der Dappelschicksen völlig einzig da und deutet auf einen sehr star- ken Einfluß des Schinderwesens auf das Gaunerthum, welcher allerdings historisch nachweisbar ist. Die urtheilfällende deutsche Gemeinde mußte ursprünglich selbst das Urtheil vollziehen, wenn nicht dem Kläger die Hinrichtung übertragen wurde. Die von den dithmarscher Bauern an dem verurtheilten Heinrich von Zut- phen 1524 vollzogene Hinrichtung ist noch eine sehr merkwürdige späte Reliquie davon. Doch mögen auch schon in den frühesten Zeiten die Schergen und Fronboten (scarjo, weizinari, wiziscalh) als angesehene Beamte des Gerichts die Executionen vollzogen haben, bis denn sogar, wie in Reutlingen, der jüngste Schöffe und, wie im Fränkischen, der jüngste Ehemann die Executionen zu vollziehen hatte. 1) Das christliche Gefühl hat wol am ent- schiedensten gegen solche rohe directe praktische Betheiligung des Gerichts an den Hinrichtungen gewirkt und die Uebergabe dersel- ben in die Hände unfreier Knechte veranlaßt, wodurch denn das blutige Geschäft mit seinen voraufgehenden Qualen um so mehr der allgemeinen Verachtung verfiel, je schärfer das exclusiv Gewerbliche der furchtbaren Thätigkeit hervortrat und ein förmlich geschlossener Stand der Scharfrichter sich bildete. Es ist eine, frei- lich hier nicht zu lösende, höchst interessante Aufgabe für den Cul- tur- und Rechtshistoriker, die Hin- und Herwirkungen des alten Rechtsherkommens und der christlichen Auflehnung dagegen in den vielen nach Ort und Zeit sehr verschiedenen Begrenzungen, Clas- sificationen und Bezeichnungen des Scharfrichterwesens zu erken- nen und darzustellen. Doch muß hier die Andeutung genügen, daß der Scharfrichterstand gerade zu der Zeit am meisten verachtet und gehaßt wurde, in welcher die Criminalgesetzgebung im Men-
1) Wol stark zu bezweifeln ist, was Krantz (Vandal., L. 5, c. 32 und L. 9, c. 8) erzählt, daß Herzog Heinrich von Mecklenburg in seinem Eifer bei Verfolgung der Freibeuter einen Vorrath von Stricken an seinem Sattel ge- führt und dem ertappten Räuber selbst den Strick um den Hals geworfen habe mit den Worten: "Du moist my dorch den Ring kieken!" Vgl. in Quistorp's "Beiträgen zur Erläuterung verschiedener Rechtsmaterien" (1787) Abhandl. 50, S. 767 fg.
der Dappelſchickſen völlig einzig da und deutet auf einen ſehr ſtar- ken Einfluß des Schinderweſens auf das Gaunerthum, welcher allerdings hiſtoriſch nachweisbar iſt. Die urtheilfällende deutſche Gemeinde mußte urſprünglich ſelbſt das Urtheil vollziehen, wenn nicht dem Kläger die Hinrichtung übertragen wurde. Die von den dithmarſcher Bauern an dem verurtheilten Heinrich von Zut- phen 1524 vollzogene Hinrichtung iſt noch eine ſehr merkwürdige ſpäte Reliquie davon. Doch mögen auch ſchon in den früheſten Zeiten die Schergen und Fronboten (scarjo, wîzinari, wiziscalh) als angeſehene Beamte des Gerichts die Executionen vollzogen haben, bis denn ſogar, wie in Reutlingen, der jüngſte Schöffe und, wie im Fränkiſchen, der jüngſte Ehemann die Executionen zu vollziehen hatte. 1) Das chriſtliche Gefühl hat wol am ent- ſchiedenſten gegen ſolche rohe directe praktiſche Betheiligung des Gerichts an den Hinrichtungen gewirkt und die Uebergabe derſel- ben in die Hände unfreier Knechte veranlaßt, wodurch denn das blutige Geſchäft mit ſeinen voraufgehenden Qualen um ſo mehr der allgemeinen Verachtung verfiel, je ſchärfer das excluſiv Gewerbliche der furchtbaren Thätigkeit hervortrat und ein förmlich geſchloſſener Stand der Scharfrichter ſich bildete. Es iſt eine, frei- lich hier nicht zu löſende, höchſt intereſſante Aufgabe für den Cul- tur- und Rechtshiſtoriker, die Hin- und Herwirkungen des alten Rechtsherkommens und der chriſtlichen Auflehnung dagegen in den vielen nach Ort und Zeit ſehr verſchiedenen Begrenzungen, Claſ- ſificationen und Bezeichnungen des Scharfrichterweſens zu erken- nen und darzuſtellen. Doch muß hier die Andeutung genügen, daß der Scharfrichterſtand gerade zu der Zeit am meiſten verachtet und gehaßt wurde, in welcher die Criminalgeſetzgebung im Men-
1) Wol ſtark zu bezweifeln iſt, was Krantz (Vandal., L. 5, c. 32 und L. 9, c. 8) erzählt, daß Herzog Heinrich von Mecklenburg in ſeinem Eifer bei Verfolgung der Freibeuter einen Vorrath von Stricken an ſeinem Sattel ge- führt und dem ertappten Räuber ſelbſt den Strick um den Hals geworfen habe mit den Worten: „Du moiſt my dorch den Ring kieken!“ Vgl. in Quiſtorp’s „Beiträgen zur Erläuterung verſchiedener Rechtsmaterien“ (1787) Abhandl. 50, S. 767 fg.
