Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.ist die Bemerkung, die Schürmayer, a. a. O., §. 531, macht, Achles Kapitel. d) Die Taubstummheit. Die Simulation der Taubstummheit ist einer der am chen epileptischen Störungen mit Erfolg verwahrt dadurch, daß ich mit ent- schiedenem trockenen Ernst mir jeglichen Anfall von Schwäche oder Epilepsie verbat, wobei denn namentlich Gaunerinnen gerade durch ihren schlecht ver- hehlten Unmuth und durch plötzlichen Abbruch aller Demonstrationen den Ver- such der Simulation eben selbst recht deutlich zu Tage legten. Der genaue Blick auf den Simulanten entdeckt sofort den Betrug. So wurde denn auch die Simulation des schon mehrfach erwähnten Gärtners durch den richtigen Blick zweier Polizeidiener sofort entdeckt, noch ehe er nach der Lithographie im Eberhardt'schen Polizei-Anzeiger recognoscirt war. Auch bekam er wäh- rend seiner vierzehntägigen Haft nicht ein einziges mal epileptische Anfälle, weil er überall mit trockenem Ernst behandelt wurde. Vgl. Böcker, "Memo- randa der gerichtlichen Medicin" (Jserlohn u. Elberfeld 1854), S. 67, wo auch der Niesemittel, Acupunctur und des Auftröpfelns von heißem Siegellack erwähnt wird. 1) Jn meiner Praxis glaube ich dieselbe Erfahrung gemacht zu haben.
Von zwei diebischen liederlichen Dirnen aus einem benachbarten holsteini- schen Dorfe, welche öfters wegen verbotenen Betretens des lübeckischen Ge- biets zur Untersuchung und Strafe gezogen wurden, litt die ältere Schwester notorisch seit ihrer Kindheit an Epilepsie und mußte deshalb rücksichts- voller behandelt werden. Die jüngere, eine robuste derbe sechzehnjährige Dirne, welche niemals an jenem Uebel gelitten hatte und sehr oft hier angehalten wurde, fing ebenfalls bald an, in epileptische Zufälle zu ge- iſt die Bemerkung, die Schürmayer, a. a. O., §. 531, macht, Achles Kapitel. δ) Die Taubſtummheit. Die Simulation der Taubſtummheit iſt einer der am chen epileptiſchen Störungen mit Erfolg verwahrt dadurch, daß ich mit ent- ſchiedenem trockenen Ernſt mir jeglichen Anfall von Schwäche oder Epilepſie verbat, wobei denn namentlich Gaunerinnen gerade durch ihren ſchlecht ver- hehlten Unmuth und durch plötzlichen Abbruch aller Demonſtrationen den Ver- ſuch der Simulation eben ſelbſt recht deutlich zu Tage legten. Der genaue Blick auf den Simulanten entdeckt ſofort den Betrug. So wurde denn auch die Simulation des ſchon mehrfach erwähnten Gärtners durch den richtigen Blick zweier Polizeidiener ſofort entdeckt, noch ehe er nach der Lithographie im Eberhardt’ſchen Polizei-Anzeiger recognoscirt war. Auch bekam er wäh- rend ſeiner vierzehntägigen Haft nicht ein einziges mal epileptiſche Anfälle, weil er überall mit trockenem Ernſt behandelt wurde. Vgl. Böcker, „Memo- randa der gerichtlichen Medicin“ (Jſerlohn u. Elberfeld 1854), S. 67, wo auch der Nieſemittel, Acupunctur und des Auftröpfelns von heißem Siegellack erwähnt wird. 1) Jn meiner Praxis glaube ich dieſelbe Erfahrung gemacht zu haben.
Von zwei diebiſchen liederlichen Dirnen aus einem benachbarten holſteini- ſchen Dorfe, welche öfters wegen verbotenen Betretens des lübeckiſchen Ge- biets zur Unterſuchung und Strafe gezogen wurden, litt die ältere Schweſter notoriſch ſeit ihrer Kindheit an Epilepſie und mußte deshalb rückſichts- voller behandelt werden. Die jüngere, eine robuſte derbe ſechzehnjährige Dirne, welche niemals an jenem Uebel gelitten hatte und ſehr oft hier angehalten wurde, fing ebenfalls bald an, in epileptiſche Zufälle zu ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0057" n="45"/> iſt die Bemerkung, die Schürmayer, a. a. O., §. 531, macht,<lb/> daß nämlich erfahrungsmäßig gewiſſe anfangs ſimulirte Krank-<lb/> heiten zuletzt in wirkliche übergehen können, daß dies jedoch im-<lb/> mer nur ſolche krankhafte Zuſtände ſind, die ſich in ſogenannten<lb/> nervöſen Zufällen, wie Krämpfen, Zuckungen u. dgl., kund<lb/> geben. <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="1)">Jn meiner Praxis glaube ich dieſelbe Erfahrung gemacht zu haben.