Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

theilete ihnen Befehl, wenn Gericht unter ihnen gehalten würde.
Denn sie hielten Gericht, wenn einer etwas verbräche, z. E. wenn
er kappte oder verriethe. Sie hätten unter sich ein Recht, welches
das Platten-Recht genennet würde. Dieses hätten sie ordentlich
in einem Buche beschrieben. Der König besässe das Original.
Wenn nun einer von der Bande etwas verbrochen hätte, z. E.
etwas verrathen, welches sie bald erführen, so kämen ihrer 15 bis
20 zusammen, derjenige, so etwas verrathen, würde ordentlich
verhöret, und sodann nach Platten-Recht ein Urtel gefället. Hätte
einer von der Bande oder von einem Cameraden ein Verbrechen,
z. E. einen Kirchen-Raub, verrathen, darauf das Leben stünde,
so würde ihm, ohne alle Gnade, das Leben aberkannt und ge-
nommen, wie solches etlichemal, und zwar einmal an einem
Zigeuner geschehen, wobey er selbst gewesen wäre. Und dadurch
brächten sie es dahin, daß nicht leicht einer bekenne oder verrathen
würde. Die geringste Straffe wäre, daß einer, der zu denen vor-
nehmsten gehöre, wieder zu denen schlechtesten verstossen würde,
und dieses wäre doch schon etwas grosses unter ihnen. Verriethe
einer nur, daß andere von der Bande Kleider-Waare und der-
gleichen gestohlen hätte, und käme wieder aus dem Arrest, so
würde er bey einem Platten oder Diebshäler in einem Keller ge-
sperrt, und acht Tage darin gelassen, da er dann nicht mehr als
vor einen halben Batzen Brod und ein Manß Wasser bekäme,
stürbe er, nun so stürbe er, denn sie könnten keine andere Art er-
zwingen, daß nichts verrathen würde. Ehe sie jedoch einem das
Leben ab erkennten, so sähen sie nach dem Platten-Recht darauf,
ob er in den Gerichten scharf angegriffen worden, ob und wie
viele Grade der Tortur derselbe bekommen, ob er sehr lange ge-
sessen? et cet. Denn wenn dieses wäre, so würde das Urtel ge-
linder gefällt, und eine andere Strafe dictiret. Sie hielten sich oft
zu 15 bis 20 Mann starck bey ihren Platten 14 Tage, 3 Wochen
auf, und schössen im Anfange Geld zusammen, wie denn auch
solches damals geschehen wäre, da der Creutzmüller bei Heldburg
bestohlen worden, inmassen er selbst 18 Kfl. dazu von dem Creutz-
müllers-Diebstahl hergeschossen hätte. Sie lernten, veränderten

theilete ihnen Befehl, wenn Gericht unter ihnen gehalten würde.
Denn ſie hielten Gericht, wenn einer etwas verbräche, z. E. wenn
er kappte oder verriethe. Sie hätten unter ſich ein Recht, welches
das Platten-Recht genennet würde. Dieſes hätten ſie ordentlich
in einem Buche beſchrieben. Der König beſäſſe das Original.
Wenn nun einer von der Bande etwas verbrochen hätte, z. E.
