Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

alten Egyptern oder Zingaren aus Nubia, sondern allerley faul
hudelmans Gesinde, so zwar von den vorigen seinen Anfang ge-
nommen, und da jene in Abgang kommen, diß Gesindlein sich
immer propagiret, fortgepflantzt und vermehret, welche Vermehrung
geschicht uff zweyerley Weise. Estlich, daß sie untereinander in
großer Unzucht leben, und dadurch viel Kinder zeigen, Zum andern,
daß sich allerley loses faules Gesindlein, so wol Mannes- als
Weibes-Personen zu ihnen schlagen, so entweder Land-reumig,
Vogelfrey, oder mit der faulen Sucht beladen sind und nicht ar-
beiten wollen. Damals hat solch loß Gesindlein unter dem Zie-
geuner Hauffen ein jeglicher seine Muttersprache, nach der Landes
Art reden können, und sind faule Buben und Bübin, Zauberer,
Wahrsager, beyde Mannes und Weibes-Personen, da mancher
einen Todtschlag begangen, und daher Landreumig worden, oder
etwa aus dem Gefängniß gebrochen, und es dergestalt gemachet,
daß er sich in seiner Heimat nicht dürffen sehen lassen, und sich
umb Sicherheit und Lebens-Fristung unter diesen faulen Hauffen
geschlagen. Oder auch wohl darumb, daß er nicht arbeiten, son-
dern sich lieber mit Müssiggang, Rauben und stehlen, nehren,
und sein Leben in aller Leichtfertigkeit und Gottlosigkeit ohne
große Mühe und Arbeit hinbringen wollen." 1) Ferner erwähnt
der Verfasser, daß die Woywoden in Siebenbürgen 1514 diese
Zigeuner zum Kriege verwandt und Colonisationsversuche mit
ihnen angestellt hätten. Auch erzählt er, daß sie von Conde vor
Poitiers als Soldaten gebraucht seien, und will selbst während
des Dreißigjährigen Krieges Zigeuner bei den Schweden im Pful-
schen Regimente gesehen haben, wo sie vorzüglich zum Spioniren,

1) Jn ähnlicher Weise drückt sich J. B. Weissenbruch in der seiner "Aus-
führlichen Relation von der famosen Zigeuner-, Diebs-, Mord- und Räuber-
Bande" (Marburg und Gießen 1727) vorausgehenden trefflichen Abhandlung
über die Zigeuner aus. Vgl. die folgende Literatur. Zu weit geht Krünitz,
"Encyklopädie", CXXVIII, 27, der mit Beziehung auf den im 17. Jahr-
gang des "Hannöverischen Magazins" vom Jahre 1779, Stück 72, S. 138,
abgedruckten anonymen Aufsatz die Meinung wiederholt und ausführt, "daß
die allerersten Zigeuner aus Deutschland gebürtige Juden gewesen seien".

alten Egyptern oder Zingaren aus Nubia, ſondern allerley faul
hudelmans Geſinde, ſo zwar von den vorigen ſeinen Anfang ge-
nommen, und da jene in Abgang kommen, diß Geſindlein ſich
immer propagiret, fortgepflantzt und vermehret, welche Vermehrung
geſchicht uff zweyerley Weiſe. Eſtlich, daß ſie untereinander in
großer Unzucht leben, und dadurch viel Kinder zeigen, Zum andern,
daß ſich allerley loſes faules Geſindlein, ſo wol Mannes- als
Weibes-Perſonen zu ihnen ſchlagen, ſo entweder Land-reumig,
Vogelfrey, oder mit der faulen Sucht beladen ſind und nicht ar-
beiten wollen. Damals hat ſolch loß Geſindlein unter dem Zie-
geuner Hauffen ein jeglicher ſeine Mutterſprache, nach der Landes
Art reden können, und ſind faule Buben und Bübin, Zauberer,
Wahrſager, beyde Mannes und Weibes-Perſonen, da mancher
einen Todtſchlag begangen, und daher Landreumig worden, oder
etwa aus dem Gefängniß gebrochen, und es dergeſtalt gemachet,
daß er ſich in ſeiner Heimat nicht dürffen ſehen laſſen, und ſich
umb Sicherheit und Lebens-Friſtung unter dieſen faulen Hauffen
