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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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ber seine vertrautesten und geheimsten Kundschafter. Auch der
ritterliche Franz I. konnte die Räubermasse nicht bändigen; in den
Hugenottenkriegen brach der Aufstand des Räuberthums ärger
und nachhaltiger als je hervor, und zu Anfang des 17. Jahrhun-
derts beherrschten unter und besonders nach Heinrich IV. die Rou-
gets und Grisons ganz Paris, ja ganz Frankreich, bis die spä-
tere Polizeiorganisation Ludwig's XIV. die noch feinere und mäch-
tigere Organisation der Gaunerbanden des Cartouche und seiner
Nachfolger in Paris und allen größern Städten Frankreichs her-
vorrief, um mitten im Treiben des Hofs und des städtischen
Lebens ungeheuere Ausbeute zu machen.

Bei dieser Entsittlichung des Volks und der Zerfahrenheit
der social-politischen Verhältnisse schien eine Bändigung der
Massen nur durch die absolute Gewalt möglich, welche denn auch,
namentlich bei dem Wegfall einer natürlichen würdigen und ver-
mittelnden Stellung des Adels, zur Politik des Königthums
wurde, das sich stets in starkem Gegensatz gegen das Volk hielt,
und Volk und Adel so gleichmäßig herunterbrachte, daß man es
für eine, wenn auch nicht sittliche und volksthümliche, doch für
eine augenblickliche politische Rettung beider halten mußte, wenn
Ludwig XIV. mit seiner glänzenden Herrscherindividualität der
Jahrhunderte hindurch zwangsmäßig angebildeten Nationalstim-
mung einen formellen objectiven Ausdruck gab, und das autokrate
Königthum durch die Personification und Jndividualisirung des
Staats im Könige mit einer bis dahin unerhörten Sicherheit der
Form proclamirte. Bei dem kümmerlichen Jnhalt der städtischen
gemeinheitlichen Verwaltung war es scheinlich nur wenig, was
der König durch das Edict von 1667 zunächst der, als königliche
Hauptstadt vor allen Städten des Reichs noch bedeutend mit ge-
meinheitlichen Einrichtungen bevorzugten Stadt Paris nahm; aber
sehr viel, was er dem Polizeilieutenant in die Hand gab, indem
er diesem die gesammte Polizeigewalt übertrug, und in die einzige
Person dieses ersten königlichen Beamten centralisirte. Jn dem
blendenden Glanze des Königthums und der von Ludwig XIV.
mit so vielem Glücke herangezogenen Jntelligenz blieb, trotz der

ber ſeine vertrauteſten und geheimſten Kundſchafter. Auch der
ritterliche Franz I. konnte die Räubermaſſe nicht bändigen; in den
Hugenottenkriegen brach der Aufſtand des Räuberthums ärger
und nachhaltiger als je hervor, und zu Anfang des 17. Jahrhun-
derts beherrſchten unter und beſonders nach Heinrich IV. die Rou-
gets und Griſons ganz Paris, ja ganz Frankreich, bis die ſpä-
tere Polizeiorganiſation Ludwig’s XIV. die noch feinere und mäch-
tigere Organiſation der Gaunerbanden des Cartouche und ſeiner
Nachfolger in Paris und allen größern Städten Frankreichs her-
vorrief, um mitten im Treiben des Hofs und des ſtädtiſchen
Lebens ungeheuere Ausbeute zu machen.

