strepitus geirre, ir negehuget alliz ana der mysteriorum iu- veres redemptoris unte der durneinon coronon, die imo judaica gens auf sazta, diu sein mauoter uuas secundum carnem etc.
Man sieht hier, wie an allen gleichzeitigen, ja noch frühern Stellen, in dem Wechsel des vorherrschenden Deutschen mit ein- zelnen lateinischen und lateinisch flectirten Wörtern durchaus keine Vermischung der Sprachen, sondern beide Sprachen mit un- verletzten Flexionen in ihren Gegensätzen getrennt nebeneinander stehen und man erkennt den aufgeklärten deutschen Abt des 11. Jahr- hunderts, der, obwol seine ganze Bildung von römischem Cultus und römischer Sprache getragen war, das Möglichste that, um sich der lateinischen Sprache zu entringen, und welcher nur noch die latei- nischen Bezeichnungen beibehielt, weil sie kirchentechnische Termini waren und populäres Verständniß erlangt hatten, oder weil er selbst nicht das richtige deutsche Wort sogleich finden konnte. Man darf nie vergessen, daß jene alten Sprachdenkmäler zumeist reli- giöse Gegenstände behandelten und fast ausschließlich von Geist- lichen, den einzigen Trägern der Wissenschaft überhaupt, herrühren, und daß gleichzeitige, ja noch viel ältere, nicht aus dem Cultus entsprungene Sprachdocumente, wie z. B. der Schwur der Könige und der Völker zu Strasburg (842): In godes minna ind in thes christianes folches ind unser bedhero gehaltnissi u. s. w. 1), das Lied auf den Sieg König Ludwig's III. bei Saucourt (881) aus dem 9. Jahrhundert 2), eine von allen lateinischen Einschal- tungen freie deutsche Sprache enthalten.
Jn gleicher Weise verhält es sich mit den freilich viel spä- tern, von Genthe, wie es scheint, mit ungenauer Kenntniß der Richtung und Bedeutsamkeit des wackern Peter von Dresden (+ 1440) nur sehr oberflächlich und auch mit Unrecht hierher ge- zogenen kirchlichen Gesängen dieses merkwürdigen Zeitgenossen des Johannes Huß. Wenn je ein Kirchenlieddichter des Mittelalters
1) Vgl. Wackernagel, "Althochdeutsches Lesebuch", S. 76, 23.
2) Ebend., S. 106.
Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 5
strepitus geírre, ir negehúget alliz ána der mysteriorum iu- veres redemptoris unte der dúrnînon corônon, die imo judaica gens ûf sázta, díu sîn mûoter uuás secundum carnem etc.
Man ſieht hier, wie an allen gleichzeitigen, ja noch frühern Stellen, in dem Wechſel des vorherrſchenden Deutſchen mit ein- zelnen lateiniſchen und lateiniſch flectirten Wörtern durchaus keine Vermiſchung der Sprachen, ſondern beide Sprachen mit un- verletzten Flexionen in ihren Gegenſätzen getrennt nebeneinander ſtehen und man erkennt den aufgeklärten deutſchen Abt des 11. Jahr- hunderts, der, obwol ſeine ganze Bildung von römiſchem Cultus und römiſcher Sprache getragen war, das Möglichſte that, um ſich der lateiniſchen Sprache zu entringen, und welcher nur noch die latei- niſchen Bezeichnungen beibehielt, weil ſie kirchentechniſche Termini waren und populäres Verſtändniß erlangt hatten, oder weil er ſelbſt nicht das richtige deutſche Wort ſogleich finden konnte. Man darf nie vergeſſen, daß jene alten Sprachdenkmäler zumeiſt reli- giöſe Gegenſtände behandelten und faſt ausſchließlich von Geiſt- lichen, den einzigen Trägern der Wiſſenſchaft überhaupt, herrühren, und daß gleichzeitige, ja noch viel ältere, nicht aus dem Cultus entſprungene Sprachdocumente, wie z. B. der Schwur der Könige und der Völker zu Strasburg (842): In godes minna ind in thes christiânes folches ind unser bêdhêro gehaltnissi u. ſ. w. 1), das Lied auf den Sieg König Ludwig’s III. bei Saucourt (881) aus dem 9. Jahrhundert 2), eine von allen lateiniſchen Einſchal- tungen freie deutſche Sprache enthalten.
Jn gleicher Weiſe verhält es ſich mit den freilich viel ſpä- tern, von Genthe, wie es ſcheint, mit ungenauer Kenntniß der Richtung und Bedeutſamkeit des wackern Peter von Dresden († 1440) nur ſehr oberflächlich und auch mit Unrecht hierher ge- zogenen kirchlichen Geſängen dieſes merkwürdigen Zeitgenoſſen des Johannes Huß. Wenn je ein Kirchenlieddichter des Mittelalters
1) Vgl. Wackernagel, „Althochdeutſches Leſebuch“, S. 76, 23.
2) Ebend., S. 106.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 5
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gens ûf sázta, díu sîn mûoter uuás secundum carnem etc.
Man ſieht hier, wie an allen gleichzeitigen, ja noch frühern
Stellen, in dem Wechſel des vorherrſchenden Deutſchen mit ein-
zelnen lateiniſchen und lateiniſch flectirten Wörtern durchaus keine
Vermiſchung der Sprachen, ſondern beide Sprachen mit un-
verletzten Flexionen in ihren Gegenſätzen getrennt nebeneinander
ſtehen und man erkennt den aufgeklärten deutſchen Abt des 11. Jahr-
hunderts, der, obwol ſeine ganze Bildung von römiſchem Cultus
und römiſcher Sprache getragen war, das Möglichſte that, um ſich
der lateiniſchen Sprache zu entringen, und welcher nur noch die latei-
niſchen Bezeichnungen beibehielt, weil ſie kirchentechniſche Termini
waren und populäres Verſtändniß erlangt hatten, oder weil er
ſelbſt nicht das richtige deutſche Wort ſogleich finden konnte. Man
darf nie vergeſſen, daß jene alten Sprachdenkmäler zumeiſt reli-
giöſe Gegenſtände behandelten und faſt ausſchließlich von Geiſt-
lichen, den einzigen Trägern der Wiſſenſchaft überhaupt, herrühren,
und daß gleichzeitige, ja noch viel ältere, nicht aus dem Cultus
entſprungene Sprachdocumente, wie z. B. der Schwur der Könige
und der Völker zu Strasburg (842): In godes minna ind in
thes christiânes folches ind unser bêdhêro gehaltnissi u. ſ. w. 1),
das Lied auf den Sieg König Ludwig’s III. bei Saucourt (881)
aus dem 9. Jahrhundert 2), eine von allen lateiniſchen Einſchal-
tungen freie deutſche Sprache enthalten.
Jn gleicher Weiſe verhält es ſich mit den freilich viel ſpä-
tern, von Genthe, wie es ſcheint, mit ungenauer Kenntniß der
Richtung und Bedeutſamkeit des wackern Peter von Dresden
(† 1440) nur ſehr oberflächlich und auch mit Unrecht hierher ge-
zogenen kirchlichen Geſängen dieſes merkwürdigen Zeitgenoſſen des
Johannes Huß. Wenn je ein Kirchenlieddichter des Mittelalters
1) Vgl. Wackernagel, „Althochdeutſches Leſebuch“, S. 76, 23.
2) Ebend., S. 106.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 5
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/99>, abgerufen am 22.11.2024.
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