Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Schall dämpft. Um diesem Kunstgriff zu begegnen, hat man die
Federn von Hausglocken in einem platten Schloßkasten, über wel-
chem die Glocke feststeht, so angebracht, daß die Feder in einen
hervorragenden Arm ausläuft, der von einem andern an der
Hausthür befestigten Arm gestreift und zum starken einmaligen
Zurückschlagen an die Glocke gebracht wird. Allein auch diese
Vorrichtung reicht nicht aus, da der Federarm am Schlosse mit
einem Draht oder Stockhaken gefaßt und nach Oeffnen der Thür
langsam zurückgesetzt werden kann, sodaß die Feder nicht auf die
Glocke springt. Aber auch abgesehen hiervon gibt diese Vorrich-
tung immer nur einen einzigen, häufig auch noch mit dem Stocke
zu dämpfenden Klang, der namentlich bei dem Geräusch eines
vorüberfahrenden Wagens oder bei sonstigem Lärmen sehr leicht
überhört werden kann.

Zur weitern Vorsicht pflegt man abends die Hausthürkette
überzulegen, um das willkürliche und heimliche Eintreten in das
Haus zu verhindern. Diese Ketten haben soviel Spannung, daß
sie eine Bewegung der Hausthür zulassen, damit die Hausthür-
glocke zum Klingeln gebracht werden und der Eintretende sich bemerk-
lich machen kann. Häufig sind diese Ketten an sich so schwach oder
so schwach befestigt, daß sie bei einem festen Drucke nachgeben;
auch lassen sie sich oft mit der durchgesteckten Hand abhaken, oder
sind zu lang, sodaß eine schlanke oder kleine Person behende unter
der Kette weg durch die klaffende Thür in das Haus gelangen
und die Kette von innen abhängen kann. Man findet deshalb,
daß die meisten Tchillesgänger junge Dirnen und Buben sind, die
übrigens auch vielfach von Erwachsenen zum bloßen Durchkriechen
und Abhängen der Kette verwandt und dann fortgeschickt werden.
Sehr oft werden diese Kinder aber auch unter die Ketten durch-
geschoben, um zunächst zu erkunden, ob und welche Personen zu
Hause sind, und ob mit oder ohne Gewalt ein Diebstahl aus-
zuführen ist. Die Anwesenheit solcher Kinder hinter zugehängten
Hausthüren erheischt daher strenge Aufmerksamkeit. Bei einem
Aufstoß geben sich die Tchillesgänger meistens für verschämte
Arme aus, oder fragen nach einem Rechtsanwalt, einem Arzt,

Schall dämpft. Um dieſem Kunſtgriff zu begegnen, hat man die
Federn von Hausglocken in einem platten Schloßkaſten, über wel-
chem die Glocke feſtſteht, ſo angebracht, daß die Feder in einen
hervorragenden Arm ausläuft, der von einem andern an der
Hausthür befeſtigten Arm geſtreift und zum ſtarken einmaligen
Zurückſchlagen an die Glocke gebracht wird. Allein auch dieſe
Vorrichtung reicht nicht aus, da der Federarm am Schloſſe mit
einem Draht oder Stockhaken gefaßt und nach Oeffnen der Thür
langſam zurückgeſetzt werden kann, ſodaß die Feder nicht auf die
Glocke ſpringt. Aber auch abgeſehen hiervon gibt dieſe Vorrich-
tung immer nur einen einzigen, häufig auch noch mit dem Stocke
zu dämpfenden Klang, der namentlich bei dem Geräuſch eines
vorüberfahrenden Wagens oder bei ſonſtigem Lärmen ſehr leicht
überhört werden kann.

