Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Das erste Hauptstück.
Tab. III.Zweifel war der rechte Gebrauch des Daumens damals noch
nicht völlig bekannt; man siehet dieses aus einigen von ihm be-
zifferten Exempeln, allwo er besonders bey Bindungen so ver-
fährt, anstatt den Daumen zu gebrauchen oder mit einem Finger
fort zu gehen, welches beydes leichter ist als dieses Hülfs-Mit-
tel. Da der Daumen von unsern Vorfahren nur selten, gebraucht
wurde, so war er ihnen oft im Wege; folglich hatten sie manch-
mal zu viel Finger. Als man nachhero solchen fleißiger zu gebrau-
chen anfing, so mengte sich die alte Art noch oft unter die neue
und man hatte gleichsam noch nicht das Hertz, den Daumen
allezeit da, wo er hingehöret, einzusetzen. Jetzo empfinden wir
dann und wann, ohngeachtet des bessern Gebrauchs der Finger
bey unserer Art von Musick, daß wir deren zu wenig haben.

§. 89.

Dahero muß man zuweilen erlauben mit einem
Finger, auch bey gehenden Noten, fortzugehen. Am öftersten
und leichtesten geschiehet dieses, wenn man wegen der Folge von
einem halben Tone in die nächste Taste mit dem Finger herun-
ter gleitet. Man drückt hierdurch sehr bequem eine Schleifung
aus, Fig. LXI. Da dieses Herabgleiten sehr leichte fällt, so kan
es auch ausser dieser Ursache und in geschwinderer Zeit-Masse ge-
braucht werden als das Fortsetzen und Ablösen. Uebrigens mercke
man besonders hierbey an, daß das Fortsetzen in gewissen Fällen
eben so geschickt ist, gestossene Noten heraus zu bringen als ge-
schleifte. Von der ersten Art finden wir bald zu Anfange des
Probe-Stücks aus dem fis moll, und von der andern Art bey
Fig. LVI. Tab. II. Exempel. Uebrigens haben wir aus dem vo-
rigen §. gehört, daß dieses Fortsetzen natürlicher sey, zumahl bey
Bindungen, wenn man die Wahl hat, als das Ablösen.

§. 90.

Wenn ein Ton öfter als einmal hinter einander
in mäßiger Geschwindigkeit vorkommt, so wird mit den Fingern

nicht

Das erſte Hauptſtuͤck.
Tab. III.Zweifel war der rechte Gebrauch des Daumens damals noch
nicht voͤllig bekannt; man ſiehet dieſes aus einigen von ihm be-
zifferten Exempeln, allwo er beſonders bey Bindungen ſo ver-
faͤhrt, anſtatt den Daumen zu gebrauchen oder mit einem Finger
fort zu gehen, welches beydes leichter iſt als dieſes Huͤlfs-Mit-
tel. Da der Daumen von unſern Vorfahren nur ſelten, gebraucht
wurde, ſo war er ihnen oft im Wege; folglich hatten ſie manch-
mal zu viel Finger. Als man nachhero ſolchen fleißiger zu gebrau-
chen anfing, ſo mengte ſich die alte Art noch oft unter die neue
und man hatte gleichſam noch nicht das Hertz, den Daumen
allezeit da, wo er hingehoͤret, einzuſetzen. Jetzo empfinden wir
dann und wann, ohngeachtet des beſſern Gebrauchs der Finger
bey unſerer Art von Muſick, daß wir deren zu wenig haben.

§. 89.

Dahero muß man zuweilen erlauben mit einem
Finger, auch bey gehenden Noten, fortzugehen. Am oͤfterſten
und leichteſten geſchiehet dieſes, wenn man wegen der Folge von
einem halben Tone in die naͤchſte Taſte mit dem Finger herun-
ter gleitet. Man druͤckt hierdurch ſehr bequem eine Schleifung
aus, Fig. LXI. Da dieſes Herabgleiten ſehr leichte faͤllt, ſo kan
es auch auſſer dieſer Urſache und in geſchwinderer Zeit-Maſſe ge-
braucht werden als das Fortſetzen und Abloͤſen. Uebrigens mercke
man beſonders hierbey an, daß das Fortſetzen in gewiſſen Faͤllen
eben ſo geſchickt iſt, geſtoſſene Noten heraus zu bringen als ge-
ſchleifte. Von der erſten Art finden wir bald zu Anfange des
Probe-Stuͤcks aus dem fis moll, und von der andern Art bey
Fig. LVI. Tab. II. Exempel. Uebrigens haben wir aus dem vo-
rigen §. gehoͤrt, daß dieſes Fortſetzen natuͤrlicher ſey, zumahl bey
Bindungen, wenn man die Wahl hat, als das Abloͤſen.

§. 90.

Wenn ein Ton oͤfter als einmal hinter einander
in maͤßiger Geſchwindigkeit vorkommt, ſo wird mit den Fingern

