scheinlich auf dem Wege hierher nach Lübeck in Hamburg oder Oldesloe nach einem hiesigen Adreßbuche 1) redigirte Namensliste angesehener Lübecker fand, in welcher einzelne Personen mit seit- wärts angebrachten, zum Theil verschiedenen Blumen besonders hervorgehoben waren, wo also doch wol die Blume eine appella- tive Bedeutung haben sollte. Das System dieser vom Stappler als bloße Zufälligkeit hartnäckig bezeichneten Blumen konnte ich nicht ermitteln. Doch mögen etwa noch weitere Spuren einer solchen eigenen Gaunerflora gefunden werden können, die vielleicht aus irgendeinem der vielen, von buchhändlerischer Speculation ge- förderten Büchern "von der Blumensprache" geschöpft, vielleicht aber auch eine nahe Analogie des noch immer in Flor stehenden und möglicherweise durch Zigeuner verschleppten orientalischen "Selam" sein mag, dessen Kunst auch der wackere Klüber, a. a. O., S. 281, nach dem "Mysterienbuch alter und neuer Zeit", S. 101 fg. seine Forschungen gewidmet hat. 2) Nach dem "Mysterienbuch", welches übrigens auch von der Diplomatie in dieser eigenthüm- lichen Gaunerbotanik ausgebeutet ist, wie die oben dargestellten Empfehlungskarten zeigen, bedeutet die Rose überhaupt ein Mäd- chen, die Nelke eine Mannsperson, die Aster Vater oder Mutter, die Hyacinthe Freund oder Freundin, die Aurikel Bruder oder Schwester, das Stiefmütterchen Witwer oder Witwe, Crocus ein Kind (mit Thymian einen Knaben, mit Reseda ein Mädchen), Kornblume Landmann, Ranunkel Soldat, Akelei Jurist, Kamille Arzt, Goldlack Kaufmann, Vanillenblume Fremder, Tuberose Vornehmer, Spike Geringer, Orangenblüte Reich- thum, Feldkümmel Armuth, Tulpe Stadt, Veilchen Land, Tausendschön Tag, Mohnblume Nacht, Primel Morgen,
1) Es mußte ein älteres, einige Jahre früher erschienenes gewesen sein. Jnzwischen hatten ein paar Wohnungsveränderungen stattgefunden.
2) Der ehrenfeste, streng diplomatische Klüber macht zum Schluß (S. 283), völlig unerwartet, sogar selbst eine botanische Excursion auf das Gebiet zart- sinniger erotischer Symbolik des Morgenlandes, indem er ein ganz correctes Bouquet bindet: "Jch besuche dich, liebe Freundin, morgen früh im Garten, mit meinem Bruder, einem rechtschaffenen Manne, der dich, schönes Mädchen, liebt und dich zu heurathen wünscht!"
ſcheinlich auf dem Wege hierher nach Lübeck in Hamburg oder Oldesloe nach einem hieſigen Adreßbuche 1) redigirte Namensliſte angeſehener Lübecker fand, in welcher einzelne Perſonen mit ſeit- wärts angebrachten, zum Theil verſchiedenen Blumen beſonders hervorgehoben waren, wo alſo doch wol die Blume eine appella- tive Bedeutung haben ſollte. Das Syſtem dieſer vom Stappler als bloße Zufälligkeit hartnäckig bezeichneten Blumen konnte ich nicht ermitteln. Doch mögen etwa noch weitere Spuren einer ſolchen eigenen Gaunerflora gefunden werden können, die vielleicht aus irgendeinem der vielen, von buchhändleriſcher Speculation ge- förderten Büchern „von der Blumenſprache“ geſchöpft, vielleicht aber auch eine nahe Analogie des noch immer in Flor ſtehenden und möglicherweiſe durch Zigeuner verſchleppten orientaliſchen „Selam“ ſein mag, deſſen Kunſt auch der wackere Klüber, a. a. O., S. 281, nach dem „Myſterienbuch alter und neuer Zeit“, S. 101 fg. ſeine Forſchungen gewidmet hat. 2) Nach dem „Myſterienbuch“, welches übrigens auch von der Diplomatie in dieſer eigenthüm- lichen Gaunerbotanik ausgebeutet iſt, wie die oben dargeſtellten Empfehlungskarten zeigen, bedeutet die Roſe überhaupt ein Mäd- chen, die Nelke eine Mannsperſon, die Aſter Vater oder Mutter, die Hyacinthe Freund oder Freundin, die Aurikel Bruder oder Schweſter, das Stiefmütterchen Witwer oder Witwe, Crocus ein Kind (mit Thymian einen Knaben, mit Reſeda ein Mädchen), Kornblume Landmann, Ranunkel Soldat, Akelei Juriſt, Kamille Arzt, Goldlack Kaufmann, Vanillenblume Fremder, Tuberoſe Vornehmer, Spike Geringer, Orangenblüte Reich- thum, Feldkümmel Armuth, Tulpe Stadt, Veilchen Land, Tauſendſchön Tag, Mohnblume Nacht, Primel Morgen,
1) Es mußte ein älteres, einige Jahre früher erſchienenes geweſen ſein. Jnzwiſchen hatten ein paar Wohnungsveränderungen ſtattgefunden.