geſchlagen. Oder auch wohl darumb, daß er nicht arbeiten, ſon-
dern ſich lieber mit Müſſiggang, Rauben und ſtehlen, nehren,
und ſein Leben in aller Leichtfertigkeit und Gottloſigkeit ohne
große Mühe und Arbeit hinbringen wollen.“ 1) Ferner erwähnt
der Verfaſſer, daß die Woywoden in Siebenbürgen 1514 dieſe
Zigeuner zum Kriege verwandt und Coloniſationsverſuche mit
ihnen angeſtellt hätten. Auch erzählt er, daß ſie von Condé vor
Poitiers als Soldaten gebraucht ſeien, und will ſelbſt während
des Dreißigjährigen Krieges Zigeuner bei den Schweden im Pful-
ſchen Regimente geſehen haben, wo ſie vorzüglich zum Spioniren,

1) Jn ähnlicher Weiſe drückt ſich J. B. Weiſſenbruch in der ſeiner „Aus-
führlichen Relation von der famoſen Zigeuner-, Diebs-, Mord- und Räuber-
Bande“ (Marburg und Gießen 1727) vorausgehenden trefflichen Abhandlung
über die Zigeuner aus. Vgl. die folgende Literatur. Zu weit geht Krünitz,
„Encyklopädie“, CXXVIII, 27, der mit Beziehung auf den im 17. Jahr-
gang des „Hannöveriſchen Magazins“ vom Jahre 1779, Stück 72, S. 138,
abgedruckten anonymen Aufſatz die Meinung wiederholt und ausführt, „daß
die allererſten Zigeuner aus Deutſchland gebürtige Juden geweſen ſeien“.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="32"/>
alten Egyptern oder Zingaren aus Nubia, &#x017F;ondern allerley faul<lb/>
hudelmans Ge&#x017F;inde, &#x017F;o zwar von den vorigen &#x017F;einen Anfang ge-<lb/>
nommen, und da jene in Abgang kommen, diß Ge&#x017F;indlein &#x017F;ich<lb/>
immer propagiret, fortgepflantzt und vermehret, welche Vermehrung<lb/>
ge&#x017F;chicht uff zweyerley Wei&#x017F;e. E&#x017F;tlich, daß &#x017F;ie untereinander in<lb/>
großer Unzucht leben, und dadurch viel Kinder zeigen, Zum andern,<lb/>
daß &#x017F;ich allerley lo&#x017F;es faules Ge&#x017F;indlein, &#x017F;o wol Mannes- als<lb/>
Weibes-Per&#x017F;onen zu ihnen &#x017F;chlagen, &#x017F;o entweder Land-reumig,<lb/>
Vogelfrey, oder mit der faulen Sucht beladen &#x017F;ind und nicht ar-<lb/>
beiten wollen. Damals hat &#x017F;olch loß Ge&#x017F;indlein unter dem Zie-<lb/>
geuner Hauffen ein jeglicher &#x017F;eine Mutter&#x017F;prache, nach der Landes<lb/>
Art reden können, und &#x017F;ind faule Buben und Bübin, Zauberer,<lb/>
Wahr&#x017F;ager, beyde Mannes und Weibes-Per&#x017F;onen, da mancher<lb/>
einen Todt&#x017F;chlag begangen, und daher Landreumig worden, oder<lb/>
etwa aus dem Gefängniß gebrochen, und es derge&#x017F;talt gemachet,<lb/>
daß er &#x017F;ich in &#x017F;einer Heimat nicht dürffen &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich<lb/>
umb Sicherheit und Lebens-Fri&#x017F;tung unter die&#x017F;en faulen Hauffen<lb/>
ge&#x017F;chlagen. Oder auch wohl darumb, daß er nicht arbeiten, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ich lieber mit Mü&#x017F;&#x017F;iggang, Rauben und &#x017F;tehlen, nehren,<lb/>
und &#x017F;ein Leben in aller Leichtfertigkeit und Gottlo&#x017F;igkeit ohne<lb/>
große Mühe und Arbeit hinbringen wollen.&#x201C; <note place="foot" n="1)">Jn ähnlicher Wei&#x017F;e drückt &#x017F;ich J. B. Wei&#x017F;&#x017F;enbruch in der &#x017F;einer &#x201E;Aus-<lb/>
führlichen Relation von der famo&#x017F;en Zigeuner-, Diebs-, Mord- und Räuber-<lb/>
Bande&#x201C; (Marburg und Gießen 1727) vorausgehenden trefflichen Abhandlung<lb/>
über die Zigeuner aus. Vgl. die folgende Literatur. Zu weit geht Krünitz,<lb/>
