Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.Neun und zwanzigstes Capitel. daß widrigenfalls durch die brummende Tiefe eine ekelhafte Un-deutlichkeit verursachet würde. Die blosse Verdoppelung der Grund- noten mit der Octave in der linken Hand ist ebenfalls von einer durchdringenden Wirkung, und alsdenn unentbehrlich, wenn diese Noten nicht sehr geschwind sind, und leicht heraus gebracht wer- den können, dabey aber einen gewissen Gesang enthalten, welcher eine ziemliche Weite einnimmt. Bey Fugen, wenn das Thema eintritt, bey Nachahmungen, welche stark vorgetragen werden sollen, thut diese Verdoppelung der Grundnoten sehr gut. Wenn aber bey einem Thema, oder überhaupt bey einem Gedanken, wel- cher einen besondern Ausdruck erfordert, einige bunte Figuren vor- kommen, welche mit einer Hand in Octaven nicht wohl heraus gebracht werden können: so verdoppelt man wenigstens die Haupt- noten, und spielet die übrigen einfach (a). Hierdurch behält die rechte Hand ihre Harmonie, welche bey contrapunctischen Sachen nicht wohl gemisset werden kann. Bey dem mezzo forte kann die linke Hand mit den Baßnoten allein auf dem stärkern Manuale bleiben, indem die rechte auf dem schwächern ihre Harmonie vor- träget. Bey dem Piano spielen beyde Hände auf dem schwächern Manuale. Das Pianißimo wird auf eben dieser Tastatur durch die Verminderung der Harmonie heraus gebracht. Man muß, um diesen Vorschriften genug zu thun, das Ohr beständig mit zu Hülfe nehmen, weil die Andeutungen nicht allezeit genau bey- gesetzet sind, und weil auch oft die Schwäche und Stärke des Vor- trages von der Willkühr des Ausführers der Hauptstimme ab- hänget. [Abbildung]
Neun und zwanzigſtes Capitel. daß widrigenfalls durch die brummende Tiefe eine ekelhafte Un-deutlichkeit verurſachet würde. Die bloſſe Verdoppelung der Grund- noten mit der Octave in der linken Hand iſt ebenfalls von einer durchdringenden Wirkung, und alsdenn unentbehrlich, wenn dieſe Noten nicht ſehr geſchwind ſind, und leicht heraus gebracht wer- den können, dabey aber einen gewiſſen Geſang enthalten, welcher eine ziemliche Weite einnimmt. Bey Fugen, wenn das Thema eintritt, bey Nachahmungen, welche ſtark vorgetragen werden ſollen, thut dieſe Verdoppelung der Grundnoten ſehr gut. Wenn aber bey einem Thema, oder überhaupt bey einem Gedanken, wel- cher einen beſondern Ausdruck erfordert, einige bunte Figuren vor- kommen, welche mit einer Hand in Octaven nicht wohl heraus gebracht werden können: ſo verdoppelt man wenigſtens die Haupt- noten, und ſpielet die übrigen einfach (a). Hierdurch behält die rechte Hand ihre Harmonie, welche bey contrapunctiſchen Sachen nicht wohl gemiſſet werden kann. Bey dem mezzo forte kann die linke Hand mit den Baßnoten allein auf dem ſtärkern Manuale bleiben, indem die rechte auf dem ſchwächern ihre Harmonie vor- träget. Bey dem Piano ſpielen beyde Hände auf dem ſchwächern Manuale. Das Pianißimo wird auf eben dieſer Taſtatur durch die Verminderung der Harmonie heraus gebracht. Man muß, um dieſen Vorſchriften genug zu thun, das Ohr beſtändig mit zu Hülfe nehmen, weil die Andeutungen nicht allezeit genau bey- geſetzet ſind, und weil auch oft die Schwäche und Stärke des Vor- trages von der Willkühr des Ausführers der Hauptſtimme ab- hänget. [Abbildung]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0256" n="246"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neun und zwanzigſtes Capitel.