tragenen hebräischen Zweigs des semitischen Sprachstammes mit dem seit grauer Zeit auf deutschem Boden in wunderbarer Ur- sprünglichkeit erschienenen und eingebürgerten Zweige des indo- germanischen Sprachstammes zusammen und vereinigte sich mit ihm zu einem neuen, ganz eigenthümlichen Sprachbau, den er un- bewußt, aber vom Bedürfniß und Zwang getrieben, aus dem wild und unordentlich zusammengeworfenen Material aneinander fügte und mit dem schmuzigen Mörtel des Bodens verband, auf welchem das Judenthum mit der Hefe des Volkes zusammen umherkriechen mußte. 1)
Das Judendeutsch ist somit keine aus natürlichem Grunde und innerm Sprachbedürfniß herangebildete, keine gewordene, son- dern nur eine gemachte Sprache, lingua fictitia, eine Sprach- mosaik, aus welcher überall das Bild tiefen sittlichen und politi- schen Elends, geistigen, leiblichen und sprachlichen Zwangs, aber trotz allem Elend, trotz allem Zwang dennoch lebendige, helle, unvergängliche Farbentöne und überall scharf charakterisirte Figu- ren bewußten Elends wie erbitterten Spottes und Hohns hervor- treten. Beide Factoren, das verdorbene Hebräische mit seinen Chaldäismen und Rabbinismen, das Deutsche mit allen seinen verschiedenen Dialekten, geriethen jedes als ein selbständig volks- thümlich abgerundetes Sprachganzes zusammen. Jn Zwang und Elend wurden sie miteinander verbunden. Sie suchten sich nicht aus verwandtschaftlicher Sympathie, sondern fanden sich, weil sie gewaltsam zusammengezwungen wurden, wobei auf jeder Seite das im nationalen Sprachentwickelungsproceß bereits specifisch Ausgebildete hartnäckig der Vereinigung widerstrebte und entweder in seiner Eigenthümlichkeit sich behauptete oder im Zwange der gewaltsamen Zusammenschiebung verstümmelt wurde. So ist das Judendeutsch eine immerwährend gärende Sprachmasse, in wel-
1) Ueber die politische, sittliche und religiöse Lage der Juden in Deutsch- land sagt sehr Gewichtiges der leider für das Judenthum und die Wissenschaft im November 1860 viel zu früh gestorbene J. M. Jost I, 207 fg., vgl. mit III, 195 seines höchst bedeutenden Werkes: "Geschichte des Judenthums und seiner Sekten" (3 Thle., Leipzig 1856--59).
tragenen hebräiſchen Zweigs des ſemitiſchen Sprachſtammes mit dem ſeit grauer Zeit auf deutſchem Boden in wunderbarer Ur- ſprünglichkeit erſchienenen und eingebürgerten Zweige des indo- germaniſchen Sprachſtammes zuſammen und vereinigte ſich mit ihm zu einem neuen, ganz eigenthümlichen Sprachbau, den er un- bewußt, aber vom Bedürfniß und Zwang getrieben, aus dem wild und unordentlich zuſammengeworfenen Material aneinander fügte und mit dem ſchmuzigen Mörtel des Bodens verband, auf welchem das Judenthum mit der Hefe des Volkes zuſammen umherkriechen mußte. 1)
Das Judendeutſch iſt ſomit keine aus natürlichem Grunde und innerm Sprachbedürfniß herangebildete, keine gewordene, ſon- dern nur eine gemachte Sprache, lingua fictitia, eine Sprach- moſaik, aus welcher überall das Bild tiefen ſittlichen und politi- ſchen Elends, geiſtigen, leiblichen und ſprachlichen Zwangs, aber trotz allem Elend, trotz allem Zwang dennoch lebendige, helle, unvergängliche Farbentöne und überall ſcharf charakteriſirte Figu- ren bewußten Elends wie erbitterten Spottes und Hohns hervor- treten. Beide Factoren, das verdorbene Hebräiſche mit ſeinen Chaldäismen und