nover die Bande des Masemann und die des Brade ihr Unwesen trieben. Die Brade'sche Bande wurde zum Theil von dem han- növerischen Gerichtsschulzenamt, bei welchem Mejer als Amts- schreiber fungirte, zur Untersuchung gezogen und bei dieser Unter- suchung sammelte Mejer das von ihm auch im "Neuen Hanno- verischen Magazin", 1807, Stück 32--35, veröffentlichte Verzeich- niß, welches ungeachtet seiner verhältnißmäßig nur geringen Um- fänglichkeit unbestritten zu den werthvollsten Erscheinungen in der Gaunersprachlexikographie gehört. Es ist mit überall klarem Ver- ständniß und musterhafter Correctheit gesammelt und redigirt. Jn seiner Totalität gibt es vollen Grund zu der Annahme, daß die Brade'sche Bande, von deren gewiß interessanten und tüchtig ge- führten Untersuchung leider sonst nichts veröffentlicht ist, meistens aus Juden bestanden haben muß. Denn mit alleiniger Ausnahme der coburger Designation findet man nirgends in den Sprachtypen einer Gaunergruppe das reich vertretene Judendeutsch in so ge- ringer deutschdialektischer Verfärbung, wie dies in der Mejer'schen Sammlung der Fall ist. Dabei ist das logische Verständniß voll- kommen treffend, sodaß man mit Mejer's Jnterpretation und so- gar stellenweiser Analyse schon recht zufrieden sein kann. Mejer leitet a. a. O., S. 513 fg., das Verzeichniß selbst mit kurzen Worten ein:
Von der Sprache der Diebe.
Die Sprache der Diebe, die Kokumlohschen, d. h. die kluge Sprache, besteht aus ganz hebräischen Wörtern, aus ursprünglichen Diebeswörtern und aus einer Composition von beiden.
Alle Diebe von Profession (Kessediebe), alle Scharfenspieler und Kessewirthe verstehen diese Kokumlohschen, sie mögen Juden oder Christen sein.
Die Wörter und Redensarten, die ich davon habe erkundigen können, sind folgende:
Ballmassematten -- Anführer bei einem Diebstahle, der- jenige, der das eigentliche Stehlen verrichtet; dies Wort kommt her von Baal, oder Bal -- der Mann, und Massematten -- der Handel -- nicht Diebstahl. Die Diebe nennen aber
nover die Bande des Maſemann und die des Brade ihr Unweſen trieben. Die Brade’ſche Bande wurde zum Theil von dem han- növeriſchen Gerichtsſchulzenamt, bei welchem Mejer als Amts- ſchreiber fungirte, zur Unterſuchung gezogen und bei dieſer Unter- ſuchung ſammelte Mejer das von ihm auch im „Neuen Hanno- veriſchen Magazin“, 1807, Stück 32—35, veröffentlichte Verzeich- niß, welches ungeachtet ſeiner verhältnißmäßig nur geringen Um- fänglichkeit unbeſtritten zu den werthvollſten Erſcheinungen in der Gaunerſprachlexikographie gehört. Es iſt mit überall klarem Ver- ſtändniß und muſterhafter Correctheit geſammelt und redigirt. Jn ſeiner Totalität gibt es vollen Grund zu der Annahme, daß die Brade’ſche Bande, von deren gewiß intereſſanten und tüchtig ge- führten Unterſuchung leider ſonſt nichts veröffentlicht iſt, meiſtens aus Juden beſtanden haben muß. Denn mit alleiniger Ausnahme der coburger Deſignation findet man nirgends in den Sprachtypen einer Gaunergruppe das reich vertretene Judendeutſch in ſo ge- ringer deutſchdialektiſcher Verfärbung, wie dies in der Mejer’ſchen Sammlung der Fall iſt. Dabei iſt das logiſche Verſtändniß voll- kommen treffend, ſodaß man mit Mejer’s Jnterpretation und ſo- gar ſtellenweiſer Analyſe ſchon recht zufrieden ſein kann. Mejer leitet a. a. O., S. 513 fg., das Verzeichniß ſelbſt mit kurzen Worten ein:
Von der Sprache der Diebe.
Die Sprache der Diebe, die Kokumlohſchen, d. h. die kluge Sprache, beſteht aus ganz hebräiſchen Wörtern, aus urſprünglichen Diebeswörtern und aus einer Compoſition von beiden.
Alle Diebe von Profeſſion (Keſſediebe), alle Scharfenſpieler und Keſſewirthe verſtehen dieſe Kokumlohſchen, ſie mögen Juden oder Chriſten ſein.
Die Wörter und Redensarten, die ich davon habe erkundigen können, ſind folgende:
Ballmaſſematten — Anführer bei einem Diebſtahle, der- jenige, der das eigentliche Stehlen verrichtet; dies Wort kommt her von Baal, oder Bal — der Mann, und Maſſematten — der Handel — nicht Diebſtahl. Die Diebe nennen aber
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nover die Bande des Maſemann und die des Brade ihr Unweſen
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növeriſchen Gerichtsſchulzenamt, bei welchem Mejer als Amts-
ſchreiber fungirte, zur Unterſuchung gezogen und bei dieſer Unter-
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veriſchen Magazin“, 1807, Stück 32—35, veröffentlichte Verzeich-
niß, welches ungeachtet ſeiner verhältnißmäßig nur geringen Um-
fänglichkeit unbeſtritten zu den werthvollſten Erſcheinungen in der
Gaunerſprachlexikographie gehört. Es iſt mit überall klarem Ver-
ſtändniß und muſterhafter Correctheit geſammelt und redigirt. Jn
ſeiner Totalität gibt es vollen Grund zu der Annahme, daß die
Brade’ſche Bande, von deren gewiß intereſſanten und tüchtig ge-
führten Unterſuchung leider ſonſt nichts veröffentlicht iſt, meiſtens
aus Juden beſtanden haben muß. Denn mit alleiniger Ausnahme
der coburger Deſignation findet man nirgends in den Sprachtypen
einer Gaunergruppe das reich vertretene Judendeutſch in ſo ge-
ringer deutſchdialektiſcher Verfärbung, wie dies in der Mejer’ſchen
Sammlung der Fall iſt. Dabei iſt das logiſche Verſtändniß voll-
kommen treffend, ſodaß man mit Mejer’s Jnterpretation und ſo-
gar ſtellenweiſer Analyſe ſchon recht zufrieden ſein kann. Mejer
leitet a. a. O., S. 513 fg., das Verzeichniß ſelbſt mit kurzen
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Von der Sprache der Diebe.
Die Sprache der Diebe, die Kokumlohſchen, d. h. die kluge
Sprache, beſteht aus ganz hebräiſchen Wörtern, aus urſprünglichen
Diebeswörtern und aus einer Compoſition von beiden.
Alle Diebe von Profeſſion (Keſſediebe), alle Scharfenſpieler
und Keſſewirthe verſtehen dieſe Kokumlohſchen, ſie mögen Juden
oder Chriſten ſein.
Die Wörter und Redensarten, die ich davon habe erkundigen
können, ſind folgende:
Ballmaſſematten — Anführer bei einem Diebſtahle, der-
jenige, der das eigentliche Stehlen verrichtet; dies Wort kommt
her von Baal, oder Bal — der Mann, und Maſſematten —
der Handel — nicht Diebſtahl. Die Diebe nennen aber
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/196>, abgerufen am 22.11.2024.
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