Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.eine Menge von Schreibern zur Ausfertigung der Urkunden oder 1) Chassime -- von [fremdsprachliches Material - fehlt] (chatam), siegeln, vollenden, einprägen -- ist die Unterschrift, das Siegel, die Beglaubigung. Chassimass hakssav, Unterschrift und Siegel. Chossom (Chaussom) das Siegel. Pittuche Chaussom, Siegelstempel, Petschaft. Chossomwachs, Siegellack. Chass- menen, siegeln, unterschreiben; gechassment, gesiegelt, unterschrieben. 2) Noch im August 1858 wurde vom Polizeiamt in Lübeck ein Fleppen-
melochner bestraft, der ein volles Jahr mit einem gefälschten Attest um- hergezogen war, welchem er auf bräunlichrothem Lack das in rothem Lack abgedruckte, eng beschnittene Wappenschild eines wahrscheinlich auf einem verworfenen Couvert befindlich gewesenen echten öffentlichen Siegels beigefügt hatte. Mit ihm wurde in flagranti ein verwegener Kittenschieber verhaftet, welcher hier als Kachler und Merchitzer gehandelt hatte, und ein halbes Jahr lang mit einer Fleppe umhergezogen war, die nach den eingezogenen Erkundigungen durchaus gefälscht, und unter anderm mit einem Visum eines deutschen Städtchens versehen war, dem der Gauner ein -- französisches Douanesiegel mit dem kaiserlichen Adler beigedruckt hatte! eine Menge von Schreibern zur Ausfertigung der Urkunden oder 1) Chaſſime — von [fremdsprachliches Material – fehlt] (chatam), ſiegeln, vollenden, einprägen — iſt die Unterſchrift, das Siegel, die Beglaubigung. Chaſſimaſſ hakſſav, Unterſchrift und Siegel. Choſſom (Chauſſom) das Siegel. Pittuche Chauſſom, Siegelſtempel, Petſchaft. Choſſomwachs, Siegellack. Chaſſ- menen, ſiegeln, unterſchreiben; gechaſſment, geſiegelt, unterſchrieben. 2) Noch im Auguſt 1858 wurde vom Polizeiamt in Lübeck ein Fleppen-
melochner beſtraft, der ein volles Jahr mit einem gefälſchten Atteſt um- hergezogen war, welchem er auf bräunlichrothem Lack das in rothem Lack abgedruckte, eng beſchnittene Wappenſchild eines wahrſcheinlich auf einem verworfenen Couvert befindlich geweſenen echten öffentlichen Siegels beigefügt hatte. Mit ihm wurde in flagranti ein verwegener Kittenſchieber verhaftet, welcher hier als Kachler und Merchitzer gehandelt hatte, und ein halbes Jahr lang mit einer Fleppe umhergezogen war, die nach den eingezogenen Erkundigungen durchaus gefälſcht, und unter anderm mit einem Viſum eines deutſchen Städtchens verſehen war, dem der Gauner ein — franzöſiſches Douaneſiegel mit dem kaiſerlichen Adler beigedruckt hatte! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0322" n="310"/> eine Menge von Schreibern zur Ausfertigung der Urkunden oder<lb/> zur Ausfüllung der Urkundenblankets. Man iſt daher gewohnt,<lb/> gleichgültig auf die Handſchrift ſelbſt zu ſehen, von der man nur<lb/> Deutlichkeit und Sauberkeit verlangt, und ſucht die Beglaubigung<lb/> der Urkunden weſentlich in der Unterſchrift, in dem Siegel und<lb/> Stempel. Dieſer Umſtand hat nun aber auch die Kunſt der<lb/> Fleppenmelochner auf die Nachbildung von Siegel- und Stempel-<lb/> formen geführt, und das <hi rendition="#g">Chaſſimemelochnen</hi> <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Chaſſime</hi> — von <gap reason="fm" unit="words"/> (<hi rendition="#aq">chatam</hi>), ſiegeln, vollenden, einprägen —<lb/> iſt die Unterſchrift, das Siegel, die Beglaubigung. <hi rendition="#g">Chaſſimaſſ hakſſav,</hi><lb/> Unterſchrift und Siegel. <hi rendition="#g">Choſſom</hi> (Chauſſom) das Siegel. <hi rendition="#g">Pittuche<lb/> Chauſſom,</hi> Siegelſtempel, Petſchaft. <hi rendition="#g">Choſſomwachs,</hi> Siegellack. <hi rendition="#g">Chaſſ-<lb/> menen,</hi> ſiegeln, unterſchreiben; <hi rendition="#g">gechaſſment,</hi> geſiegelt, unterſchrieben.