Glauben an ein specifisch "jüdisches Gaunerthum" mit einer specifisch "jüdischen Gaunersprache" gefaßt haben. Wenn man allerdings bei Grolman Druckfehler, ja sogar oft Verständnißfehler findet, so sind das nicht Fehler, welche -- wie Thiele S. 206 sagt -- "Grol- man der verdienstlichen Falkenberg'schen Arbeit, ohne ihrer Erwäh- nung zu thun, nachgeschrieben hat", sondern Fehler. derselben Quellen, welche Grolman mit Falkenberg gemeinsam benutzt hat. Grolman war gewissenhaft genug, manche in diesen Quellen vorkommende, ihm unverständliche Ausdrücke ganz zu umgehen, als wissentlich Falsches zu geben, wie er denn z. B. das von Falkenberg, S. 413, ohne weiteres zu Maschvegewesch verstüm- melte Maschvegewesen der Rotwelschen Grammatik von 1755 (statt: maschve gewesen, richtiger: maschve sein, vergleichen von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], schovo), lieber ganz vermieden hat. Grolman hatte sich aber weder in der jüdischdeutschen Sprache umgesehen, noch hatte er überhaupt linguistische Studien gemacht, um den aus eigener Praxis und aus seinen literarischen Quellen dargebotenen Stoff kritisch zu sichten und zu ordnen. Er war aber ein sehr fleißiger, gewissenhafter Sammler und brachte daher den reichhaltigsten Wörterschatz zusammen, welchen die Gaunerlexikographie bis jetzt aufzuweisen hat. Aus der Reichhaltigkeit seiner Quellen und aus der bunten Zusammensetzung seiner großen Jnquisitenmasse erklärt sich die starke und bunte Vertretung des Dialektischen in seinem Wörterbuche. Anstatt nun bei dem Worte, welches nach der Aus- sprache dem Stamm am nächsten steht, die dialektischen Varianten sogleich mit anzuführen, hat Grolman jede mundartige Abweichung nach alphabetischer Ordnung einzeln aufgeführt und dadurch das Wörterbuch allerdings unnütz erweitert. Auch hat sein Mangel an kritischem Blick ihn zur Aufnahme mancher notorischer Druck- fehler, wie z. B. des "Amhovetz" der Rotwelschen Grammatik verleitet.
Grolman war der erste Linguist, welcher die in der Gauner- sprache zahlreich vertretenen jüdischdeutschen Terminologien einer nähern Aufmerksamkeit würdigte und in den ihm zugänglichen jüdischdeutschen Wörterbüchern nachsuchte. Er selbst nennt (Vor-
Glauben an ein ſpecifiſch „jüdiſches Gaunerthum“ mit einer ſpecifiſch „jüdiſchen Gaunerſprache“ gefaßt haben. Wenn man allerdings bei Grolman Druckfehler, ja ſogar oft Verſtändnißfehler findet, ſo ſind das nicht Fehler, welche — wie Thiele S. 206 ſagt — „Grol- man der verdienſtlichen Falkenberg’ſchen Arbeit, ohne ihrer Erwäh- nung zu thun, nachgeſchrieben hat“, ſondern Fehler. derſelben Quellen, welche Grolman mit Falkenberg gemeinſam benutzt hat. Grolman war gewiſſenhaft genug, manche in dieſen Quellen vorkommende, ihm unverſtändliche Ausdrücke ganz zu umgehen, als wiſſentlich Falſches zu geben, wie er denn z. B. das von Falkenberg, S. 413, ohne weiteres zu Maſchvegeweſch verſtüm- melte Maſchvegeweſen der Rotwelſchen Grammatik von 1755 (ſtatt: maſchve geweſen, richtiger: maſchve ſein, vergleichen von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], schovo), lieber ganz vermieden hat. Grolman hatte ſich aber weder in der jüdiſchdeutſchen Sprache umgeſehen, noch hatte er überhaupt linguiſtiſche Studien gemacht, um den aus eigener Praxis und aus ſeinen literariſchen Quellen dargebotenen Stoff kritiſch zu ſichten und zu ordnen. Er war aber ein ſehr fleißiger, gewiſſenhafter Sammler und brachte daher den reichhaltigſten Wörterſchatz zuſammen, welchen die Gaunerlexikographie bis jetzt aufzuweiſen hat. Aus der Reichhaltigkeit ſeiner Quellen und aus der bunten Zuſammenſetzung ſeiner großen Jnquiſitenmaſſe erklärt ſich die ſtarke und bunte Vertretung des Dialektiſchen in ſeinem Wörterbuche. Anſtatt nun bei dem Worte, welches nach der Aus- ſprache dem Stamm am nächſten ſteht, die dialektiſchen Varianten ſogleich mit anzuführen, hat Grolman jede mundartige Abweichung nach alphabetiſcher Ordnung einzeln aufgeführt und dadurch das Wörterbuch allerdings unnütz erweitert. Auch hat ſein Mangel an kritiſchem Blick ihn zur Aufnahme mancher notoriſcher Druck- fehler, wie z. B. des „Amhovetz“ der Rotwelſchen Grammatik verleitet.
Grolman war der erſte Linguiſt, welcher die in der Gauner- ſprache zahlreich vertretenen jüdiſchdeutſchen Terminologien einer nähern Aufmerkſamkeit würdigte und in den ihm zugänglichen jüdiſchdeutſchen Wörterbüchern nachſuchte. Er ſelbſt nennt (Vor-
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Glauben an ein ſpecifiſch „jüdiſches Gaunerthum“ mit einer ſpecifiſch
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Grolman Druckfehler, ja ſogar oft Verſtändnißfehler findet, ſo ſind
das nicht Fehler, welche — wie Thiele S. 206 ſagt — „Grol-
man der verdienſtlichen Falkenberg’ſchen Arbeit, ohne ihrer Erwäh-
nung zu thun, nachgeſchrieben hat“, ſondern Fehler. derſelben
Quellen, welche Grolman mit Falkenberg gemeinſam benutzt hat.
Grolman war gewiſſenhaft genug, manche in dieſen Quellen
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Falkenberg, S. 413, ohne weiteres zu Maſchvegeweſch verſtüm-
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kritiſch zu ſichten und zu ordnen. Er war aber ein ſehr fleißiger,
gewiſſenhafter Sammler und brachte daher den reichhaltigſten
Wörterſchatz zuſammen, welchen die Gaunerlexikographie bis jetzt
aufzuweiſen hat. Aus der Reichhaltigkeit ſeiner Quellen und aus
der bunten Zuſammenſetzung ſeiner großen Jnquiſitenmaſſe erklärt
ſich die ſtarke und bunte Vertretung des Dialektiſchen in ſeinem
Wörterbuche. Anſtatt nun bei dem Worte, welches nach der Aus-
ſprache dem Stamm am nächſten ſteht, die dialektiſchen Varianten
ſogleich mit anzuführen, hat Grolman jede mundartige Abweichung
nach alphabetiſcher Ordnung einzeln aufgeführt und dadurch das
Wörterbuch allerdings unnütz erweitert. Auch hat ſein Mangel
an kritiſchem Blick ihn zur Aufnahme mancher notoriſcher Druck-
fehler, wie z. B. des „Amhovetz“ der Rotwelſchen Grammatik
verleitet.
Grolman war der erſte Linguiſt, welcher die in der Gauner-
ſprache zahlreich vertretenen jüdiſchdeutſchen Terminologien einer
nähern Aufmerkſamkeit würdigte und in den ihm zugänglichen
jüdiſchdeutſchen Wörterbüchern nachſuchte. Er ſelbſt nennt (Vor-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/264>, abgerufen am 24.11.2024.
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