kopf oder Kardem unterzufassen, was bei sehr vielen Geldladen gelingt. 1) Jn die entstandene Spalte wird der Schenkel der Kneifzange oder ein Schabber, oder auch ein keilförmiges Stück Holz, der Vorleger, gesteckt, und mit dem Brechinstrumente weiter vorgefaßt. Jst übrigens der Deckel nur ein wenig auf einer Seite gehoben, so können die Schließriegel und Haken der furchtbaren Hebelgewalt des Krummkopfs schwerlich lange widerstehen. Das von Thiele, a. a. O., S. 85, erwähnte Zu- sammendrücken der Geldladen wird von den Schränkern mit richtigem Blick auf den Umstand, daß die eisernen Bänder und vielen Nieten das Holzwerk der Laden für den Druck von außen nach innen eher schwächen als verstärken, und daß das dünne Eisen der Ladenwände sich nach innen biegen läßt, während es durch den übergreifenden Rahmen des Deckels eigentlich nur vor dem entgegengesetzten Druck geschützt wird, desto eifriger cultivirt. Das Zusammendrücken mittels eines um die Lade gelegten und durch Drehen eines eingesteckten Knittels zusammengezogenen Taues setzt allerdings eine schwache Construction der Lade voraus. Neuer- dings sollen auch starke, durch eine mit Stricken um die Geld- lade befestigte Flügelmutter laufende eiserne Schrauben, welche gegen das Schlüsselloch gesetzt werden, zum Zusammendrücken von Geldladen gebraucht worden sein. Diese Schrauben habe ich jedoch nicht selbst gesehen. Jn ziemlich ähnlicher Weise werden die Räder der Eisenbahnwagen mittels einer starken Schraube auf die Achsen getrieben. Eine eiserne Schraube von etwa 11/2 Fuß Länge und 11/2--2 Zoll Dicke müßte schon eine unwiderstehliche Gewalt auf eine Geldladenwand üben. Die Durchziehung einer Mittelwand innerhalb der Geldlade und die Besetzung des Deckels mit einem innern Rahmen, gegen welche der von außen bewirkte
1) Den Aufbruch einer solchen eisernen Geldkiste, welche an jeder Seite mit vier Schloßriegeln versehen war, durch einen geschickten Schlossermeister, dem der Auftrag dazu ertheilt wurde, da der Schlüssel verloren gegangen war, habe ich einmal gesehen, und die Fertigkeit bewundert, mit welcher der ganz vortrefflich und künstlich gearbeitete Verschluß in einer Viertelstunde, ohne Dietriche, geöffnet wurde.
kopf oder Kardem unterzufaſſen, was bei ſehr vielen Geldladen gelingt. 1) Jn die entſtandene Spalte wird der Schenkel der Kneifzange oder ein Schabber, oder auch ein keilförmiges Stück Holz, der Vorleger, geſteckt, und mit dem Brechinſtrumente weiter vorgefaßt. Jſt übrigens der Deckel nur ein wenig auf einer Seite gehoben, ſo können die Schließriegel und Haken der furchtbaren Hebelgewalt des Krummkopfs ſchwerlich lange widerſtehen. Das von Thiele, a. a. O., S. 85, erwähnte Zu- ſammendrücken der Geldladen wird von den Schränkern mit richtigem Blick auf den Umſtand, daß die eiſernen Bänder und vielen Nieten das Holzwerk der Laden für den Druck von außen nach innen eher ſchwächen als verſtärken, und daß das dünne Eiſen der Ladenwände ſich nach innen biegen läßt, während es durch den übergreifenden Rahmen des Deckels eigentlich nur vor dem entgegengeſetzten Druck geſchützt wird, deſto eifriger cultivirt. Das Zuſammendrücken mittels eines um die Lade gelegten und durch Drehen eines eingeſteckten Knittels zuſammengezogenen Taues ſetzt allerdings eine ſchwache Conſtruction der Lade voraus. Neuer- dings ſollen auch ſtarke, durch eine mit Stricken um die Geld- lade befeſtigte Flügelmutter laufende eiſerne Schrauben, welche gegen das Schlüſſelloch geſetzt werden, zum Zuſammendrücken von Geldladen gebraucht worden ſein. Dieſe Schrauben habe ich jedoch nicht ſelbſt geſehen. Jn ziemlich ähnlicher Weiſe werden die Räder der Eiſenbahnwagen mittels einer ſtarken Schraube auf die Achſen getrieben. Eine eiſerne Schraube von etwa 1½ Fuß Länge und 1½—2 Zoll Dicke müßte ſchon eine unwiderſtehliche Gewalt auf eine Geldladenwand üben. Die Durchziehung einer Mittelwand innerhalb der Geldlade und die Beſetzung des Deckels mit einem innern Rahmen, gegen welche der von außen bewirkte
1) Den Aufbruch einer ſolchen eiſernen Geldkiſte, welche an jeder Seite mit vier Schloßriegeln verſehen war, durch einen geſchickten Schloſſermeiſter, dem der Auftrag dazu ertheilt wurde, da der Schlüſſel verloren gegangen war, habe ich einmal geſehen, und die Fertigkeit bewundert, mit welcher der ganz vortrefflich und künſtlich gearbeitete Verſchluß in einer Viertelſtunde, ohne Dietriche, geöffnet wurde.