&#x201E;Encyklopädie&#x201C;, <hi rendition="#aq">CXXVIII</hi>, 27, der mit Beziehung auf den im 17. Jahr-<lb/>
gang des &#x201E;Hannöveri&#x017F;chen Magazins&#x201C; vom Jahre 1779, Stück 72, S. 138,<lb/>
abgedruckten anonymen Auf&#x017F;atz die Meinung wiederholt und ausführt, &#x201E;daß<lb/>
die allerer&#x017F;ten Zigeuner aus Deut&#x017F;chland gebürtige Juden gewe&#x017F;en &#x017F;eien&#x201C;.</note> Ferner erwähnt<lb/>
der Verfa&#x017F;&#x017F;er, daß die Woywoden in Siebenbürgen 1514 die&#x017F;e<lb/>
Zigeuner zum Kriege verwandt und Coloni&#x017F;ationsver&#x017F;uche mit<lb/>
ihnen ange&#x017F;tellt hätten. Auch erzählt er, daß &#x017F;ie von Condé vor<lb/>
Poitiers als Soldaten gebraucht &#x017F;eien, und will &#x017F;elb&#x017F;t während<lb/>
des Dreißigjährigen Krieges Zigeuner bei den Schweden im Pful-<lb/>
&#x017F;chen Regimente ge&#x017F;ehen haben, wo &#x017F;ie vorzüglich zum Spioniren,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0048] alten Egyptern oder Zingaren aus Nubia, ſondern allerley faul hudelmans Geſinde, ſo zwar von den vorigen ſeinen Anfang ge- nommen, und da jene in Abgang kommen, diß Geſindlein ſich immer propagiret, fortgepflantzt und vermehret, welche Vermehrung geſchicht uff zweyerley Weiſe. Eſtlich, daß ſie untereinander in großer Unzucht leben, und dadurch viel Kinder zeigen, Zum andern, daß ſich allerley loſes faules Geſindlein, ſo wol Mannes- als Weibes-Perſonen zu ihnen ſchlagen, ſo entweder Land-reumig, Vogelfrey, oder mit der faulen Sucht beladen ſind und nicht ar- beiten wollen. Damals hat ſolch loß Geſindlein unter dem Zie- geuner Hauffen ein jeglicher ſeine Mutterſprache, nach der Landes Art reden können, und ſind faule Buben und Bübin, Zauberer, Wahrſager, beyde Mannes und Weibes-Perſonen, da mancher einen Todtſchlag begangen, und daher Landreumig worden, oder etwa aus dem Gefängniß gebrochen, und es dergeſtalt gemachet, daß er ſich in ſeiner Heimat nicht dürffen ſehen laſſen, und ſich umb Sicherheit und Lebens-Friſtung unter dieſen faulen Hauffen geſchlagen. Oder auch wohl darumb, daß er nicht arbeiten, ſon- dern ſich lieber mit Müſſiggang, Rauben und ſtehlen, nehren, und ſein Leben in aller Leichtfertigkeit und Gottloſigkeit ohne große Mühe und Arbeit hinbringen wollen.“ 1) Ferner erwähnt der Verfaſſer, daß die Woywoden in Siebenbürgen 1514 dieſe Zigeuner zum Kriege verwandt und Coloniſationsverſuche mit ihnen angeſtellt hätten. Auch erzählt er, daß ſie von Condé vor Poitiers als Soldaten gebraucht ſeien, und will ſelbſt während des Dreißigjährigen Krieges Zigeuner bei den Schweden im Pful- ſchen Regimente geſehen haben, wo ſie vorzüglich zum Spioniren, 1) Jn ähnlicher Weiſe drückt ſich J. B. Weiſſenbruch in der ſeiner „Aus- führlichen Relation von der famoſen Zigeuner-, Diebs-, Mord- und Räuber- Bande“ (Marburg und Gießen 1727) vorausgehenden trefflichen Abhandlung über die Zigeuner aus. Vgl. die folgende Literatur. Zu weit geht Krünitz, „Encyklopädie“, CXXVIII, 27, der mit Beziehung auf den im 17. Jahr- gang des „Hannöveriſchen Magazins“ vom Jahre 1779, Stück 72, S. 138, abgedruckten anonymen Aufſatz die Meinung wiederholt und ausführt, „daß die allererſten Zigeuner aus Deutſchland gebürtige Juden geweſen ſeien“.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/48
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/48>, abgerufen am 23.11.2024.