etwas verrathen, welches ſie bald erführen, ſo kämen ihrer 15 bis
20 zuſammen, derjenige, ſo etwas verrathen, würde ordentlich
verhöret, und ſodann nach Platten-Recht ein Urtel gefället. Hätte
einer von der Bande oder von einem Cameraden ein Verbrechen,
z. E. einen Kirchen-Raub, verrathen, darauf das Leben ſtünde,
ſo würde ihm, ohne alle Gnade, das Leben aberkannt und ge-
nommen, wie ſolches etlichemal, und zwar einmal an einem
Zigeuner geſchehen, wobey er ſelbſt geweſen wäre. Und dadurch
brächten ſie es dahin, daß nicht leicht einer bekenne oder verrathen
würde. Die geringſte Straffe wäre, daß einer, der zu denen vor-
nehmſten gehöre, wieder zu denen ſchlechteſten verſtoſſen würde,
und dieſes wäre doch ſchon etwas groſſes unter ihnen. Verriethe
einer nur, daß andere von der Bande Kleider-Waare und der-
gleichen geſtohlen hätte, und käme wieder aus dem Arreſt, ſo
würde er bey einem Platten oder Diebshäler in einem Keller ge-
ſperrt, und acht Tage darin gelaſſen, da er dann nicht mehr als
vor einen halben Batzen Brod und ein Māß Waſſer bekäme,
ſtürbe er, nun ſo ſtürbe er, denn ſie könnten keine andere Art er-
zwingen, daß nichts verrathen würde. Ehe ſie jedoch einem das
Leben ab erkennten, ſo ſähen ſie nach dem Platten-Recht darauf,
ob er in den Gerichten ſcharf angegriffen worden, ob und wie
viele Grade der Tortur derſelbe bekommen, ob er ſehr lange ge-
ſeſſen? et cet. Denn wenn dieſes wäre, ſo würde das Urtel ge-
linder gefällt, und eine andere Strafe dictiret. Sie hielten ſich oft
zu 15 bis 20 Mann ſtarck bey ihren Platten 14 Tage, 3 Wochen
auf, und ſchöſſen im Anfange Geld zuſammen, wie denn auch
ſolches damals geſchehen wäre, da der Creutzmüller bei Heldburg
beſtohlen worden, inmaſſen er ſelbſt 18 Kfl. dazu von dem Creutz-
müllers-Diebſtahl hergeſchoſſen hätte. Sie lernten, veränderten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0160" n="148"/>
theilete ihnen Befehl, wenn Gericht unter ihnen gehalten würde.<lb/>
Denn &#x017F;ie hielten Gericht, wenn einer etwas verbräche, z. E. wenn<lb/>
er kappte oder verriethe. Sie hätten unter &#x017F;ich ein Recht, welches<lb/>
das Platten-Recht genennet würde. Die&#x017F;es hätten &#x017F;ie ordentlich<lb/>
in einem Buche be&#x017F;chrieben. Der König be&#x017F;ä&#x017F;&#x017F;e das Original.<lb/>
Wenn nun einer von der Bande etwas verbrochen hätte, z. E.<lb/>
etwas verrathen, welches &#x017F;ie bald erführen, &#x017F;o kämen ihrer 15 bis<lb/>
20 zu&#x017F;ammen, derjenige, &#x017F;o etwas verrathen, würde ordentlich<lb/>
verhöret, und &#x017F;odann nach Platten-Recht ein Urtel gefället. Hätte<lb/>
einer von der Bande oder von einem Cameraden ein Verbrechen,<lb/>
z. E. einen Kirchen-Raub, verrathen, darauf das Leben &#x017F;tünde,<lb/>
&#x017F;o würde ihm, ohne alle Gnade, das Leben aberkannt und ge-<lb/>
nommen, wie &#x017F;olches etlichemal, und zwar einmal an einem<lb/>
Zigeuner ge&#x017F;chehen, wobey er &#x017F;elb&#x017F;t gewe&#x017F;en wäre. Und dadurch<lb/>
brächten &#x017F;ie es dahin, daß nicht leicht einer bekenne oder verrathen<lb/>
würde. Die gering&#x017F;te Straffe wäre, daß einer, der zu denen vor-<lb/>
nehm&#x017F;ten gehöre, wieder zu denen &#x017F;chlechte&#x017F;ten ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en würde,<lb/>
und die&#x017F;es wäre doch &#x017F;chon etwas gro&#x017F;&#x017F;es unter ihnen. Verriethe<lb/>
einer nur, daß andere von der Bande Kleider-Waare und der-<lb/>
gleichen ge&#x017F;tohlen hätte, und käme wieder aus dem Arre&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
würde er bey einem Platten oder Diebshäler in einem Keller ge-<lb/>
&#x017F;perrt, und acht Tage darin gela&#x017F;&#x017F;en, da er dann nicht mehr als<lb/>
