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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Gerichtsleute, Profoß, Stockmeister, Steckenknecht, Nachrichter und
Hurenwaibel. Letzterer hatte die im Troß befindlichen Weibs-
personen und Buben in Ordnung zu halten und besonders dafür
zu sorgen, daß sie nicht in die Reihen liefen oder gar vor dem
Soldatenhaufen in die Lager und Ortschaften voranliefen und die
Nahrungsmittel vorwegnahmen. Bei dem fortdauernden Werbe-
system konnte später selbst die tüchtige Kriegskunst Wallenstein's,
Tilly's, Gustav Adolf's und Bernhard's von Weimar den sitt-
lichen Gehalt der wilden Soldatenhorden nicht heben, so tüchtig
diese auch in der Schlacht sich zeigten. Vielmehr verschlimmerte
sich sogar die ganze sittliche Haltung der Soldaten mehr und
mehr, welche freilich aus fast allen Theilen Europas zusammen-
geworben waren. Da kamen Holländer, Engländer, Franzosen,
Jtaliener, Ungarn, Siebenbürgen, Türken, Tataren, Zigeuner,
Haiducken, Kosacken, Kroaten, Spanier, Wallonen und Deutsche
aus allen Ecken Deutschlands zusammen. Die ruchloseste Auf-
führung neben der strengen Kriegszucht dieser zusammengerafften
Horden gab dem Stockmeister, Nachrichter und Consorten alle
Hände voll zu thun, sodaß die criminalistische Behendigkeit der
Gerichte des 17. Jahrhunderts im Prügeln, Foltern und Hin-
richten ganz besonders auch im Soldatenthum geläufig wurde.
Es ist bezeichnend, daß das Exemplar des "Beutelschneider" (vgl.
die Literatur Th. I, S. 216), welches ich besitze, nach dem Auto-
graph auf dem Schmuzblatte vor dem Titel dem Sproß einer
noch jetzt in Deutschland auf diplomatischem und soldatischem Ge-
biete ausgezeichneten adelichen Familie gehört hat, welcher wäh-
rend des Dreißigjährigen Kriegs "Haubtmann über ein Com-
paney von Zweyhundert man in Deß Wol Edlen und Gestrengen
Herrn Herrn Oberst B. Regiment" gewesen ist und den
Beutelschneider mit seinem specifisch criminalpolizeilichen Jnhalte
wol oft genug als Noth- und Hülfsbüchlein zur Aufrechthaltung
der Ordnung in seiner "Companey" zu Rathe gezogen haben
mag. 1)

1) Am Schlusse des Autographs steht dazu noch die herametrische Reflexion:
Quid sis, quid fueris, quid eris, semper mediteris.

Gerichtsleute, Profoß, Stockmeiſter, Steckenknecht, Nachrichter und
Hurenwaibel. Letzterer hatte die im Troß befindlichen Weibs-
perſonen und Buben in Ordnung zu halten und beſonders dafür
zu ſorgen, daß ſie nicht in die Reihen liefen oder gar vor dem
Soldatenhaufen in die Lager und Ortſchaften voranliefen und die
Nahrungsmittel vorwegnahmen. Bei dem fortdauernden Werbe-
ſyſtem konnte ſpäter ſelbſt die tüchtige Kriegskunſt Wallenſtein’s,
Tilly’s, Guſtav Adolf’s und Bernhard’s von Weimar den ſitt-
lichen Gehalt der wilden Soldatenhorden nicht heben, ſo tüchtig
dieſe auch in der Schlacht ſich zeigten. Vielmehr verſchlimmerte
ſich ſogar die ganze ſittliche Haltung der Soldaten mehr und
mehr, welche freilich aus faſt allen Theilen Europas zuſammen-
geworben waren. Da kamen Holländer, Engländer, Franzoſen,
Jtaliener, Ungarn, Siebenbürgen, Türken, Tataren, Zigeuner,
Haiducken, Koſacken, Kroaten, Spanier, Wallonen und Deutſche
aus allen Ecken Deutſchlands zuſammen. Die ruchloſeſte Auf-
führung neben der ſtrengen Kriegszucht dieſer zuſammengerafften
Horden gab dem Stockmeiſter, Nachrichter und Conſorten alle
Hände voll zu thun, ſodaß die criminaliſtiſche Behendigkeit der
Gerichte des 17. Jahrhunderts im Prügeln, Foltern und Hin-
richten ganz beſonders auch im Soldatenthum geläufig wurde.
Es iſt bezeichnend, daß das Exemplar des „Beutelſchneider“ (vgl.
die Literatur Th. I, S. 216), welches ich beſitze, nach dem Auto-
graph auf dem Schmuzblatte vor dem Titel dem Sproß einer
noch jetzt in Deutſchland auf diplomatiſchem und ſoldatiſchem Ge-
biete ausgezeichneten adelichen Familie gehört hat, welcher wäh-
rend des Dreißigjährigen Kriegs „Haubtmann über ein Com-
paney von Zweyhundert man in Deß Wol Edlen und Geſtrengen
Herrn Herrn Oberſt B. Regiment“ geweſen iſt und den
Beutelſchneider mit ſeinem ſpecifiſch criminalpolizeilichen Jnhalte
wol oft genug als Noth- und Hülfsbüchlein zur Aufrechthaltung
der Ordnung in ſeiner „Companey“ zu Rathe gezogen haben
mag. 1)

