zur Bestechung der Gefangenwärter in die Gefängnisse kommt. Ein Louisdor auf einen Knopf gelegt, der mit einem Stück La- sting, Seide oder Tuch geschickt übergebunden oder überzogen wird, ist unter dieser Hülle sicher geborgen, wenn man nicht den Knopf aufschneidet. Ebenso sind vorzüglich die Stiefelsohlen, besonders wenn sie nicht mit Stiften geheftet, sondern genäht sind, so auch die Binsennähte und Kappen sorgfältig zu durchsuchen, da in ihnen meistens Geld, Feilen, Sägeblätter und Klamoniss[ v]er- borgen werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auch auf die Bekleidung der den verdächtigen Gauner begleitenden Kinder zu verwenden. Auch im doppelten Boden der Reisekoffer und Taschen, in hohlen Stöcken, in Schirmen und Schirmüberzügen, in ver- siegelten Geld- und Goldrollen, Rasir- und Reisebestecken finden sich vielfache Verstecke für Diebsinstrumente, die auch in Geld- beutel und Portemonnaies angebracht werden können. Von den verschiedenen Taschen männlicher Kleidungsstücke 1) und von den Fuhren und Golen auch der Weiber wird beim Schottenfellen weiter die Rede sein. Kein Widerwille und Ekel darf den subal- ternen Beamten abhalten, alles, auch das schmuzigste Stück Leib- wäsche, nachzusuchen. Namentlich rechnen Weiber darauf, daß ihre in ekelhafter Weise besudelte Leibwäsche, welche sie oft monatelang ungewaschen im Gepäck oder am Leibe führen, aus Discretion oder Ekel nicht scharf genug untersucht werde; weshalb sie denn meistens solche Wäsche zur Kawure gebrauchen.
Jedoch nicht die Kleidung allein, sondern auch der nackte Körper dient zur Kawure. Nicht nur unter Toupets, Perrüken, falschen Locken und Flechten wird Geld und Diebsgeräthe ver- steckt, auch im natürlichen Haar und Bart kann im Nu ein feines Laubsägenblatt mit behendem Drehen so gut befestigt werden, daß
1) Es ist gar nicht zu verkennen, daß das Gaunerthum direct und indirect Einfluß auf Mode und Schnitt der Kleidung gehabt hat, namentlich in Be- zug auf die Anbringung der Taschen und auf deren verschiedenste Sicherung gegen Taschendieberei. Vgl. unten das Torfdrucken.
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zur Beſtechung der Gefangenwärter in die Gefängniſſe kommt. Ein Louisdor auf einen Knopf gelegt, der mit einem Stück La- ſting, Seide oder Tuch geſchickt übergebunden oder überzogen wird, iſt unter dieſer Hülle ſicher geborgen, wenn man nicht den Knopf aufſchneidet. Ebenſo ſind vorzüglich die Stiefelſohlen, beſonders wenn ſie nicht mit Stiften geheftet, ſondern genäht ſind, ſo auch die Binſennähte und Kappen ſorgfältig zu durchſuchen, da in ihnen meiſtens Geld, Feilen, Sägeblätter und Klamoniſſ[ v]er- borgen werden. Beſondere Aufmerkſamkeit iſt dabei auch auf die Bekleidung der den verdächtigen Gauner begleitenden Kinder zu verwenden. Auch im doppelten Boden der Reiſekoffer und Taſchen, in hohlen Stöcken, in Schirmen und Schirmüberzügen, in ver- ſiegelten Geld- und Goldrollen, Raſir- und Reiſebeſtecken finden ſich vielfache Verſtecke für Diebsinſtrumente, die auch in Geld- beutel und Portemonnaies angebracht werden können. Von den verſchiedenen Taſchen männlicher Kleidungsſtücke 1) und von den Fuhren und Golen auch der Weiber wird beim Schottenfellen weiter die Rede ſein. Kein Widerwille und Ekel darf den ſubal- ternen Beamten abhalten, alles, auch das ſchmuzigſte Stück Leib- wäſche, nachzuſuchen. Namentlich rechnen Weiber darauf, daß ihre in ekelhafter Weiſe beſudelte Leibwäſche, welche ſie oft monatelang ungewaſchen im Gepäck oder am Leibe führen, aus Discretion oder Ekel nicht ſcharf genug unterſucht werde; weshalb ſie denn meiſtens ſolche Wäſche zur Kawure gebrauchen.
