Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.Philister, womit der Student jeden Nichtstudenten bezeichnet. Drittes Kapitel. C. Die Elemente des deutschen Gaunerthums. Das Gaunerthum ist aus dem Bettlerthum entstanden. Das 1) Richey, "Hamburger Jdiotikon", S. 343. So sagt der gemeine Mann
von einem Kranken, den er für verhext hält, "de witten Wyver heft em ünder" (die Heren haben ihn nieder, plagen ihn). Philiſter, womit der Student jeden Nichtſtudenten bezeichnet. Drittes Kapitel. C. Die Elemente des deutſchen Gaunerthums. Das Gaunerthum iſt aus dem Bettlerthum entſtanden. Das 1) Richey, „Hamburger Jdiotikon“, S. 343. So ſagt der gemeine Mann
von einem Kranken, den er für verhext hält, „de witten Wyver heft em ünder“ (die Heren haben ihn nieder, plagen ihn). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="13"/><hi rendition="#g">Philiſter</hi>, womit der Student jeden Nichtſtudenten bezeichnet.<lb/> Dann aber auch bedeutet <hi rendition="#g">wittiſch</hi> ſpeciell den linkiſchen Menſchen,<lb/> beſchränkten Kopf, auch den unbrauchbaren, ungeſchickten Gauner<lb/> ſelbſt, wovon <hi rendition="#g">Wittſcher Kaffer, Wittſtock</hi>, Dummkopf, <hi rendition="#g">Witt-<lb/> ſcher Maſſer</hi>, ein dummer Gauner, deſſen Verrath zu fürchten<lb/> iſt u. ſ. w. Die Ableitung vom niederdeutſchen <hi rendition="#g">witt</hi>, weiß,<lb/> weiſe, klug, wovon z. B. „<hi rendition="#g">de witten Wyver</hi>“, Hexen, Wahr-<lb/> ſagerinnen <note place="foot" n="1)">Richey, „Hamburger Jdiotikon“, S. 343. So ſagt der gemeine Mann<lb/> von einem Kranken, den er für verhext hält, „<hi rendition="#g">de witten Wyver heft<lb/> em ünder</hi>“ (die Heren haben ihn nieder, plagen ihn).</note>, oder von deſſen Derivatum <hi rendition="#g">wittig</hi>, witzig, ver-<lb/> ſtändig, wie z. B. im Hamburger Stadtrecht die zur Rathswahl<lb/> zu berückſichtigenden klügſten Bürger „<hi rendition="#g">de wittigſten</hi>“ genannt<lb/> werden, ſcheint, wenn auch die Gaunerſprache ſich in ironiſchen<lb/> Bezeichnungen überaus gefällt, doch geſucht. Die Ableitung vom<lb/> hebräiſchen <foreign xml:lang="heb"><gap reason="fm" unit="words"/></foreign>, <hi rendition="#aq">itter</hi> (von <foreign xml:lang="heb"><gap reason="fm" unit="words"/></foreign>, <hi rendition="#aq">attar</hi>, verſchließen, beſchränken,<lb/> mit dem charakteriſtiſchen <foreign xml:lang="heb"><gap reason="fm" unit="words"/></foreign>, W-<hi rendition="#g">itter</hi>, der Verſchloſſene, Gebundene<lb/> Beſchränkte an Hand und Zunge), welches ganz in das Jüdiſch-<lb/> Deutſche übergegangen iſt, mit der Bedeutung eines Menſchen,<lb/> welcher ſich nicht der rechten Hand bedient, ſondern nur links<lb/> oder linkiſch iſt, ſcheint mehr Natürlichkeit und Wahrſcheinlichkeit<lb/> zu haben. Das Nähere über die allgemeine techniſche Termino-<lb/> logie ſehe man im dritten Abſchnitt, Kap. 35.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Drittes Kapitel.</hi><lb/> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">C.</hi> Die Elemente des deutſchen Gaunerthums.</hi> </head><lb/> <p>Das Gaunerthum iſt aus dem Bettlerthum entſtanden. Das<lb/> alte Heidenthum kannte das eigentliche Bettlerthum nicht, weil<lb/> es die Sklaverei hatte, und ſomit in der ſocialen Abſchichtung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0029]
Philiſter, womit der Student jeden Nichtſtudenten bezeichnet.
Dann aber auch bedeutet wittiſch ſpeciell den linkiſchen Menſchen,
beſchränkten Kopf, auch den unbrauchbaren, ungeſchickten Gauner
ſelbſt, wovon Wittſcher Kaffer, Wittſtock, Dummkopf, Witt-
ſcher Maſſer, ein dummer Gauner, deſſen Verrath zu fürchten
iſt u. ſ. w. Die Ableitung vom niederdeutſchen witt, weiß,
weiſe, klug, wovon z. B. „de witten Wyver“, Hexen, Wahr-
ſagerinnen 1), oder von deſſen Derivatum wittig, witzig, ver-
ſtändig, wie z. B. im Hamburger Stadtrecht die zur Rathswahl
zu berückſichtigenden klügſten Bürger „de wittigſten“ genannt
werden, ſcheint, wenn auch die Gaunerſprache ſich in ironiſchen
Bezeichnungen überaus gefällt, doch geſucht. Die Ableitung vom
hebräiſchen _ , itter (von _ , attar, verſchließen, beſchränken,
mit dem charakteriſtiſchen _ , W-itter, der Verſchloſſene, Gebundene
Beſchränkte an Hand und Zunge), welches ganz in das Jüdiſch-
Deutſche übergegangen iſt, mit der Bedeutung eines Menſchen,
welcher ſich nicht der rechten Hand bedient, ſondern nur links
oder linkiſch iſt, ſcheint mehr Natürlichkeit und Wahrſcheinlichkeit
zu haben. Das Nähere über die allgemeine techniſche Termino-
logie ſehe man im dritten Abſchnitt, Kap. 35.
Drittes Kapitel.
C. Die Elemente des deutſchen Gaunerthums.
Das Gaunerthum iſt aus dem Bettlerthum entſtanden. Das
alte Heidenthum kannte das eigentliche Bettlerthum nicht, weil
es die Sklaverei hatte, und ſomit in der ſocialen Abſchichtung
1) Richey, „Hamburger Jdiotikon“, S. 343. So ſagt der gemeine Mann
von einem Kranken, den er für verhext hält, „de witten Wyver heft
em ünder“ (die Heren haben ihn nieder, plagen ihn).
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