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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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kein Kirchenschloß oder Kaufmannsgewölbe zu fest war. Er
verschmähte auch nicht den offenen Ueberfall auf der Land-
straße und hat mehr als einmal seine Hand mit Mord befleckt,
wie er ja denn wegen eines solchen am 19. Sept. 1710 zur Haft
gekommen ist. Fünf seiner Genossen, namentlich Martin Eger
(Mause-Merten) und Andreas Wesser wurden noch 1718 zur
Untersuchung und Strafe gezogen.

Actenmäßige Relation von den beiden Schloß Dieben zu Berlin Valen-
tin Runck,
ehemaligen Castellan, und Daniel Stieff, gewesenen
Hofschlösser u. s. w. Berlin 1719.

Diese auf königlichen Befehl herausgegebene Relation gibt eine
Darstellung der von Runck und Stieff vier Jahre lang im königlichen
Schloß mit großem Gaunertalent durch Nachschlüssel und Aufbruch
verübten verwegenen und sehr bedeutenden Diebstähle und ihrer
mit Umsicht und scharfer Gründlichkeit veranstalteten Ermittelung.
Durch geschickt angebrachte Bemerkungen wird die Menge der
Einzelheiten in klarem Zusammenhang gehalten und somit die
ganze Darstellung lebendig und für den Polizeimann belehrend.
Jm Gegensatz zu der in der dresdener Untersuchung wider Lips
Tullian und Genossen hervortretenden königlichen Milde sieht man
hier das auf Grund der besondern kurfürstlich brandenb. Edicte
vom 22. Jan. 1683, 12. Jan. 1684 und 16. Oct. 1696 vom
Criminalcollegium am 2. Juni 1718 gefällte Todesurtheil (mittels
des Stranges) vom erbitterten Könige umgestoßen und aus dem
Cabinet die qualvolle Todesstrafe des Rades substituirt, die auch
an beiden am 8. Juni vollzogen wurde. Der Relation ist noch
ein "theologischer Bericht, von der Bekehrung und dem Ende
des Runck durch das Reformirte Ministerium der Dom- und
Parochialkirchen in Cölln und Berlin beigegeben." Auch hat der
Prediger Andreas Schmid zu St.-Nicolai in einer eigenen Schrift
sein hartes Bekehrungswerk an beiden Delinquenten unter dem
Titel: "Die erwiesene göttliche Zornmacht in Offenbahrung
und Heimsuchung heimlicher Sünden", weitläufig dargestellt.

Ave-Lallemant, Gaunerthum. I. 15

kein Kirchenſchloß oder Kaufmannsgewölbe zu feſt war. Er
verſchmähte auch nicht den offenen Ueberfall auf der Land-
ſtraße und hat mehr als einmal ſeine Hand mit Mord befleckt,
wie er ja denn wegen eines ſolchen am 19. Sept. 1710 zur Haft
gekommen iſt. Fünf ſeiner Genoſſen, namentlich Martin Eger
(Mauſe-Merten) und Andreas Weſſer wurden noch 1718 zur
Unterſuchung und Strafe gezogen.

Actenmäßige Relation von den beiden Schloß Dieben zu Berlin Valen-
tin Runck,
ehemaligen Caſtellan, und Daniel Stieff, geweſenen
Hofſchlöſſer u. ſ. w. Berlin 1719.