Bei dieſer Entſittlichung des Volks und der Zerfahrenheit
der ſocial-politiſchen Verhältniſſe ſchien eine Bändigung der
Maſſen nur durch die abſolute Gewalt möglich, welche denn auch,
namentlich bei dem Wegfall einer natürlichen würdigen und ver-
mittelnden Stellung des Adels, zur Politik des Königthums
wurde, das ſich ſtets in ſtarkem Gegenſatz gegen das Volk hielt,
und Volk und Adel ſo gleichmäßig herunterbrachte, daß man es
für eine, wenn auch nicht ſittliche und volksthümliche, doch für
eine augenblickliche politiſche Rettung beider halten mußte, wenn
Ludwig XIV. mit ſeiner glänzenden Herrſcherindividualität der
Jahrhunderte hindurch zwangsmäßig angebildeten Nationalſtim-
mung einen formellen objectiven Ausdruck gab, und das autokrate
Königthum durch die Perſonification und Jndividualiſirung des
Staats im Könige mit einer bis dahin unerhörten Sicherheit der
Form proclamirte. Bei dem kümmerlichen Jnhalt der ſtädtiſchen
gemeinheitlichen Verwaltung war es ſcheinlich nur wenig, was
der König durch das Edict von 1667 zunächſt der, als königliche
Hauptſtadt vor allen Städten des Reichs noch bedeutend mit ge-
meinheitlichen Einrichtungen bevorzugten Stadt Paris nahm; aber
ſehr viel, was er dem Polizeilieutenant in die Hand gab, indem
er dieſem die geſammte Polizeigewalt übertrug, und in die einzige
Perſon dieſes erſten königlichen Beamten centraliſirte. Jn dem
blendenden Glanze des Königthums und der von Ludwig XIV.
mit ſo vielem Glücke herangezogenen Jntelligenz blieb, trotz der

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[345/0357] ber ſeine vertrauteſten und geheimſten Kundſchafter. Auch der ritterliche Franz I. konnte die Räubermaſſe nicht bändigen; in den Hugenottenkriegen brach der Aufſtand des Räuberthums ärger und nachhaltiger als je hervor, und zu Anfang des 17. Jahrhun- derts beherrſchten unter und beſonders nach Heinrich IV. die Rou- gets und Griſons ganz Paris, ja ganz Frankreich, bis die ſpä- tere Polizeiorganiſation Ludwig’s XIV. die noch feinere und mäch- tigere Organiſation der Gaunerbanden des Cartouche und ſeiner Nachfolger in Paris und allen größern Städten Frankreichs her- vorrief, um mitten im Treiben des Hofs und des ſtädtiſchen Lebens ungeheuere Ausbeute zu machen. Bei dieſer Entſittlichung des Volks und der Zerfahrenheit der ſocial-politiſchen Verhältniſſe ſchien eine Bändigung der Maſſen nur durch die abſolute Gewalt möglich, welche denn auch, namentlich bei dem Wegfall einer natürlichen würdigen und ver- mittelnden Stellung des Adels, zur Politik des Königthums wurde, das ſich ſtets in ſtarkem Gegenſatz gegen das Volk hielt, und Volk und Adel ſo gleichmäßig herunterbrachte, daß man es für eine, wenn auch nicht ſittliche und volksthümliche, doch für eine augenblickliche politiſche Rettung beider halten mußte, wenn Ludwig XIV. mit ſeiner glänzenden Herrſcherindividualität der Jahrhunderte hindurch zwangsmäßig angebildeten Nationalſtim- mung einen formellen objectiven Ausdruck gab, und das autokrate Königthum durch die Perſonification und Jndividualiſirung des Staats im Könige mit einer bis dahin unerhörten Sicherheit der Form proclamirte. Bei dem kümmerlichen Jnhalt der ſtädtiſchen gemeinheitlichen Verwaltung war es ſcheinlich nur wenig, was der König durch das Edict von 1667 zunächſt der, als königliche Hauptſtadt vor allen Städten des Reichs noch bedeutend mit ge- meinheitlichen Einrichtungen bevorzugten Stadt Paris nahm; aber ſehr viel, was er dem Polizeilieutenant in die Hand gab, indem er dieſem die geſammte Polizeigewalt übertrug, und in die einzige Perſon dieſes erſten königlichen Beamten centraliſirte. Jn dem blendenden Glanze des Königthums und der von Ludwig XIV. mit ſo vielem Glücke herangezogenen Jntelligenz blieb, trotz der

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/357>, abgerufen am 25.11.2024.