Rabbinismen, das Deutſche mit allen ſeinen verſchiedenen Dialekten, geriethen jedes als ein ſelbſtändig volks- thümlich abgerundetes Sprachganzes zuſammen. Jn Zwang und Elend wurden ſie miteinander verbunden. Sie ſuchten ſich nicht aus verwandtſchaftlicher Sympathie, ſondern fanden ſich, weil ſie gewaltſam zuſammengezwungen wurden, wobei auf jeder Seite das im nationalen Sprachentwickelungsproceß bereits ſpecifiſch Ausgebildete hartnäckig der Vereinigung widerſtrebte und entweder in ſeiner Eigenthümlichkeit ſich behauptete oder im Zwange der gewaltſamen Zuſammenſchiebung verſtümmelt wurde. So iſt das Judendeutſch eine immerwährend gärende Sprachmaſſe, in wel-
1) Ueber die politiſche, ſittliche und religiöſe Lage der Juden in Deutſch- land ſagt ſehr Gewichtiges der leider für das Judenthum und die Wiſſenſchaft im November 1860 viel zu früh geſtorbene J. M. Joſt I, 207 fg., vgl. mit III, 195 ſeines höchſt bedeutenden Werkes: „Geſchichte des Judenthums und ſeiner Sekten“ (3 Thle., Leipzig 1856—59).
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tragenen hebräiſchen Zweigs des ſemitiſchen Sprachſtammes mit
dem ſeit grauer Zeit auf deutſchem Boden in wunderbarer Ur-
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germaniſchen Sprachſtammes zuſammen und vereinigte ſich mit
ihm zu einem neuen, ganz eigenthümlichen Sprachbau, den er un-
bewußt, aber vom Bedürfniß und Zwang getrieben, aus dem wild
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und mit dem ſchmuzigen Mörtel des Bodens verband, auf welchem
das Judenthum mit der Hefe des Volkes zuſammen umherkriechen
mußte. 1)
Das Judendeutſch iſt ſomit keine aus natürlichem Grunde
und innerm Sprachbedürfniß herangebildete, keine gewordene, ſon-
dern nur eine gemachte Sprache, lingua fictitia, eine Sprach-
moſaik, aus welcher überall das Bild tiefen ſittlichen und politi-
ſchen Elends, geiſtigen, leiblichen und ſprachlichen Zwangs, aber
trotz allem Elend, trotz allem Zwang dennoch lebendige, helle,
unvergängliche Farbentöne und überall ſcharf charakteriſirte Figu-
ren bewußten Elends wie erbitterten Spottes und Hohns hervor-
treten. Beide Factoren, das verdorbene Hebräiſche mit ſeinen
Chaldäismen und Rabbinismen, das Deutſche mit allen ſeinen
verſchiedenen Dialekten, geriethen jedes als ein ſelbſtändig volks-
thümlich abgerundetes Sprachganzes zuſammen. Jn Zwang und
Elend wurden ſie miteinander verbunden. Sie ſuchten ſich nicht
aus verwandtſchaftlicher Sympathie, ſondern fanden ſich, weil ſie
gewaltſam zuſammengezwungen wurden, wobei auf jeder Seite
das im nationalen Sprachentwickelungsproceß bereits ſpecifiſch
Ausgebildete hartnäckig der Vereinigung widerſtrebte und entweder
in ſeiner Eigenthümlichkeit ſich behauptete oder im Zwange der
gewaltſamen Zuſammenſchiebung verſtümmelt wurde. So iſt das
Judendeutſch eine immerwährend gärende Sprachmaſſe, in wel-
1) Ueber die politiſche, ſittliche und religiöſe Lage der Juden in Deutſch-
land ſagt ſehr Gewichtiges der leider für das Judenthum und die Wiſſenſchaft
im November 1860 viel zu früh geſtorbene J. M. Joſt I, 207 fg., vgl. mit
III, 195 ſeines höchſt bedeutenden Werkes: „Geſchichte des Judenthums und
ſeiner Sekten“ (3 Thle., Leipzig 1856—59).
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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