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der Dappelſchickſen völlig einzig da und deutet auf einen ſehr ſtar-
ken Einfluß des Schinderweſens auf das Gaunerthum, welcher
allerdings hiſtoriſch nachweisbar iſt. Die urtheilfällende deutſche
Gemeinde mußte urſprünglich ſelbſt das Urtheil vollziehen, wenn
nicht dem Kläger die Hinrichtung übertragen wurde. Die von
den dithmarſcher Bauern an dem verurtheilten Heinrich von Zut-
phen 1524 vollzogene Hinrichtung iſt noch eine ſehr merkwürdige
ſpäte Reliquie davon. Doch mögen auch ſchon in den früheſten
Zeiten die Schergen und Fronboten (scarjo, wîzinari, wiziscalh)
als angeſehene Beamte des Gerichts die Executionen vollzogen
haben, bis denn ſogar, wie in Reutlingen, der jüngſte Schöffe
und, wie im Fränkiſchen, der jüngſte Ehemann die Executionen
zu vollziehen hatte. 1) Das chriſtliche Gefühl hat wol am ent-
ſchiedenſten gegen ſolche rohe directe praktiſche Betheiligung des
Gerichts an den Hinrichtungen gewirkt und die Uebergabe derſel-
ben in die Hände unfreier Knechte veranlaßt, wodurch denn
das blutige Geſchäft mit ſeinen voraufgehenden Qualen um ſo
mehr der allgemeinen Verachtung verfiel, je ſchärfer das excluſiv
Gewerbliche der furchtbaren Thätigkeit hervortrat und ein förmlich
geſchloſſener Stand der Scharfrichter ſich bildete. Es iſt eine, frei-
lich hier nicht zu löſende, höchſt intereſſante Aufgabe für den Cul-
tur- und Rechtshiſtoriker, die Hin- und Herwirkungen des alten
Rechtsherkommens und der chriſtlichen Auflehnung dagegen in den
vielen nach Ort und Zeit ſehr verſchiedenen Begrenzungen, Claſ-
ſificationen und Bezeichnungen des Scharfrichterweſens zu erken-
nen und darzuſtellen. Doch muß hier die Andeutung genügen,
daß der Scharfrichterſtand gerade zu der Zeit am meiſten verachtet
und gehaßt wurde, in welcher die Criminalgeſetzgebung im Men-
1) Wol ſtark zu bezweifeln iſt, was Krantz (Vandal., L. 5, c. 32 und
L. 9, c. 8) erzählt, daß Herzog Heinrich von Mecklenburg in ſeinem Eifer bei
Verfolgung der Freibeuter einen Vorrath von Stricken an ſeinem Sattel ge-
führt und dem ertappten Räuber ſelbſt den Strick um den Hals geworfen habe
mit den Worten: „Du moiſt my dorch den Ring kieken!“ Vgl. in Quiſtorp’s
„Beiträgen zur Erläuterung verſchiedener Rechtsmaterien“ (1787) Abhandl. 50,
S. 767 fg.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/184>, abgerufen am 25.11.2024.
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