</note> zu einer Aus-<lb/> bildung gebracht, die kaum einmal ſo groß zu ſein braucht, wie<lb/> ſie iſt, da ökonomiſche Behörden ſowol bei Anfertigung ihrer<lb/> Stempel- und Siegelformen ſehr wenig für ihr weniges Geld<lb/> vom Graveur verlangen, als auch bei dem Gebrauch und der<lb/> Controle der Stempel- und Siegelformen im raſchen Geſchäfts-<lb/> gange vielfache Nachläſſigkeiten ſich zu Schulden kommen laſſen. <note place="foot" n="2)">Noch im Auguſt 1858 wurde vom Polizeiamt in Lübeck ein Fleppen-<lb/> melochner beſtraft, der <hi rendition="#g">ein volles Jahr</hi> mit einem gefälſchten Atteſt um-<lb/> hergezogen war, welchem er <hi rendition="#g">auf bräunlichrothem Lack</hi> das <hi rendition="#g">in rothem<lb/> Lack</hi> abgedruckte, eng beſchnittene Wappenſchild eines wahrſcheinlich auf einem<lb/> verworfenen Couvert befindlich geweſenen echten öffentlichen Siegels beigefügt<lb/> hatte. Mit ihm wurde <hi rendition="#aq">in flagranti</hi> ein verwegener Kittenſchieber verhaftet,<lb/> welcher hier als Kachler und Merchitzer gehandelt hatte, und <hi rendition="#g">ein halbes<lb/> Jahr lang</hi> mit einer Fleppe umhergezogen war, die nach den eingezogenen<lb/> Erkundigungen durchaus gefälſcht, und unter anderm mit einem Viſum eines<lb/><hi rendition="#g">deutſchen</hi> Städtchens verſehen war, dem der Gauner ein — <hi rendition="#g">franzöſiſches<lb/> Douaneſiegel</hi> mit dem kaiſerlichen Adler beigedruckt hatte!</note><lb/> Man findet heutzutage nicht ſelten zu den currenteſten amtlichen<lb/> Urkunden noch Siegel benutzt, welche außer der Jahreszahl auch<lb/> noch durch ihre arge Abgenutztheit ihr zwei- bis dreihundert-<lb/> jähriges Alter ſehr ſtark verrathen, oder wenn auch neue, doch ſo<lb/> einfach, ſchlecht und unordentlich geſtochene Stempel, daß man ſie<lb/> ſofort für das Fabrikat der auf Jahrmärkten umherziehenden<lb/> Graveurs erkennt, welche gerade die gefährlichſten Chaſſimeme-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0322]
eine Menge von Schreibern zur Ausfertigung der Urkunden oder
zur Ausfüllung der Urkundenblankets. Man iſt daher gewohnt,
gleichgültig auf die Handſchrift ſelbſt zu ſehen, von der man nur
Deutlichkeit und Sauberkeit verlangt, und ſucht die Beglaubigung
der Urkunden weſentlich in der Unterſchrift, in dem Siegel und
Stempel. Dieſer Umſtand hat nun aber auch die Kunſt der
Fleppenmelochner auf die Nachbildung von Siegel- und Stempel-
formen geführt, und das Chaſſimemelochnen 1) zu einer Aus-
bildung gebracht, die kaum einmal ſo groß zu ſein braucht, wie
ſie iſt, da ökonomiſche Behörden ſowol bei Anfertigung ihrer
Stempel- und Siegelformen ſehr wenig für ihr weniges Geld
vom Graveur verlangen, als auch bei dem Gebrauch und der
Controle der Stempel- und Siegelformen im raſchen Geſchäfts-
gange vielfache Nachläſſigkeiten ſich zu Schulden kommen laſſen. 2)
Man findet heutzutage nicht ſelten zu den currenteſten amtlichen
Urkunden noch Siegel benutzt, welche außer der Jahreszahl auch
noch durch ihre arge Abgenutztheit ihr zwei- bis dreihundert-
jähriges Alter ſehr ſtark verrathen, oder wenn auch neue, doch ſo
einfach, ſchlecht und unordentlich geſtochene Stempel, daß man ſie
ſofort für das Fabrikat der auf Jahrmärkten umherziehenden
Graveurs erkennt, welche gerade die gefährlichſten Chaſſimeme-
1) Chaſſime — von _ (chatam), ſiegeln, vollenden, einprägen —
iſt die Unterſchrift, das Siegel, die Beglaubigung. Chaſſimaſſ hakſſav,
Unterſchrift und Siegel. Choſſom (Chauſſom) das Siegel. Pittuche
Chauſſom, Siegelſtempel, Petſchaft. Choſſomwachs, Siegellack. Chaſſ-
menen, ſiegeln, unterſchreiben; gechaſſment, geſiegelt, unterſchrieben.
2) Noch im Auguſt 1858 wurde vom Polizeiamt in Lübeck ein Fleppen-
melochner beſtraft, der ein volles Jahr mit einem gefälſchten Atteſt um-
hergezogen war, welchem er auf bräunlichrothem Lack das in rothem
Lack abgedruckte, eng beſchnittene Wappenſchild eines wahrſcheinlich auf einem
verworfenen Couvert befindlich geweſenen echten öffentlichen Siegels beigefügt
hatte. Mit ihm wurde in flagranti ein verwegener Kittenſchieber verhaftet,
welcher hier als Kachler und Merchitzer gehandelt hatte, und ein halbes
Jahr lang mit einer Fleppe umhergezogen war, die nach den eingezogenen
Erkundigungen durchaus gefälſcht, und unter anderm mit einem Viſum eines
deutſchen Städtchens verſehen war, dem der Gauner ein — franzöſiſches
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