2) Der ehrenfeſte, ſtreng diplomatiſche Klüber macht zum Schluß (S. 283), völlig unerwartet, ſogar ſelbſt eine botaniſche Excurſion auf das Gebiet zart- ſinniger erotiſcher Symbolik des Morgenlandes, indem er ein ganz correctes Bouquet bindet: „Jch beſuche dich, liebe Freundin, morgen früh im Garten, mit meinem Bruder, einem rechtſchaffenen Manne, der dich, ſchönes Mädchen, liebt und dich zu heurathen wünſcht!“
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ſcheinlich auf dem Wege hierher nach Lübeck in Hamburg oder
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angeſehener Lübecker fand, in welcher einzelne Perſonen mit ſeit-
wärts angebrachten, zum Theil verſchiedenen Blumen beſonders
hervorgehoben waren, wo alſo doch wol die Blume eine appella-
tive Bedeutung haben ſollte. Das Syſtem dieſer vom Stappler
als bloße Zufälligkeit hartnäckig bezeichneten Blumen konnte ich
nicht ermitteln. Doch mögen etwa noch weitere Spuren einer
ſolchen eigenen Gaunerflora gefunden werden können, die vielleicht
aus irgendeinem der vielen, von buchhändleriſcher Speculation ge-
förderten Büchern „von der Blumenſprache“ geſchöpft, vielleicht
aber auch eine nahe Analogie des noch immer in Flor ſtehenden
und möglicherweiſe durch Zigeuner verſchleppten orientaliſchen
„Selam“ ſein mag, deſſen Kunſt auch der wackere Klüber, a. a. O.,
S. 281, nach dem „Myſterienbuch alter und neuer Zeit“, S. 101 fg.
ſeine Forſchungen gewidmet hat. 2) Nach dem „Myſterienbuch“,
welches übrigens auch von der Diplomatie in dieſer eigenthüm-
lichen Gaunerbotanik ausgebeutet iſt, wie die oben dargeſtellten
Empfehlungskarten zeigen, bedeutet die Roſe überhaupt ein Mäd-
chen, die Nelke eine Mannsperſon, die Aſter Vater oder Mutter,
die Hyacinthe Freund oder Freundin, die Aurikel Bruder oder
Schweſter, das Stiefmütterchen Witwer oder Witwe, Crocus
ein Kind (mit Thymian einen Knaben, mit Reſeda ein Mädchen),
Kornblume Landmann, Ranunkel Soldat, Akelei Juriſt,
Kamille Arzt, Goldlack Kaufmann, Vanillenblume Fremder,
Tuberoſe Vornehmer, Spike Geringer, Orangenblüte Reich-
thum, Feldkümmel Armuth, Tulpe Stadt, Veilchen Land,
Tauſendſchön Tag, Mohnblume Nacht, Primel Morgen,
1) Es mußte ein älteres, einige Jahre früher erſchienenes geweſen ſein.
Jnzwiſchen hatten ein paar Wohnungsveränderungen ſtattgefunden.
2) Der ehrenfeſte, ſtreng diplomatiſche Klüber macht zum Schluß (S. 283),
völlig unerwartet, ſogar ſelbſt eine botaniſche Excurſion auf das Gebiet zart-
ſinniger erotiſcher Symbolik des Morgenlandes, indem er ein ganz correctes
Bouquet bindet: „Jch beſuche dich, liebe Freundin, morgen früh im Garten,
mit meinem Bruder, einem rechtſchaffenen Manne, der dich, ſchönes Mädchen,
liebt und dich zu heurathen wünſcht!“
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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