<lb/> Von zwei diebiſchen liederlichen Dirnen aus einem benachbarten holſteini-<lb/> ſchen Dorfe, welche öfters wegen verbotenen Betretens des lübeckiſchen Ge-<lb/> biets zur Unterſuchung und Strafe gezogen wurden, litt die ältere Schweſter<lb/> notoriſch ſeit ihrer Kindheit an Epilepſie und mußte deshalb rückſichts-<lb/> voller behandelt werden. Die jüngere, eine robuſte derbe ſechzehnjährige<lb/> Dirne, welche niemals an jenem Uebel gelitten hatte und ſehr oft<lb/> hier angehalten wurde, fing ebenfalls bald an, in epileptiſche Zufälle zu ge-</note> Die Wahrheit dieſer merkwürdigen Behauptung ſcheint<lb/> ebenſo wol in ſomatiſcher, als ſogar auch in pſychiſcher Hinſicht<lb/> ſich zu beſtätigen, wie ja denn jeder aufmerkſame Jnquirent reich-<lb/> liche Gelegenheit findet, Beobachtungen der Art zu machen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Achles Kapitel.<lb/> δ) Die Taubſtummheit.</hi> </head><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Simulation der Taubſtummheit</hi> iſt einer der am<lb/> häufigſten vorkommenden gauneriſchen Verſuche, um dem entſtan-<lb/><note xml:id="seg2pn_6_2" prev="#seg2pn_6_1" place="foot" n="2)">chen epileptiſchen Störungen mit Erfolg verwahrt dadurch, daß ich mit ent-<lb/> ſchiedenem trockenen Ernſt mir jeglichen Anfall von Schwäche oder Epilepſie<lb/><hi rendition="#g">verbat,</hi> wobei denn namentlich Gaunerinnen gerade durch ihren ſchlecht ver-<lb/> hehlten Unmuth und durch plötzlichen Abbruch aller Demonſtrationen den Ver-<lb/> ſuch der Simulation eben ſelbſt recht deutlich zu Tage legten. Der genaue<lb/> Blick auf den Simulanten entdeckt ſofort den Betrug. So wurde denn auch<lb/> die Simulation des ſchon mehrfach erwähnten Gärtners durch den richtigen<lb/> Blick zweier Polizeidiener ſofort entdeckt, noch ehe er nach der Lithographie<lb/> im Eberhardt’ſchen Polizei-Anzeiger recognoscirt war. Auch bekam er wäh-<lb/> rend ſeiner vierzehntägigen Haft nicht ein einziges mal epileptiſche Anfälle,<lb/> weil er überall mit trockenem Ernſt behandelt wurde. Vgl. Böcker, „Memo-<lb/> randa der gerichtlichen Medicin“ (Jſerlohn u. Elberfeld 1854), S. 67, wo<lb/> auch der Nieſemittel, Acupunctur und des Auftröpfelns von heißem Siegellack<lb/> erwähnt wird.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0057]
iſt die Bemerkung, die Schürmayer, a. a. O., §. 531, macht,
daß nämlich erfahrungsmäßig gewiſſe anfangs ſimulirte Krank-
heiten zuletzt in wirkliche übergehen können, daß dies jedoch im-
mer nur ſolche krankhafte Zuſtände ſind, die ſich in ſogenannten
nervöſen Zufällen, wie Krämpfen, Zuckungen u. dgl., kund
geben. 1) Die Wahrheit dieſer merkwürdigen Behauptung ſcheint
ebenſo wol in ſomatiſcher, als ſogar auch in pſychiſcher Hinſicht
ſich zu beſtätigen, wie ja denn jeder aufmerkſame Jnquirent reich-
liche Gelegenheit findet, Beobachtungen der Art zu machen.
Achles Kapitel.
δ) Die Taubſtummheit.
Die Simulation der Taubſtummheit iſt einer der am
häufigſten vorkommenden gauneriſchen Verſuche, um dem entſtan-
2)
1) Jn meiner Praxis glaube ich dieſelbe Erfahrung gemacht zu haben.
Von zwei diebiſchen liederlichen Dirnen aus einem benachbarten holſteini-
ſchen Dorfe, welche öfters wegen verbotenen Betretens des lübeckiſchen Ge-
biets zur Unterſuchung und Strafe gezogen wurden, litt die ältere Schweſter
notoriſch ſeit ihrer Kindheit an Epilepſie und mußte deshalb rückſichts-
voller behandelt werden. Die jüngere, eine robuſte derbe ſechzehnjährige
Dirne, welche niemals an jenem Uebel gelitten hatte und ſehr oft
hier angehalten wurde, fing ebenfalls bald an, in epileptiſche Zufälle zu ge-
2) chen epileptiſchen Störungen mit Erfolg verwahrt dadurch, daß ich mit ent-
ſchiedenem trockenen Ernſt mir jeglichen Anfall von Schwäche oder Epilepſie
verbat, wobei denn namentlich Gaunerinnen gerade durch ihren ſchlecht ver-
hehlten Unmuth und durch plötzlichen Abbruch aller Demonſtrationen den Ver-
ſuch der Simulation eben ſelbſt recht deutlich zu Tage legten. Der genaue
Blick auf den Simulanten entdeckt ſofort den Betrug. So wurde denn auch
die Simulation des ſchon mehrfach erwähnten Gärtners durch den richtigen
Blick zweier Polizeidiener ſofort entdeckt, noch ehe er nach der Lithographie
im Eberhardt’ſchen Polizei-Anzeiger recognoscirt war. Auch bekam er wäh-
rend ſeiner vierzehntägigen Haft nicht ein einziges mal epileptiſche Anfälle,
weil er überall mit trockenem Ernſt behandelt wurde. Vgl. Böcker, „Memo-
randa der gerichtlichen Medicin“ (Jſerlohn u. Elberfeld 1854), S. 67, wo
auch der Nieſemittel, Acupunctur und des Auftröpfelns von heißem Siegellack
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