Jedoch nicht die Kleidung allein, ſondern auch der nackte Körper dient zur Kawure. Nicht nur unter Toupets, Perrüken, falſchen Locken und Flechten wird Geld und Diebsgeräthe ver- ſteckt, auch im natürlichen Haar und Bart kann im Nu ein feines Laubſägenblatt mit behendem Drehen ſo gut befeſtigt werden, daß
1) Es iſt gar nicht zu verkennen, daß das Gaunerthum direct und indirect Einfluß auf Mode und Schnitt der Kleidung gehabt hat, namentlich in Be- zug auf die Anbringung der Taſchen und auf deren verſchiedenſte Sicherung gegen Taſchendieberei. Vgl. unten das Torfdrucken.
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zur Beſtechung der Gefangenwärter in die Gefängniſſe kommt.
Ein Louisdor auf einen Knopf gelegt, der mit einem Stück La-
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iſt unter dieſer Hülle ſicher geborgen, wenn man nicht den Knopf
aufſchneidet. Ebenſo ſind vorzüglich die Stiefelſohlen, beſonders
wenn ſie nicht mit Stiften geheftet, ſondern genäht ſind, ſo auch
die Binſennähte und Kappen ſorgfältig zu durchſuchen, da in
ihnen meiſtens Geld, Feilen, Sägeblätter und Klamoniſſ ver-
borgen werden. Beſondere Aufmerkſamkeit iſt dabei auch auf die
Bekleidung der den verdächtigen Gauner begleitenden Kinder zu
verwenden. Auch im doppelten Boden der Reiſekoffer und Taſchen,
in hohlen Stöcken, in Schirmen und Schirmüberzügen, in ver-
ſiegelten Geld- und Goldrollen, Raſir- und Reiſebeſtecken finden
ſich vielfache Verſtecke für Diebsinſtrumente, die auch in Geld-
beutel und Portemonnaies angebracht werden können. Von den
verſchiedenen Taſchen männlicher Kleidungsſtücke 1) und von den
Fuhren und Golen auch der Weiber wird beim Schottenfellen
weiter die Rede ſein. Kein Widerwille und Ekel darf den ſubal-
ternen Beamten abhalten, alles, auch das ſchmuzigſte Stück Leib-
wäſche, nachzuſuchen. Namentlich rechnen Weiber darauf, daß ihre
in ekelhafter Weiſe beſudelte Leibwäſche, welche ſie oft monatelang
ungewaſchen im Gepäck oder am Leibe führen, aus Discretion
oder Ekel nicht ſcharf genug unterſucht werde; weshalb ſie denn
meiſtens ſolche Wäſche zur Kawure gebrauchen.
Jedoch nicht die Kleidung allein, ſondern auch der nackte
Körper dient zur Kawure. Nicht nur unter Toupets, Perrüken,
falſchen Locken und Flechten wird Geld und Diebsgeräthe ver-
ſteckt, auch im natürlichen Haar und Bart kann im Nu ein feines
Laubſägenblatt mit behendem Drehen ſo gut befeſtigt werden, daß
1) Es iſt gar nicht zu verkennen, daß das Gaunerthum direct und indirect
Einfluß auf Mode und Schnitt der Kleidung gehabt hat, namentlich in Be-
zug auf die Anbringung der Taſchen und auf deren verſchiedenſte Sicherung
gegen Taſchendieberei. Vgl. unten das Torfdrucken.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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