vor einen halben Batzen Brod und ein Ma&#x0304;ß Wa&#x017F;&#x017F;er bekäme,<lb/>
&#x017F;türbe er, nun &#x017F;o &#x017F;türbe er, denn &#x017F;ie könnten keine andere Art er-<lb/>
zwingen, daß nichts verrathen würde. Ehe &#x017F;ie jedoch einem das<lb/>
Leben ab erkennten, &#x017F;o &#x017F;ähen &#x017F;ie nach dem Platten-Recht darauf,<lb/>
ob er in den Gerichten &#x017F;charf angegriffen worden, ob und wie<lb/>
viele Grade der Tortur der&#x017F;elbe bekommen, ob er &#x017F;ehr lange ge-<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en? <hi rendition="#aq">et cet.</hi> Denn wenn die&#x017F;es wäre, &#x017F;o würde das Urtel ge-<lb/>
linder gefällt, und eine andere Strafe dictiret. Sie hielten &#x017F;ich oft<lb/>
zu 15 bis 20 Mann &#x017F;tarck bey ihren Platten 14 Tage, 3 Wochen<lb/>
auf, und &#x017F;chö&#x017F;&#x017F;en im Anfange Geld zu&#x017F;ammen, wie denn auch<lb/>
&#x017F;olches damals ge&#x017F;chehen wäre, da der Creutzmüller bei Heldburg<lb/>
be&#x017F;tohlen worden, inma&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;elb&#x017F;t 18 Kfl. dazu von dem Creutz-<lb/>
müllers-Dieb&#x017F;tahl herge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en hätte. Sie lernten, veränderten<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0160] theilete ihnen Befehl, wenn Gericht unter ihnen gehalten würde. Denn ſie hielten Gericht, wenn einer etwas verbräche, z. E. wenn er kappte oder verriethe. Sie hätten unter ſich ein Recht, welches das Platten-Recht genennet würde. Dieſes hätten ſie ordentlich in einem Buche beſchrieben. Der König beſäſſe das Original. Wenn nun einer von der Bande etwas verbrochen hätte, z. E. etwas verrathen, welches ſie bald erführen, ſo kämen ihrer 15 bis 20 zuſammen, derjenige, ſo etwas verrathen, würde ordentlich verhöret, und ſodann nach Platten-Recht ein Urtel gefället. Hätte einer von der Bande oder von einem Cameraden ein Verbrechen, z. E. einen Kirchen-Raub, verrathen, darauf das Leben ſtünde, ſo würde ihm, ohne alle Gnade, das Leben aberkannt und ge- nommen, wie ſolches etlichemal, und zwar einmal an einem Zigeuner geſchehen, wobey er ſelbſt geweſen wäre. Und dadurch brächten ſie es dahin, daß nicht leicht einer bekenne oder verrathen würde. Die geringſte Straffe wäre, daß einer, der zu denen vor- nehmſten gehöre, wieder zu denen ſchlechteſten verſtoſſen würde, und dieſes wäre doch ſchon etwas groſſes unter ihnen. Verriethe einer nur, daß andere von der Bande Kleider-Waare und der- gleichen geſtohlen hätte, und käme wieder aus dem Arreſt, ſo würde er bey einem Platten oder Diebshäler in einem Keller ge- ſperrt, und acht Tage darin gelaſſen, da er dann nicht mehr als vor einen halben Batzen Brod und ein Māß Waſſer bekäme, ſtürbe er, nun ſo ſtürbe er, denn ſie könnten keine andere Art er- zwingen, daß nichts verrathen würde. Ehe ſie jedoch einem das Leben ab erkennten, ſo ſähen ſie nach dem Platten-Recht darauf, ob er in den Gerichten ſcharf angegriffen worden, ob und wie viele Grade der Tortur derſelbe bekommen, ob er ſehr lange ge- ſeſſen? et cet. Denn wenn dieſes wäre, ſo würde das Urtel ge- linder gefällt, und eine andere Strafe dictiret. Sie hielten ſich oft zu 15 bis 20 Mann ſtarck bey ihren Platten 14 Tage, 3 Wochen auf, und ſchöſſen im Anfange Geld zuſammen, wie denn auch ſolches damals geſchehen wäre, da der Creutzmüller bei Heldburg beſtohlen worden, inmaſſen er ſelbſt 18 Kfl. dazu von dem Creutz- müllers-Diebſtahl hergeſchoſſen hätte. Sie lernten, veränderten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/160
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/160>, abgerufen am 23.11.2024.