Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Baßthema.
verstecken. Die Modulation darf nicht ausschweifen. Die Cadenzen
und Einschnitte müssen baßmäßig seyn, wenigstens müssen die letzteren
eine natürliche Harmonie über sich vertragen. Die Vorschläge
müssen in der Grundstimme mit grosser Behutsamkeit gebrauchet wer-
den, damit sie das Fliessende der Harmonie nicht stöhren; ausserdem
überlässet man diese und andere Schönheiten des Gesanges lieber
der Hauptstimme, welche zu sehr eingeschränkt seyn würde, wenn
der Baß an allen diesen Zierden gleichen Antheil nehmen wolte.
Statt dessen müssen die Grundnoten eine Harmonie mit vielen
und guten Bindungen bey sich haben, damit darüber eine sang-
bare Hauptstimme gebauet werden könne. Die Gänge, wobey
viele Septimen-Quintquarten-Sextquinten- und Nonenaccorde
vorkommen, sind besonders vorzüglich, wie wir aus folgenden
simplen Grundnoten sehen:
[Abbildung]

§. 2.

Bey der Einrichtung eines Baßthema können es
gewisse Componisten gar leicht auf zweyerley Art versehen: zu-
weilen wollen sie dabey ihren guten Gesang auf einmal, und zur
Unzeit ausschütten; sie schreiben also eine gute Melodie hin, welche
jung und ohne Grundnoten ist, und zu welcher sich allenfalls

ein
S s 2

Vom Baßthema.
verſtecken. Die Modulation darf nicht ausſchweifen. Die Cadenzen
und Einſchnitte müſſen baßmäßig ſeyn, wenigſtens müſſen die letzteren
eine natürliche Harmonie über ſich vertragen. Die Vorſchläge
müſſen in der Grundſtimme mit groſſer Behutſamkeit gebrauchet wer-
den, damit ſie das Flieſſende der Harmonie nicht ſtöhren; auſſerdem
überläſſet man dieſe und andere Schönheiten des Geſanges lieber
der Hauptſtimme, welche zu ſehr eingeſchränkt ſeyn würde, wenn
der Baß an allen dieſen Zierden gleichen Antheil nehmen wolte.
Statt deſſen müſſen die Grundnoten eine Harmonie mit vielen
und guten Bindungen bey ſich haben, damit darüber eine ſang-
bare Hauptſtimme gebauet werden könne. Die Gänge, wobey
viele Septimen-Quintquarten-Sextquinten- und Nonenaccorde
vorkommen, ſind beſonders vorzüglich, wie wir aus folgenden
ſimplen Grundnoten ſehen:
[Abbildung]

§. 2.

Bey der Einrichtung eines Baßthema können es
gewiſſe Componiſten gar leicht auf zweyerley Art verſehen: zu-
weilen wollen ſie dabey ihren guten Geſang auf einmal, und zur
Unzeit ausſchütten; ſie ſchreiben alſo eine gute Melodie hin, welche
jung und ohne Grundnoten iſt, und zu welcher ſich allenfalls

ein
S s 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="323"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Baßthema.</hi></fw><lb/>
ver&#x017F;tecken. Die Modulation darf nicht aus&#x017F;chweifen. Die Cadenzen<lb/>
und Ein&#x017F;chnitte mü&#x017F;&#x017F;en baßmäßig &#x017F;eyn, wenig&#x017F;tens mü&#x017F;&#x017F;en die letzteren<lb/>
eine natürliche Harmonie über &#x017F;ich vertragen. Die Vor&#x017F;chläge<lb/>&#x017F;&#x017F;en in der Grund&#x017F;timme mit gro&#x017F;&#x017F;er Behut&#x017F;amkeit gebrauchet wer-<lb/>
den, damit &#x017F;ie das Flie&#x017F;&#x017F;ende der Harmonie nicht &#x017F;töhren; au&#x017F;&#x017F;erdem<lb/>
überlä&#x017F;&#x017F;et man die&#x017F;e und andere Schönheiten des Ge&#x017F;anges lieber<lb/>
der Haupt&#x017F;timme, welche zu &#x017F;ehr einge&#x017F;chränkt &#x017F;eyn würde, wenn<lb/>
der Baß an allen die&#x017F;en Zierden gleichen Antheil nehmen wolte.<lb/>
Statt de&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en die Grundnoten eine Harmonie mit vielen<lb/>
und guten Bindungen bey &#x017F;ich haben, damit darüber eine &#x017F;ang-<lb/>
bare Haupt&#x017F;timme gebauet werden könne. Die Gänge, wobey<lb/>
viele Septimen-Quintquarten-Sextquinten- und Nonenaccorde<lb/>
vorkommen, &#x017F;ind be&#x017F;onders vorzüglich, wie wir aus folgenden<lb/>
&#x017F;implen Grundnoten &#x017F;ehen:<lb/><figure/></p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>§. 2.</head>
          <p>Bey der Einrichtung eines Baßthema können es<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Componi&#x017F;ten gar leicht auf zweyerley Art ver&#x017F;ehen: zu-<lb/>
weilen wollen &#x017F;ie dabey ihren guten Ge&#x017F;ang auf einmal, und zur<lb/>
Unzeit aus&#x017F;chütten; &#x017F;ie &#x017F;chreiben al&#x017F;o eine gute Melodie hin, welche<lb/>
jung und ohne Grundnoten i&#x017F;t, und zu welcher &#x017F;ich allenfalls<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0333] Vom Baßthema. verſtecken. Die Modulation darf nicht ausſchweifen. Die Cadenzen und Einſchnitte müſſen baßmäßig ſeyn, wenigſtens müſſen die letzteren eine natürliche Harmonie über ſich vertragen. Die Vorſchläge müſſen in der Grundſtimme mit groſſer Behutſamkeit gebrauchet wer- den, damit ſie das Flieſſende der Harmonie nicht ſtöhren; auſſerdem überläſſet man dieſe und andere Schönheiten des Geſanges lieber der Hauptſtimme, welche zu ſehr eingeſchränkt ſeyn würde, wenn der Baß an allen dieſen Zierden gleichen Antheil nehmen wolte. Statt deſſen müſſen die Grundnoten eine Harmonie mit vielen und guten Bindungen bey ſich haben, damit darüber eine ſang- bare Hauptſtimme gebauet werden könne. Die Gänge, wobey viele Septimen-Quintquarten-Sextquinten- und Nonenaccorde vorkommen, ſind beſonders vorzüglich, wie wir aus folgenden ſimplen Grundnoten ſehen: [Abbildung] §. 2. Bey der Einrichtung eines Baßthema können es gewiſſe Componiſten gar leicht auf zweyerley Art verſehen: zu- weilen wollen ſie dabey ihren guten Geſang auf einmal, und zur Unzeit ausſchütten; ſie ſchreiben alſo eine gute Melodie hin, welche jung und ohne Grundnoten iſt, und zu welcher ſich allenfalls ein S s 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/333
Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/333>, abgerufen am 03.12.2024.