Art Rothwelsch war auch, vor mehreren Jahren unter der berliner Jugend sehr an der Tagesordnung", den Gedanken gehabt zu haben, daß Schottelius als einer der Erzväter der deutschen Schul- grammatik diesen für die lernbegierige Jugend auf den harten Schulbänken zwiefach interessanten, kurzweiligen Theil deutscher Grammatik auch auf die späteste deutsche Jugend, obschon nur in mündlicher Tradition, vererben würde, wie sich denn nun wirklich nicht allein die Jugend in Berlin, sondern auch die in Lübeck und allerorten, wo es Jugend, Schule, Grammatik und Streben nach Beseitigung der Langeweile gibt, mit dieser sehr beliebten Fisch- sprache1) oder Erbsensprache eifrig beschäftigt, ohne dadurch so jung in die gaunerische Sprachsphäre zu gerathen. Auch die französische Jugend kennt diese grammatische Etude, wie Barbieux 2) anführt: J'aipai epetepe chepe luipi für: j'ai ete chez lui.
Eine andere steganographische Methode hat Moscherosch ("Wun- derliche Warhafftige Gesichte, Th. II, sechstes Gesicht, Soldaten- leben, S. 601) durchgeführt. Danach werden nur einzelne Vocale und Consonanten miteinander verwechselt. Der Schlüssel ist:
a für u,
u - a,
e - o,
o - e,
l - r,
r - l,
m - n,
n - m.
Danach liest sich der S. 601 angeführte Gaunerbrief:
"Riobo hollom: oß wild abol nelgom flaoha oim Schiff nit aiorom wuhlom, glessol buhlschufft amd raottom aem himmon much Tliel gohom, duß keommont sio urros hubom; zal sicholhoit hub ich jhmom noimom sehm zan pfumdt goschickt" -- mit Behendigkeit so:
1) Auch Fissensprache genannt, verdorben für Fiselsprache; vgl. Kap. 35.
2) "Antibarbarus der französischen Sprache" (Frankfurt a. M. 1853), S. 343.
Art Rothwelſch war auch, vor mehreren Jahren unter der berliner Jugend ſehr an der Tagesordnung“, den Gedanken gehabt zu haben, daß Schottelius als einer der Erzväter der deutſchen Schul- grammatik dieſen für die lernbegierige Jugend auf den harten Schulbänken zwiefach intereſſanten, kurzweiligen Theil deutſcher Grammatik auch auf die ſpäteſte deutſche Jugend, obſchon nur in mündlicher Tradition, vererben würde, wie ſich denn nun wirklich nicht allein die Jugend in Berlin, ſondern auch die in Lübeck und allerorten, wo es Jugend, Schule, Grammatik und Streben nach Beſeitigung der Langeweile gibt, mit dieſer ſehr beliebten Fiſch- ſprache1) oder Erbſenſprache eifrig beſchäftigt, ohne dadurch ſo jung in die gauneriſche Sprachſphäre zu gerathen. Auch die franzöſiſche Jugend kennt dieſe grammatiſche Etude, wie Barbieux 2) anführt: J’aipai épétépé chépé luipi für: j’ai été chez lui.
Eine andere ſteganographiſche Methode hat Moſcheroſch („Wun- derliche Warhafftige Geſichte, Th. II, ſechstes Geſicht, Soldaten- leben, S. 601) durchgeführt. Danach werden nur einzelne Vocale und Conſonanten miteinander verwechſelt. Der Schlüſſel iſt:
a für u,
u - a,
e - o,
o - e,
l - r,
r - l,
m - n,
n - m.
Danach lieſt ſich der S. 601 angeführte Gaunerbrief:
„Riobo hollom: oß wild abol nelgom flaoha oim Schiff nit aiorom wuhlom, gleſſol buhlſchufft amd raottom aem himmon much Tliel gohom, duß keommont ſio urros hubom; zal ſicholhoit hub ich jhmom noimom ſehm zan pfumdt goſchickt“ — mit Behendigkeit ſo:
1) Auch Fiſſenſprache genannt, verdorben für Fiſelſprache; vgl. Kap. 35.
2) „Antibarbarus der franzöſiſchen Sprache“ (Frankfurt a. M. 1853), S. 343.
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Schulbänken zwiefach intereſſanten, kurzweiligen Theil deutſcher
Grammatik auch auf die ſpäteſte deutſche Jugend, obſchon nur in
mündlicher Tradition, vererben würde, wie ſich denn nun wirklich
nicht allein die Jugend in Berlin, ſondern auch die in Lübeck und
allerorten, wo es Jugend, Schule, Grammatik und Streben nach
Beſeitigung der Langeweile gibt, mit dieſer ſehr beliebten Fiſch-
ſprache 1) oder Erbſenſprache eifrig beſchäftigt, ohne dadurch
ſo jung in die gauneriſche Sprachſphäre zu gerathen. Auch die
franzöſiſche Jugend kennt dieſe grammatiſche Etude, wie Barbieux 2)
anführt: J’aipai épétépé chépé luipi für: j’ai été chez lui.
Eine andere ſteganographiſche Methode hat Moſcheroſch („Wun-
derliche Warhafftige Geſichte, Th. II, ſechstes Geſicht, Soldaten-
leben, S. 601) durchgeführt. Danach werden nur einzelne Vocale
und Conſonanten miteinander verwechſelt. Der Schlüſſel iſt:
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Danach lieſt ſich der S. 601 angeführte Gaunerbrief:
„Riobo hollom: oß wild abol nelgom flaoha oim Schiff nit
aiorom wuhlom, gleſſol buhlſchufft amd raottom aem himmon
much Tliel gohom, duß keommont ſio urros hubom; zal ſicholhoit
hub ich jhmom noimom ſehm zan pfumdt goſchickt“ —
mit Behendigkeit ſo:
1) Auch Fiſſenſprache genannt, verdorben für Fiſelſprache; vgl. Kap. 35.
2) „Antibarbarus der franzöſiſchen Sprache“ (Frankfurt a. M. 1853),
S. 343.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/223>, abgerufen am 22.11.2024.
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