Zur weitern Vorſicht pflegt man abends die Hausthürkette
überzulegen, um das willkürliche und heimliche Eintreten in das
Haus zu verhindern. Dieſe Ketten haben ſoviel Spannung, daß
ſie eine Bewegung der Hausthür zulaſſen, damit die Hausthür-
glocke zum Klingeln gebracht werden und der Eintretende ſich bemerk-
lich machen kann. Häufig ſind dieſe Ketten an ſich ſo ſchwach oder
ſo ſchwach befeſtigt, daß ſie bei einem feſten Drucke nachgeben;
auch laſſen ſie ſich oft mit der durchgeſteckten Hand abhaken, oder
ſind zu lang, ſodaß eine ſchlanke oder kleine Perſon behende unter
der Kette weg durch die klaffende Thür in das Haus gelangen
und die Kette von innen abhängen kann. Man findet deshalb,
daß die meiſten Tchillesgänger junge Dirnen und Buben ſind, die
übrigens auch vielfach von Erwachſenen zum bloßen Durchkriechen
und Abhängen der Kette verwandt und dann fortgeſchickt werden.
Sehr oft werden dieſe Kinder aber auch unter die Ketten durch-
geſchoben, um zunächſt zu erkunden, ob und welche Perſonen zu
Hauſe ſind, und ob mit oder ohne Gewalt ein Diebſtahl aus-
zuführen iſt. Die Anweſenheit ſolcher Kinder hinter zugehängten
Hausthüren erheiſcht daher ſtrenge Aufmerkſamkeit. Bei einem
Aufſtoß geben ſich die Tchillesgänger meiſtens für verſchämte
Arme aus, oder fragen nach einem Rechtsanwalt, einem Arzt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0200" n="188"/>
Schall dämpft. Um die&#x017F;em Kun&#x017F;tgriff zu begegnen, hat man die<lb/>
Federn von Hausglocken in einem platten Schloßka&#x017F;ten, über wel-<lb/>
chem die Glocke fe&#x017F;t&#x017F;teht, &#x017F;o angebracht, daß die Feder in einen<lb/>
hervorragenden Arm ausläuft, der von einem andern an der<lb/>
Hausthür befe&#x017F;tigten Arm ge&#x017F;treift und zum &#x017F;tarken einmaligen<lb/>
Zurück&#x017F;chlagen an die Glocke gebracht wird. Allein auch die&#x017F;e<lb/>
Vorrichtung reicht nicht aus, da der Federarm am Schlo&#x017F;&#x017F;e mit<lb/>
einem Draht oder Stockhaken gefaßt und nach Oeffnen der Thür<lb/>
lang&#x017F;am zurückge&#x017F;etzt werden kann, &#x017F;odaß die Feder nicht auf die<lb/>
Glocke &#x017F;pringt. Aber auch abge&#x017F;ehen hiervon gibt die&#x017F;e Vorrich-<lb/>
tung immer nur <hi rendition="#g">einen einzigen,</hi> häufig auch noch mit dem Stocke<lb/>
zu dämpfenden Klang, der namentlich bei dem Geräu&#x017F;ch eines<lb/>
vorüberfahrenden Wagens oder bei &#x017F;on&#x017F;tigem Lärmen &#x017F;ehr leicht<lb/>
überhört werden kann.</p><lb/>
              <p>Zur weitern Vor&#x017F;icht pflegt man abends die Hausthürkette<lb/>
überzulegen, um das willkürliche und heimliche Eintreten in das<lb/>
Haus zu verhindern. Die&#x017F;e Ketten haben &#x017F;oviel Spannung, daß<lb/>
&#x017F;ie eine Bewegung der Hausthür zula&#x017F;&#x017F;en, damit die Hausthür-<lb/>
glocke zum Klingeln gebracht werden und der Eintretende &#x017F;ich bemerk-<lb/>
lich machen kann. Häufig &#x017F;ind die&#x017F;e Ketten an &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;chwach oder<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwach befe&#x017F;tigt, daß &#x017F;ie bei einem fe&#x017F;ten Drucke nachgeben;<lb/>
auch la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich oft mit der durchge&#x017F;teckten Hand abhaken, oder<lb/>
&#x017F;ind zu lang, &#x017F;odaß eine &#x017F;chlanke oder kleine Per&#x017F;on behende unter<lb/>
