erhört eigenthümlichen Mischung des Judendeutsch Kenntniß ge- habt haben. So konnte er leicht dazu gelangen, aus den beiden Sprachen, deren er Meister war, jene dem Judendeutschen analoge Wortmischung zu versuchen, in welcher er die damals vollgewaltig herrschende Gelehrten- und Weltsprache, das Lateinische, zur Füh- rerin machte und mit seiner italienischen Muttersprache zur neuen maccaronischen Composition verband.
Vierundzwanzigstes Kapitel. c)Die Zweideutigkeit des phonetischen Sprachelements.
Trotz der sprudelnden Laune der maccaronischen Dichtung, welche in der verwegenen Zusammenzwingung so verschieden- artiger Sprachstoffe sich selbst verunstaltet und den vollen Spott sarkastischer Jronie über sich selbst ergießt, um zur Geisel der an- dern Erscheinung zu werden, und trotz des rücksichtslosen Un- gestüms, in welchem sie selbst den grämlichen Leser zum Lachen zwingt und mit allen unbarmherzig über einen Boden dahinfährt, welcher ebenso holperig ist wie ihre Hexameterschemata: findet man doch auch Stellen auf dem rauhen Wege, wo eigentlich alles, auch die Poesie, aufhört, wo man plötzlich an dem Scharfsinn des Dichters zur nüchternen Reflexion abkältet und in Erstaunen geräth, wie doch die Poesie so absichtlich scharfsinnig sein und der Scharf- sinn wieder so poetisch werden konnte. Es sind solche Wörter, ja sogar ganze Sätze, Verse oder Strophen, deren Wortwurzeln in beiden gemischten Sprachen gleichen oder doch sehr ähnlichen Laut bei ganz verschiedener logischer Bedeutung haben, wobei aber dem nach der eigenthümlichen Form der einen Sprache flectirten Worte die logische Bedeutung der andern Sprache gegeben, ihm selbst aber seine primitive logische Bedeutung genommen wird. Jn den romanisch-maccaronischen Dichtungen, in welchen, wie überhaupt in den romanischen Sprachen, die ursprünglich latei- nische Wurzelhaftigkeit der meisten romanischen Wörter nicht zu
erhört eigenthümlichen Miſchung des Judendeutſch Kenntniß ge- habt haben. So konnte er leicht dazu gelangen, aus den beiden Sprachen, deren er Meiſter war, jene dem Judendeutſchen analoge Wortmiſchung zu verſuchen, in welcher er die damals vollgewaltig herrſchende Gelehrten- und Weltſprache, das Lateiniſche, zur Füh- rerin machte und mit ſeiner italieniſchen Mutterſprache zur neuen maccaroniſchen Compoſition verband.
Vierundzwanzigſtes Kapitel. c)Die Zweideutigkeit des phonetiſchen Sprachelements.
Trotz der ſprudelnden Laune der maccaroniſchen Dichtung, welche in der verwegenen Zuſammenzwingung ſo verſchieden- artiger Sprachſtoffe ſich ſelbſt verunſtaltet und den vollen Spott ſarkaſtiſcher Jronie über ſich ſelbſt ergießt, um zur Geiſel der an- dern Erſcheinung zu werden, und trotz des rückſichtsloſen Un- geſtüms, in welchem ſie ſelbſt den grämlichen Leſer zum Lachen zwingt und mit allen unbarmherzig über einen Boden dahinfährt, welcher ebenſo holperig iſt wie ihre Hexameterſchemata: findet man doch auch Stellen auf dem rauhen Wege, wo eigentlich alles, auch die Poeſie, aufhört, wo man plötzlich an dem Scharfſinn des Dichters zur nüchternen Reflexion abkältet und in Erſtaunen geräth, wie doch die Poeſie ſo abſichtlich ſcharfſinnig ſein und der Scharf- ſinn wieder ſo poetiſch werden konnte. Es ſind ſolche Wörter, ja ſogar ganze Sätze, Verſe oder Strophen, deren Wortwurzeln in beiden gemiſchten Sprachen gleichen oder doch ſehr ähnlichen Laut bei ganz verſchiedener logiſcher Bedeutung haben, wobei aber dem nach der eigenthümlichen Form der einen Sprache flectirten Worte die logiſche Bedeutung der andern Sprache gegeben, ihm ſelbſt aber ſeine primitive logiſche Bedeutung genommen wird. Jn den romaniſch-maccaroniſchen Dichtungen, in welchen, wie überhaupt in den romaniſchen Sprachen, die urſprünglich latei- niſche Wurzelhaftigkeit der meiſten romaniſchen Wörter nicht zu
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erhört eigenthümlichen Miſchung des Judendeutſch Kenntniß ge-
habt haben. So konnte er leicht dazu gelangen, aus den beiden
Sprachen, deren er Meiſter war, jene dem Judendeutſchen analoge
Wortmiſchung zu verſuchen, in welcher er die damals vollgewaltig
herrſchende Gelehrten- und Weltſprache, das Lateiniſche, zur Füh-
rerin machte und mit ſeiner italieniſchen Mutterſprache zur neuen
maccaroniſchen Compoſition verband.
Vierundzwanzigſtes Kapitel.
c) Die Zweideutigkeit des phonetiſchen Sprachelements.
Trotz der ſprudelnden Laune der maccaroniſchen Dichtung,
welche in der verwegenen Zuſammenzwingung ſo verſchieden-
artiger Sprachſtoffe ſich ſelbſt verunſtaltet und den vollen Spott
ſarkaſtiſcher Jronie über ſich ſelbſt ergießt, um zur Geiſel der an-
dern Erſcheinung zu werden, und trotz des rückſichtsloſen Un-
geſtüms, in welchem ſie ſelbſt den grämlichen Leſer zum Lachen
zwingt und mit allen unbarmherzig über einen Boden dahinfährt,
welcher ebenſo holperig iſt wie ihre Hexameterſchemata: findet man
doch auch Stellen auf dem rauhen Wege, wo eigentlich alles,
auch die Poeſie, aufhört, wo man plötzlich an dem Scharfſinn des
Dichters zur nüchternen Reflexion abkältet und in Erſtaunen geräth,
wie doch die Poeſie ſo abſichtlich ſcharfſinnig ſein und der Scharf-
ſinn wieder ſo poetiſch werden konnte. Es ſind ſolche Wörter,
ja ſogar ganze Sätze, Verſe oder Strophen, deren Wortwurzeln
in beiden gemiſchten Sprachen gleichen oder doch ſehr ähnlichen
Laut bei ganz verſchiedener logiſcher Bedeutung haben, wobei aber
dem nach der eigenthümlichen Form der einen Sprache flectirten
Worte die logiſche Bedeutung der andern Sprache gegeben, ihm
ſelbſt aber ſeine primitive logiſche Bedeutung genommen wird.
Jn den romaniſch-maccaroniſchen Dichtungen, in welchen, wie
überhaupt in den romaniſchen Sprachen, die urſprünglich latei-
niſche Wurzelhaftigkeit der meiſten romaniſchen Wörter nicht zu
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/118>, abgerufen am 22.11.2024.
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