogen, auf der linken Seite auf den ersten An-
blick oft nur zwei; den dritten erkennt man nur bei einiger Aufmerksamkeit.

Die ehemalige erste Kiemenspalte wird unterdessen ganz unkenntlich: die
vierte oder hinterste Spalte bleibt nur klein und ist mehr rundlich, als die andern.
Gegen Ende des fünften Tages verschliessen sich die beiden hintersten Spalten.
Etwas länger besteht die ursprünglich zweite Spalte; obgleich sie von dem immer
mehr sich vergrössernden und nach hinten sich richtenden Lappen, den Rathke
Kiemendeckel nennt, überdeckt wird, so ist sie doch, wenn derselbe aufgehoben
wird, noch am Schlusse dieses Tages deutlich. Auch die hintern Spalten sind,
ehe sie verwachsen, etwas schief gestellt, so dass man die Kiemenbogen ein we-
nig nach vorn schieben muss, um sie zu sehen. Es ist, als ob die Kiemenbogen
durch die Gefässbogen nach hinten gezogen würden. Der ehemalige erste Kie-
menbogen verdickt sich aber sehr, und hebt sich aus der Ebene der übrigen Kie-
menbogen sehr merklich hervor. Eben dadurch wird nun auch der Kiemendek-
kel, der jetzt mit ihm verwachsen ist, flacher gestellt. Der erste Kiemenbogen
ist nämlich in der Umwandlung zum Unterkiefer begriffen. Dieser besteht also
nie aus zwei getrennten Hälften, sondern hat in der Mitte den fünften Tag hin-

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jetzt aus den Augen verlieren, weil das Phänomen dadurch wenigstens für die Dar-
stellung sehr complicirt wird. Indessen machen wir darauf aufmerksam, wie
eben durch den Umstand, daſs beide Ströme, nachdem sie sich kreuzend aus ein-
ander gefahren sind, wieder sich gegen einander richten müssen, das knollenar-
tige Ansehen der Aortenzwiebel entsteht, welches dieselbe am Ende des vierten
und im Anfange des fünften Tages auszeichnet. Diese Anschwellung ist eine Folge
der seitlichen Erweiterung der innern Höhle, und wächst allmählig von hinten
nach vorn. Sie ist etwas weniger auffallend am Ende des fünften Tages, weil die
Ausdehnung bis in das vordere Ende sich erstreckt hat.

Nachdem also die innere Höhlung am vierten Tage zu einer gedrehten
Spalte ausgefurcht war, und die beiden Blutströme in den Winkeln dieser Spalte
hinschieſsen, drängt sich in die unausgefüllte Mitte der Spalte das benachbarte
Bildungsgewebe hinein, und aus der gedachten Spalte werden zwei spiralförmig
um einander sich windende Kanäle. Die Scheidewand zwischen beiden ist noch
schmal.

Wir sahen am Schlusse des vorigen Tages vier Gefäſsbogen, von denen dieq. Kiemen-
apparat.

beiden mittlern die stärksten waren. Der vordere (ursprünglich der zweite Bo-
gen) wird am fünften Tage immer schwächer, und ist bald nicht mehr zu erken-
nen. Die hintersten Bogen, die am vorigen Tage noch sehr schwach waren, wer-
den stärker, jedoch der linke nie so stark, als der rechte. Man sieht daher auf
der rechten Seite drei starke Gefäſsbogen, auf der linken Seite auf den ersten An-
blick oft nur zwei; den dritten erkennt man nur bei einiger Aufmerksamkeit.

