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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Sechs und dreyßigstes Capitel.
§. 2.

Man hat zwar einige Regeln, die durchgehenden
Noten zu erkennen: sie sind aber auch nicht immer zuverläßig.
Da man also auf diese Regeln nicht allezeit sicher bauen kann,
da sich die durchgehenden Noten nicht allezeit gewiß errathen
lassen, und da man weiß, daß es ungleich mehr schlechte als gute
Begleiter giebet: so handelt man durch eine genaue Andeutung
am sichersten, und thut allenfalls lieber zu viel, als zu wenig.
Ein guter Accompagnist lässet sich durch einige überflüßige Queer-
striche nicht verwirren, und einem Anfänger ist dadurch sehr ge-
holfen. Man muß den Franzosen die Gerechtigkeit wiederfahren
lassen, daß sie ihre durchgehenden Noten mit grossem Fleisse be-
zeichnen. Sie brauchen hierzu insgemein einen schrägen Strich:

[Abbildung]

§. 3.

Die durchgehenden Noten kommen im Gange, und
im Sprunge vor, und sind mehrentheils etwas geschwinde. Wenn
sie einzeln vorkommen, so findet man sie nicht angedeutet. Von den
gehenden und springenden Noten bey (a) gehet die zweyte durch.
Man kann hierbey zur Regel annehmen, daß auf jene kein Sprung
folgen darf, und bey diesen die Octave der durchgehenden Note schon
vorher in der rechten Hand liegen muß. Folglich haben die Noten
bey (b), wo diese zween Umstände fehlen, allerseits ihre eigene
Begleitung. Wenn die Grundstimme, anstatt in die Untersecunde
zu steigen (c), in die Septime herauf springet (d): so kann diese
letztere ebenfalls durchgehen, ohne daß die Octave davon schon
gelegen hat. Ein Sprung in die Octave wird hier nicht als
ein Sprung sondern als eine wiederholte Note angesehen. Wenn
mehr als eine durchgehende Note hintereinander vorkommt, so

ist
Sechs und dreyßigſtes Capitel.
§. 2.

Man hat zwar einige Regeln, die durchgehenden
Noten zu erkennen: ſie ſind aber auch nicht immer zuverläßig.
Da man alſo auf dieſe Regeln nicht allezeit ſicher bauen kann,
da ſich die durchgehenden Noten nicht allezeit gewiß errathen
laſſen, und da man weiß, daß es ungleich mehr ſchlechte als gute
Begleiter giebet: ſo handelt man durch eine genaue Andeutung
am ſicherſten, und thut allenfalls lieber zu viel, als zu wenig.
Ein guter Accompagniſt läſſet ſich durch einige überflüßige Queer-
ſtriche nicht verwirren, und einem Anfänger iſt dadurch ſehr ge-
holfen. Man muß den Franzoſen die Gerechtigkeit wiederfahren
laſſen, daß ſie ihre durchgehenden Noten mit groſſem Fleiſſe be-
zeichnen. Sie brauchen hierzu insgemein einen ſchrägen Strich:

[Abbildung]

§. 3.

Die durchgehenden Noten kommen im Gange, und
im Sprunge vor, und ſind mehrentheils etwas geſchwinde. Wenn
ſie einzeln vorkommen, ſo findet man ſie nicht angedeutet. Von den
gehenden und ſpringenden Noten bey (a) gehet die zweyte durch.
Man kann hierbey zur Regel annehmen, daß auf jene kein Sprung
folgen darf, und bey dieſen die Octave der durchgehenden Note ſchon
vorher in der rechten Hand liegen muß. Folglich haben die Noten
bey (b), wo dieſe zween Umſtände fehlen, allerſeits ihre eigene
Begleitung. Wenn die Grundſtimme, anſtatt in die Unterſecunde
zu ſteigen (c), in die Septime herauf ſpringet (d): ſo kann dieſe
letztere ebenfalls durchgehen, ohne daß die Octave davon ſchon
gelegen hat. Ein Sprung in die Octave wird hier nicht als
ein Sprung ſondern als eine wiederholte Note angeſehen. Wenn
mehr als eine durchgehende Note hintereinander vorkommt, ſo

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[302/0312] Sechs und dreyßigſtes Capitel. §. 2. Man hat zwar einige Regeln, die durchgehenden Noten zu erkennen: ſie ſind aber auch nicht immer zuverläßig. Da man alſo auf dieſe Regeln nicht allezeit ſicher bauen kann, da ſich die durchgehenden Noten nicht allezeit gewiß errathen laſſen, und da man weiß, daß es ungleich mehr ſchlechte als gute Begleiter giebet: ſo handelt man durch eine genaue Andeutung am ſicherſten, und thut allenfalls lieber zu viel, als zu wenig. Ein guter Accompagniſt läſſet ſich durch einige überflüßige Queer- ſtriche nicht verwirren, und einem Anfänger iſt dadurch ſehr ge- holfen. Man muß den Franzoſen die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, daß ſie ihre durchgehenden Noten mit groſſem Fleiſſe be- zeichnen. Sie brauchen hierzu insgemein einen ſchrägen Strich: [Abbildung] §. 3. Die durchgehenden Noten kommen im Gange, und im Sprunge vor, und ſind mehrentheils etwas geſchwinde. Wenn ſie einzeln vorkommen, ſo findet man ſie nicht angedeutet. Von den gehenden und ſpringenden Noten bey (a) gehet die zweyte durch. Man kann hierbey zur Regel annehmen, daß auf jene kein Sprung folgen darf, und bey dieſen die Octave der durchgehenden Note ſchon vorher in der rechten Hand liegen muß. Folglich haben die Noten bey (b), wo dieſe zween Umſtände fehlen, allerſeits ihre eigene Begleitung. Wenn die Grundſtimme, anſtatt in die Unterſecunde zu ſteigen (c), in die Septime herauf ſpringet (d): ſo kann dieſe letztere ebenfalls durchgehen, ohne daß die Octave davon ſchon gelegen hat. Ein Sprung in die Octave wird hier nicht als ein Sprung ſondern als eine wiederholte Note angeſehen. Wenn mehr als eine durchgehende Note hintereinander vorkommt, ſo iſt

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/312>, abgerufen am 24.11.2024.