der Kette weg durch die klaffende Thür in das Haus gelangen<lb/>
und die Kette von innen abhängen kann. Man findet deshalb,<lb/>
daß die mei&#x017F;ten Tchillesgänger junge Dirnen und Buben &#x017F;ind, die<lb/>
übrigens auch vielfach von Erwach&#x017F;enen zum bloßen Durchkriechen<lb/>
und Abhängen der Kette verwandt und dann fortge&#x017F;chickt werden.<lb/>
Sehr oft werden die&#x017F;e Kinder aber auch unter die Ketten durch-<lb/>
ge&#x017F;choben, um zunäch&#x017F;t zu erkunden, ob und welche Per&#x017F;onen zu<lb/>
Hau&#x017F;e &#x017F;ind, und ob mit oder ohne Gewalt ein Dieb&#x017F;tahl aus-<lb/>
zuführen i&#x017F;t. Die Anwe&#x017F;enheit &#x017F;olcher Kinder hinter zugehängten<lb/>
Hausthüren erhei&#x017F;cht daher &#x017F;trenge Aufmerk&#x017F;amkeit. Bei einem<lb/>
Auf&#x017F;toß geben &#x017F;ich die Tchillesgänger mei&#x017F;tens für ver&#x017F;chämte<lb/>
Arme aus, oder fragen nach einem Rechtsanwalt, einem Arzt,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0200] Schall dämpft. Um dieſem Kunſtgriff zu begegnen, hat man die Federn von Hausglocken in einem platten Schloßkaſten, über wel- chem die Glocke feſtſteht, ſo angebracht, daß die Feder in einen hervorragenden Arm ausläuft, der von einem andern an der Hausthür befeſtigten Arm geſtreift und zum ſtarken einmaligen Zurückſchlagen an die Glocke gebracht wird. Allein auch dieſe Vorrichtung reicht nicht aus, da der Federarm am Schloſſe mit einem Draht oder Stockhaken gefaßt und nach Oeffnen der Thür langſam zurückgeſetzt werden kann, ſodaß die Feder nicht auf die Glocke ſpringt. Aber auch abgeſehen hiervon gibt dieſe Vorrich- tung immer nur einen einzigen, häufig auch noch mit dem Stocke zu dämpfenden Klang, der namentlich bei dem Geräuſch eines vorüberfahrenden Wagens oder bei ſonſtigem Lärmen ſehr leicht überhört werden kann. Zur weitern Vorſicht pflegt man abends die Hausthürkette überzulegen, um das willkürliche und heimliche Eintreten in das Haus zu verhindern. Dieſe Ketten haben ſoviel Spannung, daß ſie eine Bewegung der Hausthür zulaſſen, damit die Hausthür- glocke zum Klingeln gebracht werden und der Eintretende ſich bemerk- lich machen kann. Häufig ſind dieſe Ketten an ſich ſo ſchwach oder ſo ſchwach befeſtigt, daß ſie bei einem feſten Drucke nachgeben; auch laſſen ſie ſich oft mit der durchgeſteckten Hand abhaken, oder ſind zu lang, ſodaß eine ſchlanke oder kleine Perſon behende unter der Kette weg durch die klaffende Thür in das Haus gelangen und die Kette von innen abhängen kann. Man findet deshalb, daß die meiſten Tchillesgänger junge Dirnen und Buben ſind, die übrigens auch vielfach von Erwachſenen zum bloßen Durchkriechen und Abhängen der Kette verwandt und dann fortgeſchickt werden. Sehr oft werden dieſe Kinder aber auch unter die Ketten durch- geſchoben, um zunächſt zu erkunden, ob und welche Perſonen zu Hauſe ſind, und ob mit oder ohne Gewalt ein Diebſtahl aus- zuführen iſt. Die Anweſenheit ſolcher Kinder hinter zugehängten Hausthüren erheiſcht daher ſtrenge Aufmerkſamkeit. Bei einem Aufſtoß geben ſich die Tchillesgänger meiſtens für verſchämte Arme aus, oder fragen nach einem Rechtsanwalt, einem Arzt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/200
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/200>, abgerufen am 18.05.2024.