Die ehemalige erste Kiemenspalte wird unterdessen ganz unkenntlich: die
vierte oder hinterste Spalte bleibt nur klein und ist mehr rundlich, als die andern.
Gegen Ende des fünften Tages verschlieſsen sich die beiden hintersten Spalten.
Etwas länger besteht die ursprünglich zweite Spalte; obgleich sie von dem immer
mehr sich vergröſsernden und nach hinten sich richtenden Lappen, den Rathke
Kiemendeckel nennt, überdeckt wird, so ist sie doch, wenn derselbe aufgehoben
wird, noch am Schlusse dieses Tages deutlich. Auch die hintern Spalten sind,
ehe sie verwachsen, etwas schief gestellt, so daſs man die Kiemenbogen ein we-
nig nach vorn schieben muſs, um sie zu sehen. Es ist, als ob die Kiemenbogen
durch die Gefäſsbogen nach hinten gezogen würden. Der ehemalige erste Kie-
menbogen verdickt sich aber sehr, und hebt sich aus der Ebene der übrigen Kie-
menbogen sehr merklich hervor. Eben dadurch wird nun auch der Kiemendek-
kel, der jetzt mit ihm verwachsen ist, flacher gestellt. Der erste Kiemenbogen
ist nämlich in der Umwandlung zum Unterkiefer begriffen. Dieser besteht also
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[83/0113] jetzt aus den Augen verlieren, weil das Phänomen dadurch wenigstens für die Dar- stellung sehr complicirt wird. Indessen machen wir darauf aufmerksam, wie eben durch den Umstand, daſs beide Ströme, nachdem sie sich kreuzend aus ein- ander gefahren sind, wieder sich gegen einander richten müssen, das knollenar- tige Ansehen der Aortenzwiebel entsteht, welches dieselbe am Ende des vierten und im Anfange des fünften Tages auszeichnet. Diese Anschwellung ist eine Folge der seitlichen Erweiterung der innern Höhle, und wächst allmählig von hinten nach vorn. Sie ist etwas weniger auffallend am Ende des fünften Tages, weil die Ausdehnung bis in das vordere Ende sich erstreckt hat. Nachdem also die innere Höhlung am vierten Tage zu einer gedrehten Spalte ausgefurcht war, und die beiden Blutströme in den Winkeln dieser Spalte hinschieſsen, drängt sich in die unausgefüllte Mitte der Spalte das benachbarte Bildungsgewebe hinein, und aus der gedachten Spalte werden zwei spiralförmig um einander sich windende Kanäle. Die Scheidewand zwischen beiden ist noch schmal. Wir sahen am Schlusse des vorigen Tages vier Gefäſsbogen, von denen die beiden mittlern die stärksten waren. Der vordere (ursprünglich der zweite Bo- gen) wird am fünften Tage immer schwächer, und ist bald nicht mehr zu erken- nen. Die hintersten Bogen, die am vorigen Tage noch sehr schwach waren, wer- den stärker, jedoch der linke nie so stark, als der rechte. Man sieht daher auf der rechten Seite drei starke Gefäſsbogen, auf der linken Seite auf den ersten An- blick oft nur zwei; den dritten erkennt man nur bei einiger Aufmerksamkeit. q. Kiemen- apparat. Die ehemalige erste Kiemenspalte wird unterdessen ganz unkenntlich: die vierte oder hinterste Spalte bleibt nur klein und ist mehr rundlich, als die andern. Gegen Ende des fünften Tages verschlieſsen sich die beiden hintersten Spalten. Etwas länger besteht die ursprünglich zweite Spalte; obgleich sie von dem immer mehr sich vergröſsernden und nach hinten sich richtenden Lappen, den Rathke Kiemendeckel nennt, überdeckt wird, so ist sie doch, wenn derselbe aufgehoben wird, noch am Schlusse dieses Tages deutlich. Auch die hintern Spalten sind, ehe sie verwachsen, etwas schief gestellt, so daſs man die Kiemenbogen ein we- nig nach vorn schieben muſs, um sie zu sehen. Es ist, als ob die Kiemenbogen durch die Gefäſsbogen nach hinten gezogen würden. Der ehemalige erste Kie- menbogen verdickt sich aber sehr, und hebt sich aus der Ebene der übrigen Kie- menbogen sehr merklich hervor. Eben dadurch wird nun auch der Kiemendek- kel, der jetzt mit ihm verwachsen ist, flacher gestellt. Der erste Kiemenbogen ist nämlich in der Umwandlung zum Unterkiefer begriffen. Dieser besteht also nie aus zwei getrennten Hälften, sondern hat in der Mitte den fünften Tag hin- L 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/113>, abgerufen am 24.11.2024.