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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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deter Rechenpfennige als Goldgeld. Der gemeine Mann oder
der Landmann, dem weniger Goldgeld als Silbergeld vor die
Augen kommt, weiß den Werth des erstern nicht abzuschätzen und
läßt sich durch die glänzende Vergoldung eines solid geprägten
Zahlpfennigs nur zu oft irre leiten. Besonders werden seit eini-
ger Zeit die in Größe und Dicke eines Louisdor geprägten Zahl-
pfennige mit dem Bildniß und der Umschrift Victoria regina und
auf der Aversseite mit dem heiligen Georg 1) und dem Lindwurm
mit der Umschrift to Hannover, sehr viel vergoldet und stark in
Curs gesetzt, wie man das leider nur zu oft bei dem Kone-
handel wahrnimmt.



Dreiundsechzigstes Kapitel.
g) Der Konehandel oder das Blütenschmeißen.

Erscheint die Verausgabung solcher falscher Münzen nun
im täglichen Handel und Verkehr, wo man schon aufmerksamer
zu sein pflegt 2), und bei der Ruchtbarkeit des viel geübten Betrugs
allerdings gewagt und bedenklich, so hat die Gaunerindustrie ein
eigenes Manöver ausgedacht, diese vergoldeten Zahlpfennige,
Blüten 3), sicherer an den Mann zu bringen. Das Manöver

1) Bei näherm Hinblick auf diese Zahlpfennige erkennt man freilich, daß
der heilige Georg eine Königskrone trägt und in einer Dragoneruniform mit
Epauletten steckt. Auch hat die Aversseite die Jahreszahl 1837, während die
Vorderseite die Jahreszahl 1849 hat. Was übersieht aber der unkundige ge-
meine Mann nicht, wenn die äußere Vergoldung neu und schön erscheint?
2) Dennoch ist mir vorgekommen, daß ein Metallarbeiter, welcher ham-
burger und lübecker Vierschillingsstücke, Sechslinge und Dreilinge in Weiß-
blech auf echte Münzen dieser Art so geschlagen hatte, daß die Prägung zwar
verkehrt, aber doch ziemlich deutlich in das Blech abgedrückt war, mehrere
solche Stücke wirklich verausgaben konnte.
3) Das Wort Blüte wird in der Gaunersprache aber auch für das echte
Goldstück, besonders für den Dukaten (Haker, Chaker) gebraucht. Das in Nord-
deutschland volksbräuchliche Plattiren, d. h. das leichte Versilbern von Mes-
sing oder Bronze, scheint mit Blüte zusammenzuhängen und aus blütiren
oder plitiren entstanden zu sein.

deter Rechenpfennige als Goldgeld. Der gemeine Mann oder
der Landmann, dem weniger Goldgeld als Silbergeld vor die
Augen kommt, weiß den Werth des erſtern nicht abzuſchätzen und
läßt ſich durch die glänzende Vergoldung eines ſolid geprägten
Zahlpfennigs nur zu oft irre leiten. Beſonders werden ſeit eini-
ger Zeit die in Größe und Dicke eines Louisdor geprägten Zahl-
pfennige mit dem Bildniß und der Umſchrift Victoria regina und
auf der Aversſeite mit dem heiligen Georg 1) und dem Lindwurm
mit der Umſchrift to Hannover, ſehr viel vergoldet und ſtark in
Curs geſetzt, wie man das leider nur zu oft bei dem Kone-
handel wahrnimmt.



Dreiundſechzigſtes Kapitel.
γ) Der Konehandel oder das Blütenſchmeißen.