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das er&#x017F;te Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><note place="left">Tab. <hi rendition="#aq">III.</hi></note>Zweifel war der rechte Gebrauch des Daumens damals noch<lb/>
nicht vo&#x0364;llig bekannt; man &#x017F;iehet die&#x017F;es aus einigen von ihm be-<lb/>
zifferten Exempeln, allwo er be&#x017F;onders bey Bindungen &#x017F;o ver-<lb/>
fa&#x0364;hrt, an&#x017F;tatt den Daumen zu gebrauchen oder mit einem Finger<lb/>
fort zu gehen, welches beydes leichter i&#x017F;t als die&#x017F;es Hu&#x0364;lfs-Mit-<lb/>
tel. Da der Daumen von un&#x017F;ern Vorfahren nur &#x017F;elten, gebraucht<lb/>
wurde, &#x017F;o war er ihnen oft im Wege; folglich hatten &#x017F;ie manch-<lb/>
mal zu viel Finger. Als man nachhero &#x017F;olchen fleißiger zu gebrau-<lb/>
chen anfing, &#x017F;o mengte &#x017F;ich die alte Art noch oft unter die neue<lb/>
und man hatte gleich&#x017F;am noch nicht das Hertz, den Daumen<lb/>
allezeit da, wo er hingeho&#x0364;ret, einzu&#x017F;etzen. Jetzo empfinden wir<lb/>
dann und wann, ohngeachtet des be&#x017F;&#x017F;ern Gebrauchs der Finger<lb/>
bey un&#x017F;erer Art von Mu&#x017F;ick, daß wir deren zu wenig haben.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 89.</head>
          <p>Dahero muß man zuweilen erlauben mit einem<lb/>
Finger, auch bey gehenden Noten, fortzugehen. Am o&#x0364;fter&#x017F;ten<lb/>
und leichte&#x017F;ten ge&#x017F;chiehet die&#x017F;es, wenn man wegen der Folge von<lb/>
einem halben Tone in die na&#x0364;ch&#x017F;te Ta&#x017F;te mit dem Finger herun-<lb/>
ter gleitet. Man dru&#x0364;ckt hierdurch &#x017F;ehr bequem eine Schleifung<lb/>
aus, Fig. <hi rendition="#aq">LXI.</hi> Da die&#x017F;es Herabgleiten &#x017F;ehr leichte fa&#x0364;llt, &#x017F;o kan<lb/>
es auch au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;er Ur&#x017F;ache und in ge&#x017F;chwinderer Zeit-Ma&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
braucht werden als das Fort&#x017F;etzen und Ablo&#x0364;&#x017F;en. Uebrigens mercke<lb/>
man be&#x017F;onders hierbey an, daß das Fort&#x017F;etzen in gewi&#x017F;&#x017F;en Fa&#x0364;llen<lb/>
eben &#x017F;o ge&#x017F;chickt i&#x017F;t, ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ene Noten heraus zu bringen als ge-<lb/>
&#x017F;chleifte. Von der er&#x017F;ten Art finden wir bald zu Anfange des<lb/>
Probe-Stu&#x0364;cks aus dem fis moll, und von der andern Art bey<lb/>
Fig. <hi rendition="#aq">LVI.</hi> Tab. <hi rendition="#aq">II.</hi> Exempel. Uebrigens haben wir aus dem vo-<lb/>
rigen §. geho&#x0364;rt, daß die&#x017F;es Fort&#x017F;etzen natu&#x0364;rlicher &#x017F;ey, zumahl bey<lb/>
Bindungen, wenn man die Wahl hat, als das Ablo&#x0364;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 90.</head>
          <p>Wenn ein Ton o&#x0364;fter als einmal hinter einander<lb/>
in ma&#x0364;ßiger Ge&#x017F;chwindigkeit vorkommt, &#x017F;o wird mit den Fingern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0048] Das erſte Hauptſtuͤck. Zweifel war der rechte Gebrauch des Daumens damals noch nicht voͤllig bekannt; man ſiehet dieſes aus einigen von ihm be- zifferten Exempeln, allwo er beſonders bey Bindungen ſo ver- faͤhrt, anſtatt den Daumen zu gebrauchen oder mit einem Finger fort zu gehen, welches beydes leichter iſt als dieſes Huͤlfs-Mit- tel. Da der Daumen von unſern Vorfahren nur ſelten, gebraucht wurde, ſo war er ihnen oft im Wege; folglich hatten ſie manch- mal zu viel Finger. Als man nachhero ſolchen fleißiger zu gebrau- chen anfing, ſo mengte ſich die alte Art noch oft unter die neue und man hatte gleichſam noch nicht das Hertz, den Daumen allezeit da, wo er hingehoͤret, einzuſetzen. Jetzo empfinden wir dann und wann, ohngeachtet des beſſern Gebrauchs der Finger bey unſerer Art von Muſick, daß wir deren zu wenig haben. Tab. III. §. 89. Dahero muß man zuweilen erlauben mit einem Finger, auch bey gehenden Noten, fortzugehen. Am oͤfterſten und leichteſten geſchiehet dieſes, wenn man wegen der Folge von einem halben Tone in die naͤchſte Taſte mit dem Finger herun- ter gleitet. Man druͤckt hierdurch ſehr bequem eine Schleifung aus, Fig. LXI. Da dieſes Herabgleiten ſehr leichte faͤllt, ſo kan es auch auſſer dieſer Urſache und in geſchwinderer Zeit-Maſſe ge- braucht werden als das Fortſetzen und Abloͤſen. Uebrigens mercke man beſonders hierbey an, daß das Fortſetzen in gewiſſen Faͤllen eben ſo geſchickt iſt, geſtoſſene Noten heraus zu bringen als ge- ſchleifte. Von der erſten Art finden wir bald zu Anfange des Probe-Stuͤcks aus dem fis moll, und von der andern Art bey Fig. LVI. Tab. II. Exempel. Uebrigens haben wir aus dem vo- rigen §. gehoͤrt, daß dieſes Fortſetzen natuͤrlicher ſey, zumahl bey Bindungen, wenn man die Wahl hat, als das Abloͤſen. §. 90. Wenn ein Ton oͤfter als einmal hinter einander in maͤßiger Geſchwindigkeit vorkommt, ſo wird mit den Fingern nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstauflage dieses Teils erschien als selbstä… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/48
Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/48>, abgerufen am 18.12.2024.