Das Schöne der Mannigfaltigkeit empfindet man auch bey der Fantasie. Bey der letztern müssen allerhand Figu- ren, und alle Arten des guten Vortrages vorkommen. Lauter Laufwerk, nichts als ausgehaltene, oder gebrochene vollstimmige Griffe ermüden das Ohr. Die Leidenschaften werden dadurch weder erreget, noch gestillet, wozu doch eigentlich eine Fantasie vorzüglich solte gebrauchet werden. Durch die Brechungen darf man nicht zu hurtig, noch zu ungleich (a) von einer Harmonie zur andern schreiten. Blos bey chromatischen Gängen leidet diese Vorschrift zuweilen mit guter Wirkung einige Ausnahme. Man muß nicht beständig in einerley Farbe die Harmonie brechen. Ausserdem kann man zuweilen mit beyden Händen aus der Tiefe in die Höhe gehen; man kann dieses auch blos mit der vollen linken Hand thun, indem man die rechte in ihrer Lage läßt. Diese Art des Vortrages ist auf den Flügeln gut, es entstehet daraus eine angenehme Abwechselung eines gekünstelten Forte und Piano. Wer die Geschicklichkeit besitzet, thut wohl, wenn er nicht beständig gar zu natürliche Harmonien brauchet, sondern das Ohr zuweilen betrüget: wo aber die Kräfte nicht so weit hinreichen, so muß eine verschiedene und gute Ausführung in allerhand Figuren diejenige Harmonie angenehm machen, welche
durch
Ein und vierzigſtes Capitel.
[Abbildung]
§. 12.
Das Schöne der Mannigfaltigkeit empfindet man auch bey der Fantaſie. Bey der letztern müſſen allerhand Figu- ren, und alle Arten des guten Vortrages vorkommen. Lauter Laufwerk, nichts als ausgehaltene, oder gebrochene vollſtimmige Griffe ermüden das Ohr. Die Leidenſchaften werden dadurch weder erreget, noch geſtillet, wozu doch eigentlich eine Fantaſie vorzüglich ſolte gebrauchet werden. Durch die Brechungen darf man nicht zu hurtig, noch zu ungleich (a) von einer Harmonie zur andern ſchreiten. Blos bey chromatiſchen Gängen leidet dieſe Vorſchrift zuweilen mit guter Wirkung einige Ausnahme. Man muß nicht beſtändig in einerley Farbe die Harmonie brechen. Auſſerdem kann man zuweilen mit beyden Händen aus der Tiefe in die Höhe gehen; man kann dieſes auch blos mit der vollen linken Hand thun, indem man die rechte in ihrer Lage läßt. Dieſe Art des Vortrages iſt auf den Flügeln gut, es entſtehet daraus eine angenehme Abwechſelung eines gekünſtelten Forte und Piano. Wer die Geſchicklichkeit beſitzet, thut wohl, wenn er nicht beſtändig gar zu natürliche Harmonien brauchet, ſondern das Ohr zuweilen betrüget: wo aber die Kräfte nicht ſo weit hinreichen, ſo muß eine verſchiedene und gute Ausführung in allerhand Figuren diejenige Harmonie angenehm machen, welche
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Ein und vierzigſtes Capitel.
[Abbildung]
§. 12. Das Schöne der Mannigfaltigkeit empfindet man
auch bey der Fantaſie. Bey der letztern müſſen allerhand Figu-
ren, und alle Arten des guten Vortrages vorkommen. Lauter
Laufwerk, nichts als ausgehaltene, oder gebrochene vollſtimmige
Griffe ermüden das Ohr. Die Leidenſchaften werden dadurch
weder erreget, noch geſtillet, wozu doch eigentlich eine Fantaſie
vorzüglich ſolte gebrauchet werden. Durch die Brechungen darf
man nicht zu hurtig, noch zu ungleich (a) von einer Harmonie
zur andern ſchreiten. Blos bey chromatiſchen Gängen leidet dieſe
Vorſchrift zuweilen mit guter Wirkung einige Ausnahme. Man
muß nicht beſtändig in einerley Farbe die Harmonie brechen.
Auſſerdem kann man zuweilen mit beyden Händen aus der Tiefe
in die Höhe gehen; man kann dieſes auch blos mit der vollen
linken Hand thun, indem man die rechte in ihrer Lage läßt.
Dieſe Art des Vortrages iſt auf den Flügeln gut, es entſtehet
daraus eine angenehme Abwechſelung eines gekünſtelten Forte und
Piano. Wer die Geſchicklichkeit beſitzet, thut wohl, wenn er
nicht beſtändig gar zu natürliche Harmonien brauchet, ſondern
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allerhand Figuren diejenige Harmonie angenehm machen, welche
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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/346>, abgerufen am 23.11.2024.
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