Erſcheint die Verausgabung ſolcher falſcher Münzen nun
im täglichen Handel und Verkehr, wo man ſchon aufmerkſamer
zu ſein pflegt 2), und bei der Ruchtbarkeit des viel geübten Betrugs
allerdings gewagt und bedenklich, ſo hat die Gaunerinduſtrie ein
eigenes Manöver ausgedacht, dieſe vergoldeten Zahlpfennige,
Blüten 3), ſicherer an den Mann zu bringen. Das Manöver

1) Bei näherm Hinblick auf dieſe Zahlpfennige erkennt man freilich, daß
der heilige Georg eine Königskrone trägt und in einer Dragoneruniform mit
Epauletten ſteckt. Auch hat die Aversſeite die Jahreszahl 1837, während die
Vorderſeite die Jahreszahl 1849 hat. Was überſieht aber der unkundige ge-
meine Mann nicht, wenn die äußere Vergoldung neu und ſchön erſcheint?
2) Dennoch iſt mir vorgekommen, daß ein Metallarbeiter, welcher ham-
burger und lübecker Vierſchillingsſtücke, Sechslinge und Dreilinge in Weiß-
blech auf echte Münzen dieſer Art ſo geſchlagen hatte, daß die Prägung zwar
verkehrt, aber doch ziemlich deutlich in das Blech abgedrückt war, mehrere
ſolche Stücke wirklich verausgaben konnte.
3) Das Wort Blüte wird in der Gaunerſprache aber auch für das echte
Goldſtück, beſonders für den Dukaten (Haker, Chaker) gebraucht. Das in Nord-
deutſchland volksbräuchliche Plattiren, d. h. das leichte Verſilbern von Meſ-
ſing oder Bronze, ſcheint mit Blüte zuſammenzuhängen und aus blütiren
oder plitiren entſtanden zu ſein.
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[213/0225] deter Rechenpfennige als Goldgeld. Der gemeine Mann oder der Landmann, dem weniger Goldgeld als Silbergeld vor die Augen kommt, weiß den Werth des erſtern nicht abzuſchätzen und läßt ſich durch die glänzende Vergoldung eines ſolid geprägten Zahlpfennigs nur zu oft irre leiten. Beſonders werden ſeit eini- ger Zeit die in Größe und Dicke eines Louisdor geprägten Zahl- pfennige mit dem Bildniß und der Umſchrift Victoria regina und auf der Aversſeite mit dem heiligen Georg 1) und dem Lindwurm mit der Umſchrift to Hannover, ſehr viel vergoldet und ſtark in Curs geſetzt, wie man das leider nur zu oft bei dem Kone- handel wahrnimmt. Dreiundſechzigſtes Kapitel. γ) Der Konehandel oder das Blütenſchmeißen. Erſcheint die Verausgabung ſolcher falſcher Münzen nun im täglichen Handel und Verkehr, wo man ſchon aufmerkſamer zu ſein pflegt 2), und bei der Ruchtbarkeit des viel geübten Betrugs allerdings gewagt und bedenklich, ſo hat die Gaunerinduſtrie ein eigenes Manöver ausgedacht, dieſe vergoldeten Zahlpfennige, Blüten 3), ſicherer an den Mann zu bringen. Das Manöver 1) Bei näherm Hinblick auf dieſe Zahlpfennige erkennt man freilich, daß der heilige Georg eine Königskrone trägt und in einer Dragoneruniform mit Epauletten ſteckt. Auch hat die Aversſeite die Jahreszahl 1837, während die Vorderſeite die Jahreszahl 1849 hat. Was überſieht aber der unkundige ge- meine Mann nicht, wenn die äußere Vergoldung neu und ſchön erſcheint? 2) Dennoch iſt mir vorgekommen, daß ein Metallarbeiter, welcher ham- burger und lübecker Vierſchillingsſtücke, Sechslinge und Dreilinge in Weiß- blech auf echte Münzen dieſer Art ſo geſchlagen hatte, daß die Prägung zwar verkehrt, aber doch ziemlich deutlich in das Blech abgedrückt war, mehrere ſolche Stücke wirklich verausgaben konnte. 3) Das Wort Blüte wird in der Gaunerſprache aber auch für das echte Goldſtück, beſonders für den Dukaten (Haker, Chaker) gebraucht. Das in Nord- deutſchland volksbräuchliche Plattiren, d. h. das leichte Verſilbern von Meſ- ſing oder Bronze, ſcheint mit Blüte zuſammenzuhängen und aus blütiren oder plitiren entſtanden zu ſein.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/225>, abgerufen am 16.11.2024.