Dieſe auf königlichen Befehl herausgegebene Relation gibt eine
Darſtellung der von Runck und Stieff vier Jahre lang im königlichen
Schloß mit großem Gaunertalent durch Nachſchlüſſel und Aufbruch
verübten verwegenen und ſehr bedeutenden Diebſtähle und ihrer
mit Umſicht und ſcharfer Gründlichkeit veranſtalteten Ermittelung.
Durch geſchickt angebrachte Bemerkungen wird die Menge der
Einzelheiten in klarem Zuſammenhang gehalten und ſomit die
ganze Darſtellung lebendig und für den Polizeimann belehrend.
Jm Gegenſatz zu der in der dresdener Unterſuchung wider Lips
Tullian und Genoſſen hervortretenden königlichen Milde ſieht man
hier das auf Grund der beſondern kurfürſtlich brandenb. Edicte
vom 22. Jan. 1683, 12. Jan. 1684 und 16. Oct. 1696 vom
Criminalcollegium am 2. Juni 1718 gefällte Todesurtheil (mittels
des Stranges) vom erbitterten Könige umgeſtoßen und aus dem
Cabinet die qualvolle Todesſtrafe des Rades ſubſtituirt, die auch
an beiden am 8. Juni vollzogen wurde. Der Relation iſt noch
ein „theologiſcher Bericht, von der Bekehrung und dem Ende
des Runck durch das Reformirte Miniſterium der Dom- und
Parochialkirchen in Cölln und Berlin beigegeben.“ Auch hat der
Prediger Andreas Schmid zu St.-Nicolai in einer eigenen Schrift
ſein hartes Bekehrungswerk an beiden Delinquenten unter dem
Titel: „Die erwieſene göttliche Zornmacht in Offenbahrung
und Heimſuchung heimlicher Sünden“, weitläufig dargeſtellt.

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[225/0241] kein Kirchenſchloß oder Kaufmannsgewölbe zu feſt war. Er verſchmähte auch nicht den offenen Ueberfall auf der Land- ſtraße und hat mehr als einmal ſeine Hand mit Mord befleckt, wie er ja denn wegen eines ſolchen am 19. Sept. 1710 zur Haft gekommen iſt. Fünf ſeiner Genoſſen, namentlich Martin Eger (Mauſe-Merten) und Andreas Weſſer wurden noch 1718 zur Unterſuchung und Strafe gezogen. Actenmäßige Relation von den beiden Schloß Dieben zu Berlin Valen- tin Runck, ehemaligen Caſtellan, und Daniel Stieff, geweſenen Hofſchlöſſer u. ſ. w. Berlin 1719. Dieſe auf königlichen Befehl herausgegebene Relation gibt eine Darſtellung der von Runck und Stieff vier Jahre lang im königlichen Schloß mit großem Gaunertalent durch Nachſchlüſſel und Aufbruch verübten verwegenen und ſehr bedeutenden Diebſtähle und ihrer mit Umſicht und ſcharfer Gründlichkeit veranſtalteten Ermittelung. Durch geſchickt angebrachte Bemerkungen wird die Menge der Einzelheiten in klarem Zuſammenhang gehalten und ſomit die ganze Darſtellung lebendig und für den Polizeimann belehrend. Jm Gegenſatz zu der in der dresdener Unterſuchung wider Lips Tullian und Genoſſen hervortretenden königlichen Milde ſieht man hier das auf Grund der beſondern kurfürſtlich brandenb. Edicte vom 22. Jan. 1683, 12. Jan. 1684 und 16. Oct. 1696 vom Criminalcollegium am 2. Juni 1718 gefällte Todesurtheil (mittels des Stranges) vom erbitterten Könige umgeſtoßen und aus dem Cabinet die qualvolle Todesſtrafe des Rades ſubſtituirt, die auch an beiden am 8. Juni vollzogen wurde. Der Relation iſt noch ein „theologiſcher Bericht, von der Bekehrung und dem Ende des Runck durch das Reformirte Miniſterium der Dom- und Parochialkirchen in Cölln und Berlin beigegeben.“ Auch hat der Prediger Andreas Schmid zu St.-Nicolai in einer eigenen Schrift ſein hartes Bekehrungswerk an beiden Delinquenten unter dem Titel: „Die erwieſene göttliche Zornmacht in Offenbahrung und Heimſuchung heimlicher Sünden“, weitläufig dargeſtellt. Avé-Lallemant, Gaunerthum. I. 15

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/241>, abgerufen am 03.05.2024.