1) Am Schluſſe des Autographs ſteht dazu noch die herametriſche Reflexion:
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[121/0155] Gerichtsleute, Profoß, Stockmeiſter, Steckenknecht, Nachrichter und Hurenwaibel. Letzterer hatte die im Troß befindlichen Weibs- perſonen und Buben in Ordnung zu halten und beſonders dafür zu ſorgen, daß ſie nicht in die Reihen liefen oder gar vor dem Soldatenhaufen in die Lager und Ortſchaften voranliefen und die Nahrungsmittel vorwegnahmen. Bei dem fortdauernden Werbe- ſyſtem konnte ſpäter ſelbſt die tüchtige Kriegskunſt Wallenſtein’s, Tilly’s, Guſtav Adolf’s und Bernhard’s von Weimar den ſitt- lichen Gehalt der wilden Soldatenhorden nicht heben, ſo tüchtig dieſe auch in der Schlacht ſich zeigten. Vielmehr verſchlimmerte ſich ſogar die ganze ſittliche Haltung der Soldaten mehr und mehr, welche freilich aus faſt allen Theilen Europas zuſammen- geworben waren. Da kamen Holländer, Engländer, Franzoſen, Jtaliener, Ungarn, Siebenbürgen, Türken, Tataren, Zigeuner, Haiducken, Koſacken, Kroaten, Spanier, Wallonen und Deutſche aus allen Ecken Deutſchlands zuſammen. Die ruchloſeſte Auf- führung neben der ſtrengen Kriegszucht dieſer zuſammengerafften Horden gab dem Stockmeiſter, Nachrichter und Conſorten alle Hände voll zu thun, ſodaß die criminaliſtiſche Behendigkeit der Gerichte des 17. Jahrhunderts im Prügeln, Foltern und Hin- richten ganz beſonders auch im Soldatenthum geläufig wurde. Es iſt bezeichnend, daß das Exemplar des „Beutelſchneider“ (vgl. die Literatur Th. I, S. 216), welches ich beſitze, nach dem Auto- graph auf dem Schmuzblatte vor dem Titel dem Sproß einer noch jetzt in Deutſchland auf diplomatiſchem und ſoldatiſchem Ge- biete ausgezeichneten adelichen Familie gehört hat, welcher wäh- rend des Dreißigjährigen Kriegs „Haubtmann über ein Com- paney von Zweyhundert man in Deß Wol Edlen und Geſtrengen Herrn Herrn Oberſt B. Regiment“ geweſen iſt und den Beutelſchneider mit ſeinem ſpecifiſch criminalpolizeilichen Jnhalte wol oft genug als Noth- und Hülfsbüchlein zur Aufrechthaltung der Ordnung in ſeiner „Companey“ zu Rathe gezogen haben mag. 1) 1) Am Schluſſe des Autographs ſteht dazu noch die herametriſche Reflexion: Quid sis, quid fueris, quid eris, semper mediteris.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/155>, abgerufen am 25.11.2024.