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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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socialpolitischen Lebens hinrauscht, so nahm die Ergründung und
Ausforschung dieser unheimlichen Tiefen ebenso sehr den Linguisten
wie den Culturhistoriker, den Socialpolitiker und den Ethiker in
Anspruch. Wol erkannte der Verfasser die große, kaum überwind-
lich scheinende Schwierigkeit der Aufgabe. Aber unablässig lockte
und mahnte das breit und gewaltig dahinströmende Leben, zu
unaufhaltsam trieben und drängten ihn die tagtäglichen Erfah-
rungen des amtlichen Berufs: er tauchte in den tiefen Strom,
und in ehrlicher, fleißiger Arbeit hat er aus der geheimnißvollen
Tiefe das heraufgebracht, was er jetzt vor Augen legt.

Wie er nun diesen großen wunderlichen, bunten Stoff be-
wältigt und geordnet hat, darüber ist der Verfasser eine kurze
Rechenschaft zu geben schuldig. Sobald er die eigenthümlich ver-
setzte und verschränkte Sprache des Verbrechens sowol ihrem Stoff
als auch ihrer Form nach wesentlich als deutsche Volks-
sprache
erkannt hatte, glaubte er vor allem den Auslauf der
deutschen Sprache aus der Ursprache überhaupt und neben den
verwandten. Sprachstämmen ins Auge fassen und die deutsche
Sprache in ihrer volksthümlichen dialektischen Verbreiterung an-
deutungsweise darstellen zu müssen, ehe selbst nur eine Definition
der Gaunersprache gegeben und eine Untersuchung der verschiede-
nen einschlagenden und ähnlichen Benennungen angestellt wurde,
nach deren Aufklärung erst ein deutlicher Einblick in Wesen und
Stoff der Gaunersprache erreicht werden konnte. Nur erst auf
dieser so geebneten Grundlage war es möglich, den durch viele
Jahrhunderte hindurch in riesigen Massen und in der buntesten
Durchmischung und Entstellung aufeinander gehäuften und in
steter Gährung bewegten, noch niemals bearbeiteten Stoff aus-
einander zu breiten und nun erst wieder seine vorläufige Son-
derung in Hauptmassen zu unternehmen, um dann weiter in die
Untersuchung des Einzelnen vordringen zu können. Je schärfer
das vorgefundene Exotische sich in seiner Eigenthümlichkeit erhalten

ſocialpolitiſchen Lebens hinrauſcht, ſo nahm die Ergründung und
Ausforſchung dieſer unheimlichen Tiefen ebenſo ſehr den Linguiſten
wie den Culturhiſtoriker, den Socialpolitiker und den Ethiker in
Anſpruch. Wol erkannte der Verfaſſer die große, kaum überwind-
lich ſcheinende Schwierigkeit der Aufgabe. Aber unabläſſig lockte
und mahnte das breit und gewaltig dahinſtrömende Leben, zu
unaufhaltſam trieben und drängten ihn die tagtäglichen Erfah-
rungen des amtlichen Berufs: er tauchte in den tiefen Strom,
und in ehrlicher, fleißiger Arbeit hat er aus der geheimnißvollen
Tiefe das heraufgebracht, was er jetzt vor Augen legt.

Wie er nun dieſen großen wunderlichen, bunten Stoff be-
wältigt und geordnet hat, darüber iſt der Verfaſſer eine kurze
Rechenſchaft zu geben ſchuldig. Sobald er die eigenthümlich ver-
ſetzte und verſchränkte Sprache des Verbrechens ſowol ihrem Stoff
als auch ihrer Form nach weſentlich als deutſche Volks-
ſprache
erkannt hatte, glaubte er vor allem den Auslauf der
deutſchen Sprache aus der Urſprache überhaupt und neben den
verwandten. Sprachſtämmen ins Auge faſſen und die deutſche
Sprache in ihrer volksthümlichen dialektiſchen Verbreiterung an-
deutungsweiſe darſtellen zu müſſen, ehe ſelbſt nur eine Definition
der Gaunerſprache gegeben und eine Unterſuchung der verſchiede-
nen einſchlagenden und ähnlichen Benennungen angeſtellt wurde,
nach deren Aufklärung erſt ein deutlicher Einblick in Weſen und
Stoff der Gaunerſprache erreicht werden konnte. Nur erſt auf
dieſer ſo geebneten Grundlage war es möglich, den durch viele
Jahrhunderte hindurch in rieſigen Maſſen und in der bunteſten
Durchmiſchung und Entſtellung aufeinander gehäuften und in
ſteter Gährung bewegten, noch niemals bearbeiteten Stoff aus-
einander zu breiten und nun erſt wieder ſeine vorläufige Son-
derung in Hauptmaſſen zu unternehmen, um dann weiter in die
Unterſuchung des Einzelnen vordringen zu können. Je ſchärfer
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[VI/0010] ſocialpolitiſchen Lebens hinrauſcht, ſo nahm die Ergründung und Ausforſchung dieſer unheimlichen Tiefen ebenſo ſehr den Linguiſten wie den Culturhiſtoriker, den Socialpolitiker und den Ethiker in Anſpruch. Wol erkannte der Verfaſſer die große, kaum überwind- lich ſcheinende Schwierigkeit der Aufgabe. Aber unabläſſig lockte und mahnte das breit und gewaltig dahinſtrömende Leben, zu unaufhaltſam trieben und drängten ihn die tagtäglichen Erfah- rungen des amtlichen Berufs: er tauchte in den tiefen Strom, und in ehrlicher, fleißiger Arbeit hat er aus der geheimnißvollen Tiefe das heraufgebracht, was er jetzt vor Augen legt. Wie er nun dieſen großen wunderlichen, bunten Stoff be- wältigt und geordnet hat, darüber iſt der Verfaſſer eine kurze Rechenſchaft zu geben ſchuldig. Sobald er die eigenthümlich ver- ſetzte und verſchränkte Sprache des Verbrechens ſowol ihrem Stoff als auch ihrer Form nach weſentlich als deutſche Volks- ſprache erkannt hatte, glaubte er vor allem den Auslauf der deutſchen Sprache aus der Urſprache überhaupt und neben den verwandten. Sprachſtämmen ins Auge faſſen und die deutſche Sprache in ihrer volksthümlichen dialektiſchen Verbreiterung an- deutungsweiſe darſtellen zu müſſen, ehe ſelbſt nur eine Definition der Gaunerſprache gegeben und eine Unterſuchung der verſchiede- nen einſchlagenden und ähnlichen Benennungen angeſtellt wurde, nach deren Aufklärung erſt ein deutlicher Einblick in Weſen und Stoff der Gaunerſprache erreicht werden konnte. Nur erſt auf dieſer ſo geebneten Grundlage war es möglich, den durch viele Jahrhunderte hindurch in rieſigen Maſſen und in der bunteſten Durchmiſchung und Entſtellung aufeinander gehäuften und in ſteter Gährung bewegten, noch niemals bearbeiteten Stoff aus- einander zu breiten und nun erſt wieder ſeine vorläufige Son- derung in Hauptmaſſen zu unternehmen, um dann weiter in die Unterſuchung des Einzelnen vordringen zu können. Je ſchärfer das vorgefundene Exotiſche ſich in ſeiner Eigenthümlichkeit erhalten

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/10>, abgerufen am 24.11.2024.