</hi></fw><lb/> daß widrigenfalls durch die brummende Tiefe eine ekelhafte Un-<lb/> deutlichkeit verurſachet würde. Die bloſſe Verdoppelung der Grund-<lb/> noten mit der Octave in der linken Hand iſt ebenfalls von einer<lb/> durchdringenden Wirkung, und alsdenn unentbehrlich, wenn dieſe<lb/> Noten nicht ſehr geſchwind ſind, und leicht heraus gebracht wer-<lb/> den können, dabey aber einen gewiſſen Geſang enthalten, welcher<lb/> eine ziemliche Weite einnimmt. Bey Fugen, wenn das Thema<lb/> eintritt, bey Nachahmungen, welche ſtark vorgetragen werden<lb/> ſollen, thut dieſe Verdoppelung der Grundnoten ſehr gut. Wenn<lb/> aber bey einem Thema, oder überhaupt bey einem Gedanken, wel-<lb/> cher einen beſondern Ausdruck erfordert, einige bunte Figuren vor-<lb/> kommen, welche mit einer Hand in Octaven nicht wohl heraus<lb/> gebracht werden können: ſo verdoppelt man wenigſtens die Haupt-<lb/> noten, und ſpielet die übrigen einfach (<hi rendition="#aq">a</hi>). Hierdurch behält die<lb/> rechte Hand ihre Harmonie, welche bey contrapunctiſchen Sachen<lb/> nicht wohl gemiſſet werden kann. Bey dem <hi rendition="#aq">mezzo forte</hi> kann die<lb/> linke Hand mit den Baßnoten allein auf dem ſtärkern Manuale<lb/> bleiben, indem die rechte auf dem ſchwächern ihre Harmonie vor-<lb/> träget. Bey dem Piano ſpielen beyde Hände auf dem ſchwächern<lb/> Manuale. Das Pianißimo wird auf eben dieſer Taſtatur durch<lb/> die Verminderung der Harmonie heraus gebracht. Man muß,<lb/> um dieſen Vorſchriften genug zu thun, das Ohr beſtändig mit<lb/> zu Hülfe nehmen, weil die Andeutungen nicht allezeit genau bey-<lb/> geſetzet ſind, und weil auch oft die Schwäche und Stärke des Vor-<lb/> trages von der Willkühr des Ausführers der Hauptſtimme ab-<lb/> hänget.</p><lb/> <figure/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [246/0256]
Neun und zwanzigſtes Capitel.
daß widrigenfalls durch die brummende Tiefe eine ekelhafte Un-
deutlichkeit verurſachet würde. Die bloſſe Verdoppelung der Grund-
noten mit der Octave in der linken Hand iſt ebenfalls von einer
durchdringenden Wirkung, und alsdenn unentbehrlich, wenn dieſe
Noten nicht ſehr geſchwind ſind, und leicht heraus gebracht wer-
den können, dabey aber einen gewiſſen Geſang enthalten, welcher
eine ziemliche Weite einnimmt. Bey Fugen, wenn das Thema
eintritt, bey Nachahmungen, welche ſtark vorgetragen werden
ſollen, thut dieſe Verdoppelung der Grundnoten ſehr gut. Wenn
aber bey einem Thema, oder überhaupt bey einem Gedanken, wel-
cher einen beſondern Ausdruck erfordert, einige bunte Figuren vor-
kommen, welche mit einer Hand in Octaven nicht wohl heraus
gebracht werden können: ſo verdoppelt man wenigſtens die Haupt-
noten, und ſpielet die übrigen einfach (a). Hierdurch behält die
rechte Hand ihre Harmonie, welche bey contrapunctiſchen Sachen
nicht wohl gemiſſet werden kann. Bey dem mezzo forte kann die
linke Hand mit den Baßnoten allein auf dem ſtärkern Manuale
bleiben, indem die rechte auf dem ſchwächern ihre Harmonie vor-
träget. Bey dem Piano ſpielen beyde Hände auf dem ſchwächern
Manuale. Das Pianißimo wird auf eben dieſer Taſtatur durch
die Verminderung der Harmonie heraus gebracht. Man muß,
um dieſen Vorſchriften genug zu thun, das Ohr beſtändig mit
zu Hülfe nehmen, weil die Andeutungen nicht allezeit genau bey-
geſetzet ſind, und weil auch oft die Schwäche und Stärke des Vor-
trages von der Willkühr des Ausführers der Hauptſtimme ab-
hänget.
[Abbildung]
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |