gethan werden, und deshalb läßt sich vor allem in der Gauner- sprache mit ihren verfärbten Ausdrücken die strenge kritische Ety- mologie nirgends zurückweisen.
Diesen großen Mangel hat nun aber das pfullendorfer Wör- terbuch. Es ist eine bloße Vocabulatur. Aber es ist nichtsdesto- weniger sehr merkwürdig und werthvoll durch die überall sich gel- tend machende süddeutsche mundartige Verfärbung, welche, zum Zeichen tiefer und langer Einbürgerung, auch alle nichtdeutschen, namentlich die slawischen, romanischen und ganz besonders die jüdischdeutschen Wörter betroffen hat. Es gibt wol kaum ein Wörterbuch, welches so bunt und mit so vielen exotischen Stoffen versetzt und bei welchem die süddeutsche Mundart so entschieden einflußreich gewesen ist, als bei diesem 1), dessen Vergleich mit dem Wörterbuch des constanzer Hans, und sogar noch Pfister's, zwar viele Aehnlichkeiten, aber dabei auch viele neuere und entschiedene Abweichungen aufweist. Das pfullendorfer Wörterbuch ist mit er- sichtlicher Unbefangenheit, Treue und Gewissenhaftigkeit ganz ori- ginell und direct aus Gaunermunde geschöpft, leider aber bis da- hin viel zu wenig bekannt und berücksichtigt worden. Da seine Vocabeln aber in vollem Gebrauche des süddeutschen Gaunermun- des sind, so gewinnt es schon dadurch an Bedeutsamkeit für die Kenntniß der heutigen Gaunersprache und bietet für den Vergleich und Nachweis vieler Gaunerausdrücke in andern Theilen Deutsch- lands eine sehr interessante und wichtige Ausbeute. Es folgt hier in genauem Abdruck mit Berichtigung der gröbsten Druckfehler.
1) Dabei kommen nicht allein kabbalistische Positionen, sondern auch äußerst willkürliche Einschaltungen vor, z. B. Triflet, Gespinst, ist themuratisch ver- setzt aus dem franz. filet mit eingeschaltetem r.
gethan werden, und deshalb läßt ſich vor allem in der Gauner- ſprache mit ihren verfärbten Ausdrücken die ſtrenge kritiſche Ety- mologie nirgends zurückweiſen.
Dieſen großen Mangel hat nun aber das pfullendorfer Wör- terbuch. Es iſt eine bloße Vocabulatur. Aber es iſt nichtsdeſto- weniger ſehr merkwürdig und werthvoll durch die überall ſich gel- tend machende ſüddeutſche mundartige Verfärbung, welche, zum Zeichen tiefer und langer Einbürgerung, auch alle nichtdeutſchen, namentlich die ſlawiſchen, romaniſchen und ganz beſonders die jüdiſchdeutſchen Wörter betroffen hat. Es gibt wol kaum ein Wörterbuch, welches ſo bunt und mit ſo vielen exotiſchen Stoffen verſetzt und bei welchem die ſüddeutſche Mundart ſo entſchieden einflußreich geweſen iſt, als bei dieſem 1), deſſen Vergleich mit dem Wörterbuch des conſtanzer Hans, und ſogar noch Pfiſter’s, zwar viele Aehnlichkeiten, aber dabei auch viele neuere und entſchiedene Abweichungen aufweiſt. Das pfullendorfer Wörterbuch iſt mit er- ſichtlicher Unbefangenheit, Treue und Gewiſſenhaftigkeit ganz ori- ginell und direct aus Gaunermunde geſchöpft, leider aber bis da- hin viel zu wenig bekannt und berückſichtigt worden. Da ſeine Vocabeln aber in vollem Gebrauche des ſüddeutſchen Gaunermun- des ſind, ſo gewinnt es ſchon dadurch an Bedeutſamkeit für die Kenntniß der heutigen Gaunerſprache und bietet für den Vergleich und Nachweis vieler Gaunerausdrücke in andern Theilen Deutſch- lands eine ſehr intereſſante und wichtige Ausbeute. Es folgt hier in genauem Abdruck mit Berichtigung der gröbſten Druckfehler.
1) Dabei kommen nicht allein kabbaliſtiſche Poſitionen, ſondern auch äußerſt willkürliche Einſchaltungen vor, z. B. Triflet, Geſpinſt, iſt themuratiſch ver- ſetzt aus dem franz. filet mit eingeſchaltetem r.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0244"n="232"/>
gethan werden, und deshalb läßt ſich vor allem in der Gauner-<lb/>ſprache mit ihren verfärbten Ausdrücken die ſtrenge kritiſche Ety-<lb/>
mologie nirgends zurückweiſen.</p><lb/><p>Dieſen großen Mangel hat nun aber das pfullendorfer Wör-<lb/>
terbuch. Es iſt eine bloße Vocabulatur. Aber es iſt nichtsdeſto-<lb/>
weniger ſehr merkwürdig und werthvoll durch die überall ſich gel-<lb/>
tend machende ſüddeutſche mundartige Verfärbung, welche, zum<lb/>
Zeichen tiefer und langer Einbürgerung, auch alle nichtdeutſchen,<lb/>
namentlich die ſlawiſchen, romaniſchen und ganz beſonders die<lb/>
jüdiſchdeutſchen Wörter betroffen hat. Es gibt wol kaum ein<lb/>
Wörterbuch, welches ſo bunt und mit ſo vielen exotiſchen Stoffen<lb/>
verſetzt und bei welchem die ſüddeutſche Mundart ſo entſchieden<lb/>
einflußreich geweſen iſt, als bei dieſem <noteplace="foot"n="1)">Dabei kommen nicht allein kabbaliſtiſche Poſitionen, ſondern auch äußerſt<lb/>
willkürliche Einſchaltungen vor, z. B. <hirendition="#g">Triflet,</hi> Geſpinſt, iſt themuratiſch ver-<lb/>ſetzt aus dem franz. <hirendition="#aq">filet</hi> mit eingeſchaltetem r.</note>, deſſen Vergleich mit dem<lb/>
Wörterbuch des conſtanzer Hans, und ſogar noch Pfiſter’s, zwar<lb/>
viele Aehnlichkeiten, aber dabei auch viele neuere und entſchiedene<lb/>
Abweichungen aufweiſt. Das pfullendorfer Wörterbuch iſt mit er-<lb/>ſichtlicher Unbefangenheit, Treue und Gewiſſenhaftigkeit ganz ori-<lb/>
ginell und direct aus Gaunermunde geſchöpft, leider aber bis da-<lb/>
hin viel zu wenig bekannt und berückſichtigt worden. Da ſeine<lb/>
Vocabeln aber in vollem Gebrauche des ſüddeutſchen Gaunermun-<lb/>
des ſind, ſo gewinnt es ſchon dadurch an Bedeutſamkeit für die<lb/>
Kenntniß der heutigen Gaunerſprache und bietet für den Vergleich<lb/>
und Nachweis vieler Gaunerausdrücke in andern Theilen Deutſch-<lb/>
lands eine ſehr intereſſante und wichtige Ausbeute. Es folgt hier<lb/>
in genauem Abdruck mit Berichtigung der gröbſten Druckfehler.</p><lb/><divn="6"><head>A.</head><lb/><cb/><list><item>Abbetteln, dalven oder ſchnu-<lb/>
ren, mangöhlen.</item><lb/><item>Abbrechen, abketſchen.</item><lb/><item>Abbrennen, abfunken.</item><lb/><item>Abdecker, Kaffler.</item></list><lb/><cb/><list><item>Abfreſſen, abacheln, abbutten,<lb/>
minkeln, ſchlucken, kahlen.</item><lb/><item>Abtritt, Schmelzkitle, Schmelz-<lb/>
köhrle.</item><lb/><item>Abhauen, abfetzen.</item></list><lb/></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[232/0244]
gethan werden, und deshalb läßt ſich vor allem in der Gauner-
ſprache mit ihren verfärbten Ausdrücken die ſtrenge kritiſche Ety-
mologie nirgends zurückweiſen.
Dieſen großen Mangel hat nun aber das pfullendorfer Wör-
terbuch. Es iſt eine bloße Vocabulatur. Aber es iſt nichtsdeſto-
weniger ſehr merkwürdig und werthvoll durch die überall ſich gel-
tend machende ſüddeutſche mundartige Verfärbung, welche, zum
Zeichen tiefer und langer Einbürgerung, auch alle nichtdeutſchen,
namentlich die ſlawiſchen, romaniſchen und ganz beſonders die
jüdiſchdeutſchen Wörter betroffen hat. Es gibt wol kaum ein
Wörterbuch, welches ſo bunt und mit ſo vielen exotiſchen Stoffen
verſetzt und bei welchem die ſüddeutſche Mundart ſo entſchieden
einflußreich geweſen iſt, als bei dieſem 1), deſſen Vergleich mit dem
Wörterbuch des conſtanzer Hans, und ſogar noch Pfiſter’s, zwar
viele Aehnlichkeiten, aber dabei auch viele neuere und entſchiedene
Abweichungen aufweiſt. Das pfullendorfer Wörterbuch iſt mit er-
ſichtlicher Unbefangenheit, Treue und Gewiſſenhaftigkeit ganz ori-
ginell und direct aus Gaunermunde geſchöpft, leider aber bis da-
hin viel zu wenig bekannt und berückſichtigt worden. Da ſeine
Vocabeln aber in vollem Gebrauche des ſüddeutſchen Gaunermun-
des ſind, ſo gewinnt es ſchon dadurch an Bedeutſamkeit für die
Kenntniß der heutigen Gaunerſprache und bietet für den Vergleich
und Nachweis vieler Gaunerausdrücke in andern Theilen Deutſch-
lands eine ſehr intereſſante und wichtige Ausbeute. Es folgt hier
in genauem Abdruck mit Berichtigung der gröbſten Druckfehler.
A.
Abbetteln, dalven oder ſchnu-
ren, mangöhlen.
Abbrechen, abketſchen.
Abbrennen, abfunken.
Abdecker, Kaffler.
Abfreſſen, abacheln, abbutten,
minkeln, ſchlucken, kahlen.
Abtritt, Schmelzkitle, Schmelz-
köhrle.
Abhauen, abfetzen.
1) Dabei kommen nicht allein kabbaliſtiſche Poſitionen, ſondern auch äußerſt
willkürliche Einſchaltungen vor, z. B. Triflet, Geſpinſt, iſt themuratiſch ver-
ſetzt aus dem franz. filet mit eingeſchaltetem r.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/244>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.