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kopf oder Kardem unterzufaſſen, was bei ſehr vielen Geldladen
gelingt. 1) Jn die entſtandene Spalte wird der Schenkel der
Kneifzange oder ein Schabber, oder auch ein keilförmiges Stück
Holz, der Vorleger, geſteckt, und mit dem Brechinſtrumente
weiter vorgefaßt. Jſt übrigens der Deckel nur ein wenig auf
einer Seite gehoben, ſo können die Schließriegel und Haken
der furchtbaren Hebelgewalt des Krummkopfs ſchwerlich lange
widerſtehen. Das von Thiele, a. a. O., S. 85, erwähnte Zu-
ſammendrücken der Geldladen wird von den Schränkern mit
richtigem Blick auf den Umſtand, daß die eiſernen Bänder und
vielen Nieten das Holzwerk der Laden für den Druck von außen
nach innen eher ſchwächen als verſtärken, und daß das dünne
Eiſen der Ladenwände ſich nach innen biegen läßt, während es
durch den übergreifenden Rahmen des Deckels eigentlich nur vor
dem entgegengeſetzten Druck geſchützt wird, deſto eifriger cultivirt.
Das Zuſammendrücken mittels eines um die Lade gelegten und
durch Drehen eines eingeſteckten Knittels zuſammengezogenen Taues
ſetzt allerdings eine ſchwache Conſtruction der Lade voraus. Neuer-
dings ſollen auch ſtarke, durch eine mit Stricken um die Geld-
lade befeſtigte Flügelmutter laufende eiſerne Schrauben, welche
gegen das Schlüſſelloch geſetzt werden, zum Zuſammendrücken von
Geldladen gebraucht worden ſein. Dieſe Schrauben habe ich
jedoch nicht ſelbſt geſehen. Jn ziemlich ähnlicher Weiſe werden
die Räder der Eiſenbahnwagen mittels einer ſtarken Schraube auf
die Achſen getrieben. Eine eiſerne Schraube von etwa 1½ Fuß
Länge und 1½—2 Zoll Dicke müßte ſchon eine unwiderſtehliche
Gewalt auf eine Geldladenwand üben. Die Durchziehung einer
Mittelwand innerhalb der Geldlade und die Beſetzung des Deckels
mit einem innern Rahmen, gegen welche der von außen bewirkte
1) Den Aufbruch einer ſolchen eiſernen Geldkiſte, welche an jeder Seite
mit vier Schloßriegeln verſehen war, durch einen geſchickten Schloſſermeiſter,
dem der Auftrag dazu ertheilt wurde, da der Schlüſſel verloren gegangen war,
habe ich einmal geſehen, und die Fertigkeit bewundert, mit welcher der ganz
vortrefflich und künſtlich gearbeitete Verſchluß in einer Viertelſtunde,
ohne Dietriche, geöffnet wurde.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/146>, abgerufen am 01.08.2024.
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